6 Fotos: Kiesel Quelle: Unbekannt

Von Julia Schröder

Esslingen - Von wegen Einzelsport. Wer beim Triathlon lediglich an einsame Kilometer auf dem Rad, zahllose Bahnen in der Gesellschaft stummer Fische oder mühsames Traben in der Einöde denkt, der sollte sich dringend einmal mit Anja und Bernd Kiesel unterhalten. Das Esslinger Ehepaar trainiert nicht nur gemeinsam, sondern startete zuletzt zusammen bei der Triathlon-Weltmeisterschaft in Australien - begleitet wurden die Athleten von Nonplusultra Esslingen dabei von ihrer neunjährigen Tochter Romy sowie dem 19-jährigen Sohn Robin.

„Für mich ist Triathlon nicht nur ein Hobby, auch nicht nur ein Sport. Für mich ist Triathlon eine Art Lifestyle“, sagt Bernd Kiesel. Die Begeisterung für Atmosphäre, sportliche Leistung und die teamübergreifende Gemeinschaft bei Events sprudelt dem Geschäftsführer der Firma Kiesel Werkzeuge dabei nur so aus der Seele. Seit Jahren startet der 49-Jährige regelmäßig bei großen Meisterschaften - möglichst immer mit dabei: Die Familie.

Denn auch die ist - um es in den Worten von Ehefrau Anja zu sagen - „schon längst mit dem Virus Triathlon infiziert“. Auch wenn Tochter Romy zur Zeit noch begeistert in der Leichtathletik-Abteilung des TSV Baltmannsweiler trainiert und Sohn Robin nur aus Spaß an Läufen teilnimmt: Von den typischen Kiesel-Reisen an exotische Orte wie zum Ironman auf Hawaii oder nach Australien können anderer Familien Kinder nur träumen. „Das entschädigt dann irgendwie auch für andere Dinge, die vielleicht manchmal auf der Strecke bleiben“, hofft sie. Denn Zeit ist bei den Kiesels knapp, der Alltag ordentlich durchgetaktet. Zehn bis zwölf Stunden Training versucht die berufstätige Mutter, ehemalige Zweitliga-Fußballerin und seit sechs Jahren eben auch Triathletin aus Leidenschaft in der Woche unterzubringen. „Natürlich ist es deshalb auch schön, dass wir ab und zu gemeinsam trainieren können“, freut sie sich. „24-7, oder wie nennt man das?“, wirft ihr Gatte da lachend ein und spielt dabei darauf an, dass beide durch das gemeinsame Hobby und Arbeiten 24 Stunden sieben Tage in der Woche miteinander verbrächten. Ganz so ist das dann aber doch nicht. Im Gegenteil: Häufig wechseln sich die beiden zwischen Haushalt und Training ab - schließlich bleibt die Familie für Kiesels immer das Wichtigste.

Sogar bei der Weltmeisterschaftsteilnahme in Australien Anfang September. Zum einen, da das Wiedersehen mit der nahezu direkt an der Wettkampfstrecke lebenden Schwester Bernds für die Kiesels sowieso das Highlight des Unterfangens darstellte. Zum anderen wird der große Zusammenhalt der Familie in Sachen Triathlon deutlich, wenn Sohn Robin eine humorvolle Schilderung der Erlebnisse „der Schwaben DownUnder“ im Triathlon-Magazin „tritime“ bloggt. Oder wenn Grundschülerin Romy ihre Mutter am Tag vor dem Wettkampf zur Teilnahme überredet.

Denn auch wenn beide Elternteile vor den 1,9 Kilometern Schwimmen, 90 Kilometern Radfahren und 21,1 Kilometern Laufen nicht sonderlich nervös waren, sondern die Urlaubstage in vollen Zügen genossen, überkamen Anja Kiesel, die dem Schwimmen vor allem bei hohem Wellengang großen Respekt zollt, am Tag vor dem Rennen die Zweifel. „Ich habe am Tag vor dem Rennen wirklich viel mit mir und den Schwimmbedingungen gehadert. Aber Romy hat gesagt: Mama, du musst starten. Damit war das Thema dann quasi auch durch“, erklärte sie mit einem Augenzwinkern. Dass es im Rennen für die 37-Jährige dann doch nicht so gut lief - sie kam nach 6:19 ins Ziel - , kann sie heute gut wegstecken. „Währenddessen war es aber schon ätzend. Von Anfang an lief alles zäh, beim Schwimmen kam ich so spät aus dem Wasser, dass mir die Läuferinnen auf der Radstrecke bei kräftigem Wind immer in Gruppen entgegenkamen“, sagte sie. Der sehnsüchtige Wunsch, auch mal im Windschatten fahren zu können, stürzte die Athletin in das erste Loch ihrer noch jungen Triathlon-Karriere: „Jeder hat immer gesagt, es gibt diese Momente im Rennen, durch die du dich durchquälen musst - aber ich hatte das davor einfach noch nie.“ Ihrem Partner Bernd ging es auf den ungeliebten Abschlusskilometern ähnlich - auch er musste sich regelrecht durchbeißen. „Angekommen, die Kinder im Arm und Anja beim Zieleinlauf, war ich dann aber sofort wieder glücklich“, strahlt der Sportler und rundet damit das Bild einer perfekten Triathlon-Familie ab.