Die Maille ist die grüne Lunge der Innenstadt. Ein Besuch unter den großen Bäumen verspricht Spaziergängern an heißen Sommertagen eine willkommene Abkühlung. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Hermann Dorn

Der Blick, den Klimaforscher in die Zukunft der Region Stuttgart werfen, verheißt nichts Gutes. Die Zahl der wärmebelasteten Tage wird sich verdoppeln. Deutlich zunehmen wird die Zahl der Menschen, die unter der Hitze leiden. Solche Aussichten beunruhigen auch Barbara Frey, die in der Esslinger Innenstadt den Bürgerausschuss leitet. Schon heute stöhnen die Menschen unter den Temperaturen, die spürbar höher sind als auf den Höhen des Neckartals. Weil sie die Lebensqualität in der Innenstadt in Gefahr sieht, wehrt sich Barbara Frey mit ihren Mitstreitern im Bürgerausschuss gegen weitere Verschlechterungen. Mit Sorge verfolgt sie gegenwärtig die Bestrebungen der Stadt, im Esslinger Norden das Baugebiet Greut zu realisieren. Selbst wenn die Folgen für die Frischluftversorgung der Innenstadt überschaubar bleiben sollten, will sie nicht klein beigeben. „Wir können keine weitere Mehrbelastung verkraften“, sagt sie.

Daniel Fluhrer, der Leiter des Esslinger Stadtplanungsamts, weiß, dass die Klagen hitzegeplagter Bewohner der Innenstadt berechtigt sind. Verwaltung und Politik seien gefordert, Schritte gegen die Erwärmung zu ergreifen, sagt er. Wenn besorgte Stimmen warnen, die Städte könnten unbewohnbar werden, hält er das allerdings für unseriös. Fluhrer setzt darauf, dass es gelingen kann, diese Zuspitzung zu verhindern. „Möglich wird das aber nur, wenn wir alle Register ziehen“, fügt er hinzu.

7000 Pflanzen auf dem Rathaushof

Aufmerksam haben die Stadtplaner verfolgt, welch positive Erfahrungen in Ludwigsburg mit dem „Grünen Zimmer“ gesammelt worden sind. Auf dem Rathaushof veranschaulicht dieses Projekt, wie Kommunen dem Klimawandel begegnen können. In gestapelten Gitterkörben wachsen 7000 Pflanzen, die mit Regenwasser versorgt werden. Platanen bilden ein grünes Dach. Die Erfahrungen mit dem 230 000 Euro teuren Projekt sind ermutigend. Sie belegen, dass der Aufenthalt in Zentren auch an heißen Tagen erträglich werden kann.

Fluhrer sieht sich in dem Ziel bestärkt, gerade in der Innenstadt grüne Inseln zu schaffen. Wie wichtig das ist, zeigt ihm regelmäßig ein Abstecher in die Maille. „Selbst an ganz heißen Tagen verspricht die grüne Lunge der Innenstadt mit ihren Bäumen etwas Erholung.“ Patentrezepte, wie solche Effekte im großen Stil zu erzeugen sind, gibt es aber nicht. „Wir brauchen viele kleine Bausteine, um mehr Schatten in die dichten Siedlungsstrukturen zu bringen“, sagt er. Als wichtigen Ansatz hebt er die Bemühungen hervor, neue Bäume zu pflanzen. Jahr für Jahr sind im ganzen Stadtgebiet zuletzt 100 Standorte dazugekommen. „Davon profitiert auch die Innenstadt“, sagt er.

Wie ernst die Stadt diese Aufgabe nimmt, erläutert er an der Neuen Weststadt. Auf dem früheren Güterbahnhof soll der Bestand großkroniger Bäume in den nächsten Jahren auf 150 verdreifacht werden. Die Stadt hat den Investor in diesem Zusammenhang verpflichtet, auf eine Reihe von Stellplätzen zu verzichten. Damit entsteht die Möglichkeit, Bäume so durch die Tiefgarage zu stecken, dass diese im Erdreich wurzeln.

Kritiker erkennen solche Fortschritte an. Sie werfen den Planern und dem Gemeinderat aber vor, diesen Weg nicht entschlossen genug zu gehen. Dass der alte Busbahnhof überbaut werden soll, halten sie für eine glatte Fehlentscheidung. „Dort wurde die Chance verspielt, eine versiegelte Fläche zu begrünen“, schimpft Barbara Frey. Auch auf dem Bahnhofsplatz hätte sie sich mehr Bäume gewünscht.

Neue Baumreihe und grünes Dach

Fluhrer verteidigt dagegen die Weichenstellungen. „Stadtplanung ist immer auch Abwägung verschiedener Ziele.“Außerdem verweist er auf das dichte Netz unterirdischer Leitungen, das Bemühungen um mehr Grün im Umfeld des Bahnhofs im Weg stehe. Fluhrer hebt die Fortschritte hervor, die trotzdem erreicht worden sind. So wird es am alten Busbahnhof entlang der Ringstraße eine Baumreihe geben. Für den Neubau wurde ein begrüntes Dach vereinbart. Außerdem gibt es am Bahnhof die Chance, Gleisflächen zu entsiegeln und einen Neckaruferpark anzulegen. Der Amtsleiter muss allerdings einräumen, dass es sich vorerst um Zukunftsmusik handelt. Weil ein hoher Millionenbetrag benötigt wird, muss das Vorhaben noch warten.

Wenn es um die Luftqualität und das Klima in der Innenstadt geht, hat Fluhrer auch den Verkehr im Blick. Er ist überzeugt, dass technischer Fortschritt, Bewusstseinswandel und städtische Verkehrspolitik vieles verbessern werden. Die Frischluftschneisen will er bei allem Optimismus aber nicht vernachlässigen. „Sie sind für die Innenstadt sehr wichtig.“ Wenn zu befürchten wäre, dass Baugebiete die Versorgung verschlechtern, müssten solche Vorhaben auch nach seinem Verständnis infrage gestellt werden. Im Greut sieht er bisher allerdings keinen Anlass für solche Zweifel.