Patrick Weissinger hatte sich den Job als Bundestrainer anders vorgestellt. Archiv Foto: Rudel Quelle: Unbekannt

Esslingen - Nach nur gut einem Jahr ist Patrick Weissinger nicht mehr Trainer des Wasserball-Nationalteams. Dass das Jahr sportlich nicht erfolgreich verlief, war für den 43-jährigen Esslinger nicht der Hauptgrund dafür, dass er sich nicht um eine Verlängerung des auslaufenden Vertrages mit dem Deutschen Schwimm-Verband (DSV) bewarb.

Wann haben Sie die Entscheidung getroffen, sich nicht um eine Vertragsverlängerung zu bewerben?

Weissinger: Nachdem wir im April in Triest die Olympia-Qualifikation verpasst hatten, habe ich mir Gedanken gemacht. Es war für mich schnell klar, dass ich gewisse Vorstellungen nicht umsetzen konnte. Ich habe im vergangenen Jahr sehr viel konzeptionell gearbeitet und konkrete Dinge vom DSV gefordert. Im Verband besteht jedoch ein gewisser Leerlauf, die Zuständigkeiten sind nicht klar. Das Präsidium möchte bis zur Neuwahl eines Präsidenten - oder einer Präsidentin - im November keine Entscheidungen treffen. Wir müssen im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2020 und 2024 aber jeden Tag nutzen und Strategien insbesondere in der Ausbildung, die ja da sind, konsequent umsetzen.

Die Nachwuchsarbeit war immer Ihr Ding.

Weissinger: Ja. Wir müssen junge Spieler wieder dahin bringen, dass wir international konkurrenzfähig sind. Da muss man eher an 2024 als an 2020 denken. Aber das gestaltet sich im Moment sehr schwierig. Der letztlich ausschlaggebende Punkt war, dass der DSV nur einen Vertrag bis zum Jahr 2018 ausgeschrieben hat. Wenn man als Trainer nicht einmal einen Olympiazyklus zur Verfügung hat, sind das für mich keine Perspektiven. Das geht im Leistungssport einfach nicht. Finanzielle Gründe lasse ich da nicht gelten, denn der DSV steht nicht so schlecht da. Es liegt ein völlig zerhackter und sportlich katastrophaler Olympiazyklus hinter uns. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass man den gleichen Fehler wieder macht.

Sie sprachen vor gut einem Jahr von einem Traumjob. Jetzt sind Sie ziemlich frustriert.

Weissinger: Ja schon. Natürlich war die Europameisterschaft nicht erfolgreich und wir haben die Olympia-Qualifikation verpasst, wenn auch knapp - hätte Heiko Nossek mit dem letzten Wurf getroffen, wären wir die Helden gewesen. Das war das Eine. Aber die Perspektiven im Wasserball und die Professionalität im DSV lassen so sehr zu wünschen übrig, dass ich für die nahe Zukunft wenig Hoffnung habe. Es wäre wünschenswert und sehr wichtig, dass sich nach der Präsidentenwahl etwas ändert. Das betrifft ja nicht nur den Wasserball, auch in anderen Sparten im DSV besteht Handlungsbedarf.

Die Chance, die Qualifikation für Rio zu schaffen, war von vorneherein sehr gering. Das deutsche Wasserball stand schon deutlich besser da, etwa als Sie unter Bundestrainer Hagen Stamm Kapitän waren.

Weissinger: Das Olympia-Qualifikationsturnier hat uns ganz klar aufgezeigt, dass uns andere Nationen überholt haben. Die Franzosen etwa haben sich seit langem mal wieder qualifiziert, darauf haben sie zwölf Jahre hingearbeitet. Auch die Griechen haben uns den Rang abgelaufen, ebenso die Spanier und die Niederländer. Das tut einfach weh. Zur Zeit von Hagen Stamm galt immer nur die A-Nationalmannschaft. Es ging nie darum, einen Nachwuchs zu entwickeln, der die gestandenen Nationalspieler wie Alexander Tchigir beerben könnte. Diesen Fehler dürfen wir nicht wieder machen. Aber danach sieht es im Moment aus.

Vor einem Jahr sagten Sie, Sie hätten eine Mannschaft mit einer Perspektive übernommen. Das sehen Sie offensichtlich nicht mehr so?

Weissinger: Es war sehr schwierig, an die Mannschaft heranzukommen. Die Führungsspieler waren nicht in der Lage, in den entscheidenden Situationen ihre Leistung abzurufen. Auch im athletischen und mentalen Bereich waren wir international nicht konkurrenzfähig. Um das aufzuholen, hat das halbe Jahr bis zur Europameisterschaft nicht gereicht.

Die Suche nach einem Nachfolger wird nicht leicht. Wo muss er ansetzen?

Weissinger: Es geht nicht nur um den Posten des neuen Bundestrainers. Die ganze Personalstruktur muss sich ändern. Wir brauchen im Wasserball etwa einen eigenen Sportdirektor. Das hat bisher Lutz Buschkow aus dem Wasserspringen, der am Ende des Jahres aufhört, mitgemacht. Wir brauchen einen, der die Belange der Fachsparte Wasserball bündelt und auch mal unangenehme Themen angeht.

Sie sind weiterhin beim Olympiastutzpunkt in Stuttgart tätig. Ihre Aufgaben in der Jugendarbeit beim SSV Esslingen haben Sie vor einem Jahr abgegeben - dürfen sich die Esslinger über Ihre Rückkehr freuen?

Weissinger: Ich bin schon wieder dabei. Jetzt im Moment betreue ich gerade einige Jugendspieler und wenn ich sehe, wie die Jungs sich freuen, dass ich wieder da bin, ist das schön. Auch am Bundesstützpunkt ist Vieles liegengeblieben. Von daher gibt es ein lachendes und ein weinendes Auge bei mir. Die A-Nationalmannschaft zu betreuen, ist eine Ehre. Aber unter den momentanen Voraussetzungen hat es sich als das Himmelfahrtskommando herausgestellt, als das ich es von einem Jahr bezeichnet habe.

Das Gespräch führte Sigor Paesler.