Foto: Neumann - Neumann

Von Dominik Berner

Ostfildern – Professionell trotzt Leonie Neumann der Kälte dieses trüben Märztages, als sie in dem kurzärmeligen, roten Deutschland-Shirt auf der Nellinger Tartanbahn sitzend abgelichtet wird. Neben ihr, am Rande der Bahn, liegt die warme Steppjacke – ebenfalls mit aufgedrucktem Bundesadler –, doch die 18-Jährige findet das Trainingsshirt „schöner“. Um ihren Hals hängt ihr neuster Stolz: Die Siegermedaille der deutschen U-20- Hallenmeisterschaft, die sich die junge Leichtathletin mit mindestens ebenso viel Professionalität erarbeitet hat, wie das richtige Zeitungsfoto. Neumann ist Dreispringerin von der LG Filder und gewann die nationalen Titelkämpfe in Sindelfingen mit einer herausragenden Weite von 12,49 Metern. „Ich bin aber eigentlich nicht so zufrieden mit der Weite“, sagt sie und lehnt sich, einige Augenblicke später, entspannt an die Wand in der Eingangshalle des Vereinsheimes. „Natürlich freue ich mich über die Platzierung, aber nach dem Wettkampf habe ich gleich überlegt, wo ich mich noch verbessern kann“, sagt sie. Eine Woche nach den deutschen Hallenmeisterschaften folgte die nächste Medaille. Bronze im Länderwettkampf in Halle (Saale). Dabei sprang Neumann mit 12,74 Bestleistung.

„Die deutschen Meisterschaften waren kein leichter Wettkampf für mich“, sagt Neumann. „Ich hatte Anlaufprobleme, habe einige Versuche ungültig gemacht und war negativ vorbelastet, weil die letzten Titelkämpfe in die Hose gegangen sind.“ Außerdem erschwerte sicherlich der Trainerwechsel unmittelbar vor dem Wettbewerb die Bedingungen. Wegen des Studiums lebt und trainiert die 18-Jährige künftig in Tübingen, weshalb sie gezwungen ist, den Ort des Trainings und eben den Betreuer zu wechseln. Neumann springt weiterhin im Trikot der LG Filder, bereitet sich jedoch ab sofort beim VfL Pfullingen vor: „Meinen neuen Trainer Johannes Ferdinand kenne ich aber schon von Lehrgängen des Verbandes.“
Durch ihr Jura-Studium musste Neumann in den vergangenen Monaten auf einige Trainingseinheiten verzichten. „Ich habe relativ wenig trainiert, weil ich von Tübingen immer gependelt bin und mich auch auf das Studium fokussieren wollte“, sagt die Leichtathletin und lässt durch ihren Blick erahnen, dass diese Zeit nur schwer mit ihrem Gewissen zu vereinbaren war. Trotzdem ist für die Dreispringerin klar: ihr Weg führt nicht in den Profisport, denn das bedeute ständigen Leistungsdruck. Mit hop, step und jump, wie die drei Sprünge bis zur Grube im Fachjargon genannt werden, lässt sich kein Geld verdienen. „Und mit 30 ist die Sportkarriere vorbei. Das System in Deutschland gibt das einfach nicht her“, meint die 18-Jährige und verweist damit auf ein altbekanntes Problem im deutschen Spitzensport. Neumann ist sich noch nicht sicher, ob sie tatsächlich als Juristin später arbeiten möchte: „Mich interessiert zum Beispiel auch Journalismus, aber jetzt studiere ich erstmal Jura zu Ende.“ Der Sport ist dabei für Neumann vor allem ein Mittel um abzuschalten und einen Ausgleich zu haben. „Ich nehme beides sehr ernst“, sagt sie und Neumanns Erfolge sprechen für sich.

Dabei begann ihre Leichtathletiklaufbahn eher zufällig. „Als ich in der dritten Klasse war, bin ich mit meinen Eltern zum Sparkassen-Cup in Stuttgart gegangen, bei dem viele internationale Athleten starteten. Ich habe damals die russische Stabhochspringerin Jelena Issinbajewa gesehen. Ich fand sie richtig cool“, sagt die Leichtathletin. Neumann wuchs im Scharnhauser Park auf und spielte bis dato – genau wie ihre Eltern –Volleyball bei der SV 1845 Esslingen. Die Show, die sich ihr damals in Stuttgart bot, faszinierte Neumann so sehr, dass sie sich wenig später für das Leichtathletiktraining anmeldete. Hier begann sie zunächst mit Mehrkampf. „Mein Trainer hat damals zu mir gesagt: Erstmal Mehrkampf und dann schauen wir weiter.“ Neumann lacht. Seit drei Jahren ist die Leichtathletin nun schon auf den Dreisprung spezialisiert und trainiert für ihr großes Ziel der kommenden Saison: „Ich würde ganz gerne zur Europameisterschaft in Grosseto in Italien dieses Jahr.“ Nun kommt es darauf an, wie die Vorbereitungen laufen und was ihr Studium zulässt. Doch Neumann hat durch ihren Meistertitel einen wichtigen Grundstein für dieses Ziel gelegt.

Neben Sport und Studium muss dann auch noch Zeit für ihren Freund übrig bleiben: „Mein Freund ist da sehr verständnisvoll und begleitet mich zum Beispiel auch auf Wettkämpfe.“ Und wenn Neumann die Zeit findet, abends auszugehen, dann ist die 18-Jährige meistens unter Leichtathleten. „Das ist super, weil meine Freunde dadurch Verständnis haben, wenn ich nichts trinken will oder zu müde bin.“ Nach den Erfolgen der vergangenen Wettkämpfe gönnt sich die Dreispringerin einen Skiurlaub. „Man muss ja auch Spaß haben“, sagt Neumann.