Blick von Oberhof nach Hegensberg in den 1960er Jahren: Inzwischen sind viele der damaligen Freiflächen zugebaut. So haben sich Hegensberg und Liebersbronn nicht nur von der Mentalität her, sondern auch baulich angenähert. Foto: Stadtarchiv Esslingen Quelle: Unbekannt

Von Melanie Braun

Seit Jahren versucht man in Hegensberg, einen neuen Lebensmittelladen anzusiedeln - vergeblich. Nun werden die Ladenflächen des ehemaligen Geschäfts Kreutzer wiederbelebt. Der von vielen heiß ersehnte Nahversorger wird zwar auch hier nicht eröffnen, dafür aber eine Filiale der Bäckerei Schultheiss. Für manche kommt das überraschend - schließlich gibt es bereits einen Bäcker in Hegensberg. Doch bei Schultheiss ist man sich sicher, eine Marktlücke schließen zu können.

Schließlich werde man in der neuen Filiale an der Ecke Esslinger Straße/ Oberesslinger Straße nicht nur die ganze Palette an Backwaren und Konditoreiprodukten anbieten, sondern auch ein kleines Café einrichten, berichtet Frank Schultheiss, einer der Geschäftsführer der Bäckerei aus Ostfildern. So könnten die Kunden nicht nur Brot, Brötchen, Kuchen, Snacks und Kaffee mitnehmen, sondern die Waren auch direkt im Laden genießen - an sieben Tagen die Woche.

Kleines Café geplant

Denn die Bäckerei, die demnächst eröffnen soll, wird auch samstagvormittags und sonntags den ganzen Tag über geöffnet sein. „So ein Café fehlt hier noch“, sagt Frank Schultheiss. Denn solch ein Treffpunkt werde dem Stadtteil sicher gut tun. Dabei werde man sich allerdings auf das Kerngeschäft konzentrieren und nicht etwa eine Lebensmittel-Ecke mit Produkten für den täglichen Bedarf einrichten, wie es manch anderer Bäcker durchaus handhabt. „Es ist besser, wenn man bei dem bleibt, was man gut kann“, findet Schultheiss.

Das bedeutet aber auch, dass es in Hegensberg-Liebersbronn auch künftig kein Lebensmittelgeschäft geben wird, dafür aber zwei Bäcker. Das komme völlig überraschend, sagt Bernd Ziegler, Vorsitzender des Bürgerausschusses vom Berg, zu dem die Stadtteile Hegensberg, Liebersbronn, Kimmichsweiler und Oberhof gehören. „Wir haben einen einzigen Lebensmittelladen hier, das ist ein Bäcker - und jetzt kommt noch ein Bäcker“, wundert er sich. Aber mit dem Bürgerausschuss sei darüber auch nicht gesprochen worden, das Gebäude gehöre ja einer Privatperson.

Dabei versucht der Bürgerausschuss seit Jahren, ein Lebensmittelgeschäft im Ort anzusiedeln. „So ein Laden fehlt, das ist unser Problem“, sagt Ziegler. Dieses Manko sei das Thema Nummer eins im Stadtteil. Bis vor zehn Jahren habe es noch den Schlecker und den Kreutzer, eine Art Tante-Emma-Laden, gegeben. Doch seit die zwei Geschäfte geschlossen sind, gebe es fast kein Angebot für den täglichen Bedarf. Zwar finde einmal die Woche ein Markt in der Ortsmitte von Hegensberg statt. Zudem habe Birgit’s Lädle, das Geschäft, das viele als die Seele des Ortes bezeichnen und wo neben Schreibwaren, Büchern, Spielen und Tabakwaren auch verschiedene Dienstleistungen wie Uhrenreparaturen oder Reinigung angeboten werden, nach dem Wegfall der Läden einige Produkte neu ins Sortiment genommen. Doch den Bewohnern reicht das nicht. Sie hätten gern neben der Apotheke, dem Blumenladen, dem Küchenstudio, der Bank, dem Elektrogeschäft und dem Friseur wieder einen Nahversorger.

Doch das wäre auch ohne die neue Bäckerfiliale wohl schwierig geworden. Zumindest bei der Stadtverwaltung hat man die Hoffnung inzwischen aufgegeben. Das Problem sei, dass der Einzugsbereich für die großen Supermarkt-Betreiber mit rund 4000 Einwohnern im Stadtteil zu klein sei, sagt Wolfgang Ratzer, stellvertretender Leiter des Stadtplanungsamtes. In der Regel seien 5000 bis 7000 potenzielle Kunden das Mindestmaß - oder aber der Laden müsse an einer stark befahrenen Straße liegen und möglichst viele Parkplätze in unmittelbarer Nähe aufweisen. Beides sei in Hegensberg nicht der Fall. Selbst Märkte mit sozialer Komponente wie Cap oder Bonus, die nicht nur auf Profit ausgerichtet seien, hätten abgewunken. Sie hätten ein Gutachten zur Wirtschaftlichkeit eines Ladens in dem Stadtteil gefordert. Dieses habe im Januar vorgelegen und habe zum Ergebnis gehabt, dass ein Lebensmittelgeschäft hier nicht wirtschaftlich zu betreiben sei - selbst wenn die Sache mit sehr viel Herzblut angegangen werde. Auch das Problem der mangelnden Parkplätze sei wohl nicht zu lösen. Daher sei es aus stadtplanerischer Sicht gar nicht schlecht, dass sich ein Bäcker in dem früheren Laden ansiedele: „Für die Bewohner ist das sicher gut“, glaubt Ratzer.

Beim alteingesessenen Bäcker Haubensak, den es seit über 100 Jahren im Ort gibt, sieht man das naturgemäß anders. „Wir halten gar nichts davon“, sagt der Inhaber Markus Haubensak zu der geplanten Neueröffnung. Schließlich habe ein Nahversorger gefehlt, auch ein Metzger wäre nicht schlecht gewesen, aber ausgerechnet ein zweiter Bäcker sei „das Dümmste“, was hätte passieren können. Natürlich habe er jetzt Sorge, dass sein Geschäft unter der Konkurrenz leide. Zudem führe die Tatsache, dass es keinen Lebensmittelladen gebe, dazu, dass die Leute in die Stadt hinunter fahren - und dort gern auch gleich alles andere besorgen, was sie brauchen. Das sei schlecht für die Läden in Hegensberg, zumal er selbst auch einige Produkte abseits der Backwaren führe, etwa Milch, Marmelade, Aufschnitt oder Sahne. „Aber wir müssen jetzt abwarten, wie sich die Situation entwickelt“, sagt Haubensak.