Richard Mauz und seine Ziegen bekommen oft und gerne Besuch. Die Kindergartenkinder von St. Franziskus sind fasziniert von Bock Pommes mit seinen geschwungenen Hörnern und seinen Damen. Kindergartenleiterin Regina Frohna besucht gerne mit den Kleinen die Idylle am Ortsrand. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Sabine Försterling

Natur im wahrsten Sinn des Wortes erleben: Das steht fast jede Woche auf dem Programm des Berkheimer Kindergartens St. Franziskus. Nach einem halbstündigen Fußmarsch packen die Drei- bis Vierjährigen auf der großen Wiese neben dem Kleintierzüchterverein ihr Vesper aus. „Wir essen erst einmal, bevor die Hände dreckig und die Tiere gestreichelt werden“, sagt die Leiterin Regina Frohna.

Lina hat für sich Erdbeeren und Äpfel und für die Ziegen trockenes Brot mitgebracht. Das Mädchen liebt die Ziegen, die noch im Gatter Gras rupfen. Und selbstredend auch die Zwergkaninchen, die sich im Kreis aus Strohballen tummeln. Hühner, die leise gackern und scharren, komplettieren die Idylle am Rand der Wohnbebauung in Berkheim.

Vierbeiner plus Geflügel

Da erscheint Richard Mauz, und es kommt Bewegung in die beschauliche Szene. Der Frührentner hat vor sechs Jahren das Grundstück mit 60 Ar gepachtet und züchtet dort nicht nur Ziegen, sondern auch vom Aussterben bedrohte Hühnerrassen. Wie zum Beispiel die deutschen Lachshühner, die mit ihrem Bart sowie den Backenpuscheln richtig kuschelig aussehen und es sich an diesem Vormittag bei strahlendem Sonnenschien im Schatten eines Baumes bequem machen. Sie legen nicht so viele Eier und werden daher nicht mehr gezüchtet, erklärt Mauz. Besonders stolz ist der 62-Jährige auf die ursprünglich afrikanische Araucana Henne, die ihre Eier selbst ausgebrütet hat und sich um ihre fünf Tage alten Küken kümmert. „Wussten Sie, dass diese Rasse grüne Eier legt“, fragt der Frührentner die Erzieherin ganz nebenbei.

Die Kinder sind ungeduldig und warten vor allem auf „Pommes“. Endlich lässt nämlich der Pächter die Ziegen frei. Allen voran stolziert der Bock mit diesem für einen Vierbeiner doch recht ungewöhnlichen Namen - gefolgt von „Milka“ und „Hexe“ nebst dem gemeinsamen achtköpfigen Nachwuchs. „Langsam, langsam, sonst könnt ihr die Zicklein nicht streicheln“, ermahnt Mauz die Kinder, die gleich losstürmen. Die Drei- bis Vierjährigen rupfen nicht nur Gras, um die Tiere zu locken, sondern füttern heute auch ausnahmsweise mit ein paar Haselnusszweigen. Angst vor dem großen Bock mit den geschwungenen Hörnern hat keiner. „Pommes“ ist nämlich lammfromm und folgt seinem Herrchen wie ein Hund bei Fuß.

„Hexe“ hingegen erweist ihrem Namen alle Ehre und versteckt sich, als es heißt „zurück ins Gatter“. Dort warten als Leckerli gehäckselte, trockene Brötchen, die mit Weizen gemischt sind. Nun widmen die Kinder ihre Aufmerksamkeit wieder der Henne mit den Küken. „Wo ist der Papa?“ „Warum verstecken die sich unter der Mutter?“ So prasseln die Fragen auf Mauz ein. Der 62-Jährige erzählt von den Raben, die am Rand der Wiese auf Beute lauern. Daher müsse der Deckel auf dem Käfig unbedingt drauf bleiben. „Hier erleben die Kinder in einer Gesellschaft, in der hauptsächlich vor Bildschirmen konsumiert wird, wirklich etwas mit allen Sinnen“, sagt der Frührentner. Der Bezug zur Natur sei leider verloren gegangen, und viele Kinder wüssten nicht einmal, woher das Ei aus dem Supermarkt komme. Nicht nur die Leiterin des Kindergartens St. Franziskus gibt ihm recht. Das ist auch der Grund, warum Tagesmutter Sabine Tihanyi ebenfalls mit ihren Schützlingen zum Gelände bei der Kleintierzüchter-Anlage kommt. Der Kontakt zur Natur sei wichtig, und Mauz hole nicht nur die Tiere raus, sondern erkläre auch alles so toll, berichtet sie.

„Da werden Erinnerungen wach“

Jeden Sonntag und bei jeden Wetter gehe er vormittags zwischen zehn und zwölf Uhr mit seinen Ziegen spazieren, erzählt der 62-Jährige mit einem Augenzwinkern. Nicht nur Familien würden kommen, sondern auch viele Senioren aus dem in der Nähe liegenden Altersheim. „Da werden Erinnerungen wach, als es hier noch Landwirtschaft gab“, vermutet der Frührentner. Und damals habe es noch Naturbruten wie bei seiner Henne gegeben.

Heute kämen die Küken aus dem Automaten, und eine Legehenne werde 17 Mal geimpft, bevor sie überhaupt ein Ei legt. Mauz impft seine Hühner nur einmal im Jahr gegen Geflügelpest. Da schmecke ein Suppenhuhn doch ganz anders. Und die Nachkommenschaft von „Pommes“ darf an den Eutern ihrer Mütter trinken. Der Ziegenbock reist inzwischen als Zuchttier durch die Lande. Und der derzeit jüngste Sprössling wird demnächst die Herzen der Kinder im Höhenpark Killesberg in Stuttgart erfreuen.