SSVE-Trainer Bernd Berger (links) beobachtet die Spieler, wie sie sich - beschwert mit einer Zehn-Kilo-Scheibe - über Wasser halten. Foto: Berner Quelle: Unbekannt

Von Dominic Berner

Esslingen - Wasserball war die erste olympische Mannschaftssportart und schaffte es trotzdem in Deutschland nie in den Mittelpunkt. Bis heute fristet Wasserball in der Sportwelt ein Mauerblümchendasein. Eine Spurensuche beim Training des Bundesligisten SSV Esslingen im Untertürkheimer Inselbad.

Die Hand packt den Edelstahlgriff der gläsernen Drehtür. Stehende feuchte Wärme und der beißende Geruch von Chlor empfängt den Besucher im Inneren der gigantischen Traglufthalle. Von außen sieht das Gewölbe wie ein riesiges Iglu aus. Weiß und rund; fremd und schon ein bisschen morbide.

Valentin Finkes überrascht der Anblick dieses Ortes schon lange nicht mehr. Finkes ist Wasserballer des SSV Esslingen und vier Mal pro Woche in der Traglufthalle des Inselbades. „Wir trainieren im Winter immer hier. In Esslingen gibt es keine Halle, die ein 50 Meter langes Becken hat“, erklärt er ruhig und deutet auf das lang gezogene Schwimmbecken, das Herzstück des Iglus. Finkes steuert auf den grauen Beton der Tribüne zu, während einige Schwimmer zu seiner Rechten von Startblöcken springen und die spiegelglatte Wasseroberfläche durchbrechen - normaler Betrieb. „Nachher kommen noch die Cannstatter. Wir teilen uns die Halle“, sagt er und setzt sich.

Berühmte Wasserballer?

Finkes ist 21 Jahre alt und war als Kapitän der U-19-Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft in Georgien dabei. Sein Ziel: Auch im Nationalkader der Männer Tore werfen. Nationalmannschaft Wasserball - Gedanken schießen durch den Kopf: Berühmte Wasserballer? Wen gibt es denn da? Den ehemaligen Weltklassespieler und aktuellen Bundestrainer Hagen Stamm. Und natürlich den Esslinger Jürgen Stiefel, den man respektvoll den „Beckenbauer des Wasserballs“ nannte und der mit der deutschen Mannschaft 1981 in Split Europameister wurde.

Die Wassersportart steckt in einem Loch, aus dem sie alleine nur schwer wieder herauskommt. Sponsoren fehlen. Ohne das Geld der Sponsoren sind die Möglichkeiten begrenzt, aufwendige Trainingskonzepte praktisch nicht umsetzbar. „Das liegt daran, dass der Sport nur schwer vermarktet werden kann“, sagt Finkes. Sportarten, die in den Medien nicht auftauchen, sind eben keine guten Werbeträger. Für Reklame fehlt im Wasserball auch schlichtweg der Platz, denn die einzige Fläche, die genutzt werden könnte, ist die Badekappe und diese geht im wahrsten Sinne des Wortes unter.

Am anderen Ende der Halle rattert die Drehtür. Nach und nach trudeln die restlichen Esslinger ein. Zum Schluss betritt Trainer Bernd Berger mit großen Schritten die Schwimmhalle. Im Schlepptau hat er Co-Trainer Heiko Nossek, Nationalspieler, der seine Brötchen auch schon in der italienischen Profiliga verdiente.

Fertig umgezogen stehen die Spieler am Beckenrand. Das Gelächter über raue Sportlerscherze verstummt. Es platscht, Wasser spritzt bis zur Tribüne. Der Trainer sitzt am Rand und mustert die Spieler beim Einschwimmen. „Der da drüben ist zum Beispiel Lehrer“, sein Zeigefinger zielt auf den Schwimmer auf der zweiten Bahn. „Er ist Physiotherapeut, die zwei da sind Schüler und der Rest sind Studenten.“ Vom Sport allein kann hier niemand leben. „In Ländern wie Ungarn oder Italien verdient man nicht schlecht. Da wird man schon deutlich mehr als der Bevölkerungsdurchschnitt bekommen“, vermutet Berger. Da können die deutschen Spieler nur neidisch werden.

Für Finkes ist es nicht nur der Wasserball, der wenig Aufmerksamkeit bekommt: „Im Olympiastützpunkt habe ich Ruderer kennengelernt, die auch wirklich kämpfen müssen. So geht es eigentlich allen Randsportarten.“

Bloß nicht untergehen

Kurzes Verschnaufen. Berger nutzt die Pause, um die nächste Übung anzusagen. Am Kopf des Pools, direkt hinter den Startblöcken, baut er ein kleines Tischchen auf. Handstoppuhr, Stift und Papier liegen bereit. Der Trainer setzt sich und lässt den ersten Kandidaten antreten. „Die Zehn-Kilo-Scheibe so lange über den Kopf halten wie möglich. Und nicht untergehen!“ Berger deutet auf die stählerne Gewichtsscheibe zu seinen Füßen. Während Normalsterbliche wohl nach spätestens fünf Sekunden den Grund des Beckens erreicht hätten, strampeln sich die Bundesliga-Spieler teilweise länger als 40 Sekunden über Wasser. Stabilität ist die Quintessenz in dieser Sportart. „Bei uns spielt sich alles in einem anderen Medium ab“, sagt Finkes, „Kicken und Laufen kann im Prinzip jeder; Schwimmen ist schon etwas komplizierter.“ Wer hat sich denn schon mal nachmittags zum Wasserball getroffen? Wohl die wenigsten. Dadurch fällt es einem Außenstehenden schwer, sich für diese Sportart zu begeistern.

Während die letzten Spieler die Gewichtsscheibe halten müssen, baut der Rest des Teams das 50-Meter-Becken zu einem Spielfeld um. Schwimmende Tore werden in das Wasser gezogen und Seile gespannt, auf denen bunte Kunststoffglieder aufgefädelt sind. Sie markieren die Grenzen des Spielfeldes. Die Esslinger ziehen blaue Wasserballkappen auf, die Cannstatter die weißen. Beide Teams kraulen energisch auf die Mitte des Spielfelds zu, wo der Ball eingeworfen wird. „Das Problem im Wasserball ist eben, dass du nicht viel siehst“, erklärt Finkes. „Man sieht im Grunde nur den Kopf, der über Wasser ist. Ich denke, die Sportart ist nicht sehr zuschauerfreundlich.“

Die Heimspiele des SSV bezeugen das. Während im Fußball, Handball oder auch beim Tennis ganze Stadien oder Hallen gefüllt werden, sitzen beim Wasserball 300 Zuschauer auf der Tribüne, die meisten sind Vereinsmitglieder. „Ich mache mir manchmal darüber Gedanken. Es ist einfach schade, dass dieser Sport nicht so anerkannt oder populär ist. Ich würde mich freuen, wenn mehr Zuschauer da wären und Wasserball höhere Wellen schlagen würde“, sagt Finkes ernst. Wasserball ist etwas für Idealisten - Geld und Berühmtheit sind hier nebensächlich.

Dominic Berner ist freier Mitarbeiter der Sportredaktion der Eßlinger Zeitung. Berner studiert Crossmedia-Redaktion/Public Relations. Im Rahmen seines Studiums verfasste Berner diese Reportage, die wir unseren Lesern nicht vorenthalten wollen.