Gemeinsam auf dem Trainingsplatz, gemeinsam in der Verantwortung, gemeinsam in der Kritik: Stuttgarts Trainer Jürgen Kramny (links) und Sportvorstand Robin Dutt. Foto: Rudel Quelle: Unbekannt

Von Sigor Paesler

Nur eines der vergangenen elf Spiele gewonnen

Sieben Spiele in Folge ohne Sieg

Vier Spiele in Folge verloren

Fünf der vergangenen sechs Spiele verloren

Stuttgart - Egal, welche Statistik man bemüht, der Absturz der Bundesliga-Fußballer des VfB Stuttgart ist bemerkenswert. Alles mündet in der Tatsache, dass die Mannschaft nach der 2:6-Demütigung in Bremen erstmals seit dem 16. Spieltag (1:1 beim morgigen Gegner FSV Mainz 05) wieder auf einem direkten Abstiegsplatz steht. Zwischenzeitlich - nach dem 26. Spieltag - war der VfB sogar Zehnter. Seither trudelt der Stuttgarter Traditionsverein in Richtung 2. Bundesliga. Zunächst fast unmerklich, dann immer unaufhaltsamer. Die Kritik an Trainer Jürgen Kramny und an Sportvorstand Robin Dutt wächst. Eine Suche nach Gründen.

Die Verletzten: Der Verweis auf das Lazarett ist bei Verantwortungsträgern nach Niederlagen ebenso üblich, wie wenige Tage später vor dem nächsten Spiel der Hinweis, dass es dann eben die anderen richten müssten und der Kader doch stark genug sei. Aber den VfB hat es tatsächlich böse erwischt. Und der Kader ist nicht stark genug, um das aufzufangen. Zu den fünf siegreichen Bundesliga-Partien kurz vor und nach der Winterpause traten die Stuttgarter in fast unveränderter Startaufstellung an, lediglich die langzeitverletzten Daniel Ginczek und Martin Harnik fehlten. Doch dann ging es los: Zunächst fiel Kevin Großkreutz, dann Serey Dié aus. Später erwischte die Grippewelle nacheinander Christian Genter und Lukas Rupp - alles Führungsspieler, die ihre Stärken in der Defensive und im mentalen Bereich haben. Sturmhoffnung Ginczek verletzte sich kurz vor dem geplanten Comeback gleich wieder schwer. Die gerade wiedergewonnene Sicherheit war futsch - die Erfolgsserie auch.

Der Sportvorstand: Als Robin Dutt im Januar 2015 antrat, bestieg er ein sinkendes Schiff. Er half mit, es vor dem Niedergang in die Zweitklassigkeit zu bewahren. Etwa durch die Verpflichtung von Defensivstratege Serey Dié - die allerdings vor seiner Zeit vorbereitet wurde - und das Festhalten an Trainer Huub Stevens.

Dutts Dilemma jedoch: Er weiß, dass er sich angesichts des verhältnismäßig bescheidenen Budgets bei Transfers kaum Flops leisten kann. Seine Bilanz ist zwar besser als die seiner Vorgänger Fredi Bobic und Horst Heldt, aber sie ist nicht gut genug. Im vergangenen Sommer landete er in Lukas Rupp und Emiliano Insua zwei Treffer. An Torhüter Przemyslaw Tyton scheiden sich die Geister, der Rest enttäuschte oder ist aufgrund von Verletzungen oder dem Status als Ergänzungs- oder Nachwuchsspieler nicht zu bewerten. Vor allem aber wurde es versäumt, einen weiteren Stoßstürmer zu verpflichten, was angesichts Ginczeks Ausfall deutlich wurde. Ganz zu schweigen davon, dass sich die mutige Entscheidung für Trainer Alexander Zorniger als absoluter Fehlgriff erwies.

Im vergangenen Winter lautete Dutts mäßige Ausbeute: ein Volltreffer (Großkreutz), zwei Flops (Artem Kravets, Federico Barba). Die vielen Verletzungen - gerade bei von Dutt geholten Spielern - tun doppelt weh, weil bei Profis für die zweite Reihe gespart werden musste.

Hinter den Kulissen schiebt Dutt mächtig Strukturveränderungen im Vereinsgefüge an. Er hat im Clubzentrum kaum ein Stein auf dem anderen gelassen - allein Ergebnisse auf dem Platz sieht man davon noch nicht.

Der Trainer: Jürgen Kramny war nach der Trennung von Zorniger nicht die erste Wahl - nach erfolgreichem Beginn als Interimscoach führte an dem bisherigen Stuttgarter U-23-Trainer aber kein Weg vorbei. Auch nicht für den Sportvorstand. Der hofft nun, dass er mit seinem Treuebekenntnis ebenso richtig liegt wie vor einem Jahr, als er Stevens bis zur Rettung den Rücken stärkte.

Doch der Kramny-Effekt ist gründlich verpufft. Nachdem Zorniger die Mannschaft zu einem der Top-Abstiegskandidaten gecoached hatte, fiel sie unter Kramny zunächst vom 16. auf den letzten Platz ab. Dann kam der Sprung bis auf Rang zehn, weil der Trainer einiges richtig machte.

Oder war sein Anteil an dem positiven Lauf doch nicht so groß? Blühten die Profis nach Zornigers Abgang einfach nur auf? Mittlerweile jedenfalls hat Kramny sein glückliches Händchen verloren. Er lag bei der Taktik und der Aufstellung einige Male daneben. Vor allem bei der Besetzung der Abwehr war er zu sprunghaft, er wirbelte sie nicht nur bedingt durch Ausfälle ständig durcheinander. Wie sehr Kramnys anfangs gelobte Ansprache an die Mannschaft bei dieser ankommt, ist schwer zu beurteilen. Fakt ist, dass die Spieler gegen die scheinbar übermächtigen Münchner und Dortmunder mutlos und gegen die direkten Konkurrenten Augsburg und Bremen desolat auftraten. Die VfB-Kicker sind verunsichert und machen in der Defensive wieder so viele Fehler wie unter Zornigers Harakiri-Fußball. Nach den Niederlagen wirkt Kramny zunehmend ratlos.

Der VfB steht nach einem kräftigen Zwischenhoch in der Tabelle heute schlechter da als bei Kramnys Start Ende November. Nachdem Hannover 96 bereits weg vom Fenster ist, sind die Stuttgarter unter den noch im Rennen verbliebenen Teams der Abstiegskandidat Nummer eins.

Großkreutz will auch bei Abstieg bleiben

Kevin Großkreutz will auch im Falle des möglichen Abstiegs aus der Fußball-Bundesliga beim VfB Stuttgart bleiben. Der Weltmeister, der beim VfB einen Vertrag bis zum Sommer 2018 besitzt, veröffentlichte wenige Tage nach der 2:6-Niederlage bei Werder Bremen eine kämpferische Ansage auf Instagram. „Ausreden zählen nicht mehr!“, schrieb Großkreutz. „Reicht es nicht, würde ich niemals so den Verein verlassen, sondern es wieder ausbügeln. Ich brenne. Dafür habe ich zu viel Stolz“.

Seit Mitte März fehlte der Rechtsverteidiger wegen eines Muskelbündelrisses im Oberschenkel, zuletzt trainierte er wieder mit der Mannschaft, ein Einsatz morgen gegen den FSV Mainz 05 ist wahrscheinlich.