Während Union-Trainer Jens Keller den Sprung an die Tabellenspitze still genießt... Foto: dpa - dpa

Von Sigor Paesler
und Matthias Koch

Berlin/Stuttgart – „Spitzenreiter, Spitzenreiter“, schallte es durch das Stadion An der Alten Försterei in Berlin-Köpenick. Das Trainerteam um Chefcoach Jens Keller vollführte Freudensprünge. Der 1:0 (0:0)-Erfolg des 1. FC Union gegen den 1. FC Nürnberg am Montagabend brachte den Sprung an die Tabellenspitze der 2. Bundesliga – Keller steht als Trainer mit der Berliner Mannschaft nun vor seinem Ex-Club VfB Stuttgart und Eintracht Braunschweig. Hannover 96 mit dem neuen Coach André Breitenreiter befindet sich nicht einmal mehr auf dem Relegationsplatz.

Während die Berliner mit sechs Siegen in Folge und sieben dreifachen Punktgewinnen sowie einem Unentschieden in den acht Spielen des Jahres 2017 an die Spitze stürmen, schwächelt die Konkurrenz. Allen voran der VfB. Nach den fünf Siegen zum Jahresbeginn spielte das Team von Trainer Hannes Wolf zwei Mal 1:1 und verlor zuletzt mit 0:1 bei der SpVgg Greuther Fürth.

Nachdem Wolf und Sportvorstand Jan Schindelmeiser in den Katakomben der Fürther Stadionbaustelle noch den Finger in die Wunde gelegt und diverse Mängel angesprochen hatten, leistet Schindelmeiser nun verbale Aufbauarbeit. „Wir haben alles, um erfolgreich zu sein“, sagte er der „Stuttgarter Zeitung“ und ließ die Profis wissen: „Ihr seid gut, wir vertrauen euch – aber ihr müsst an eure Grenzen gehen.“

Die Berliner sind vorbeigezogen und haben nun mit 50 Punkten einen Zähler mehr als der VfB (49), dahinter lauern mit 47 Zählern die Braunschweiger. Die Eintracht, die in der Hinrunde an 14 Spieltagen an der Spitze stand, hat 2017 von acht Spielen erst drei gewonnen – diese allerdings in den vergangenen vier Begegnungen, wodurch ein eindeutiger Aufwärtstrend zu erkennen ist. Und Hannover? Zuletzt gab es für den momentanen Vierten (46 Punkte) das Wechselbad von einer Niederlage, einem Sieg und einem Unentschieden, vier der acht Partien des Jahres hat die Mannschaft unter dem beurlaubten Coach Daniel Stendel gewonnen. Jetzt soll Breitenreiter 96 zurück in die Bundesliga führen.

Für Union rücken derweil die Stadt-Derbys gegen Hertha BSC immer näher. „Wir freuen uns über diese Situation, aber es sind noch neun Spiele. Wir haben im Moment eine gute Ausgangsposition“, sagte Keller und blieb auch im überbordenden Jubel kühl kalkulierender Realist. Der Mann des Tages beim Sieg gegen den „Club“ war ein Ersatzspieler mit einer unglaublichen Kranken- und Genesungs-Geschichte: Philipp Hosiner, der in der Rückrunde nach der Verpflichtung des Top-Stürmers Sebastian Polter kaum noch zum Einsatz kam, schoss das entscheidende 1:0 in der 83. Minute. Krankenhaus-Aufenthalte prägten in den vergangenen zwei Jahren viele Monate sein Leben. Im Januar 2015 überstand der Österreicher einen Nieren-Tumor, im vergangenen Dezember einen Lungen-Kollaps. „Ich wollte auch in den letzten Spielen zum Einsatz kommen. Da hat der Trainer auf andere Optionen zurückgegriffen. Ich bin froh, dass er mich heute gebracht hat“, sagte der überglückliche Torschütze. „Er hat mir auf den Weg mitgegeben, dass wir das Spiel unbedingt gewinnen wollen. Das konnte ich schnell umsetzen.“

Zum sechsten Mal in elf Zweitliga-Spielzeiten steht Union auf dem ersten Tabellenplatz. Bisher war das dem Kultverein aber 2001/2002, 2009/2010 und 2013/2014 nur jeweils im ersten Saisonviertel gelungen. In dieser Saison bestieg der Verein den Thron erstmals nach 25 Spieltagen. „Mich würde es eher freuen, wenn wir auch nach dem 34. Spieltag noch da oben stehen“, sagte Angreifer Steven Skrzybski.

Neuer Vereinsrekord

Vor allem in der Rückrunde ist Union eine Bank. Zum neunten Mal in Folge blieben die „Eisernen“ ungeschlagen. Der sechste Sieg in Folge stellt einen neuen Vereinsrekord in der 2. Bundesliga dar.

Nach der Länderspielpause können die Berliner, die noch nie in der Bundesliga spielten, in der Partie bei Hannover 96 am 1. April einen direkten Aufstiegs-Konkurrenten abschütteln. „Das nächste Auswärtsspiel in Hannover wird sehr schwer. Aber ich glaube, dass der Druck in Hannover jetzt ein bisschen höher ist“, sagte Keller. „Wir werden weiter daran arbeiten, dass wir da blieben, wo wir sind.“

Die Stuttgarter erwarten am 2. April Dynamo Dresden – und wollen nicht nur Revanche für das peinliche 0:5 im Hinspiel nehmen. „Es liegt viel Arbeit in der Länderspielpause vor uns, damit wir die Kurve kriegen und die Spiele für uns entscheiden“, sagt Kapitän Christian Gentner.