Jos Luhukay im Trainingslager in Grassau am Chiemsee. Foto: Herbert Rudel - Herbert Rudel

Grassau – Er wurde geholt, um mit dem VfB Stuttgart den direkten Wiederaufstieg in die Fußball-Bundesliga zu schaffen. Im Moment arbeitet Trainer Jos Luhukay mit der Mannschaft im Trainingslager in Grassau am Chiemsee. Aber noch braucht die Mannschaft Verstärkungen. „Wenn man den Kader jetzt anschaut, kann man nicht so einfach sagen, dass wir garantiert aufsteigen“, sagt er im Interview.

Die Situation, eine Mannschaft zurück in die Bundesliga führen zu sollen, ist für Sie nicht neu. Das ist auch ein Grund, warum Sie verpflichtet wurden. Wie lässt sich die Situation in Stuttgart mit der ihrer früheren Stationen vergleichen?

Luhukay: So wie der VfB heute waren Borussia Mönchengladbach und Hertha BSC Berlin damals nach dem Abstieg keine normalen Zweitligisten. Es sind große Vereine, die nicht nur in der Bundesliga gespielt haben, sondern dort auch in oberen Bereichen dabei waren und international gespielt haben. Allein für den FC Augsburg war der Aufstieg etwas Neues. Die Erwartungshaltung in Stuttgart ist natürlich viel höher als bei einem anderen Zweitligisten, der vielleicht auch das Ziel hat, um den Aufstieg zu spielen. Der VfB gehört nicht in die 2. Bundesliga. Den Druck muss man aushalten, auch wenn es mal nicht so gut laufen sollte.

Und wie ist die Situation zu vergleichen, was den Kader betrifft?

Luhukay: Ich bin optimistisch. Aber ich muss auch sagen, dass ich in meiner Karriere noch nicht so eine Situation wie hier beim VfB erlebt habe, dass so viele Spieler den Verein nach dem Abstieg verlassen haben und wir Stand heute in der fünften Woche der Vorbereitung noch nicht den kompletten Kader zusammen haben. Normalerweise sind zu diesem Zeitpunkt vielleicht noch eine oder zwei Positionen offen. Wir haben in den vergangenen Wochen mit bis zu 21 Spielern aus unserer U 23 und U 19 gearbeitet und es ist noch nicht abzusehen, mit welcher Formation und welchen Spielern wir in die Saison starten werden. Das erste Spiel rückt immer näher. Es ist sportlich eine der schwierigsten Situationen, die ich je hatte. Trotzdem sage ich, dass wir eine realistische Chance haben aufzusteigen.

Das klingt dennoch nicht sehr vielversprechend.

Luhukay: Wenn man den Kader jetzt anschaut, kann man nicht so einfach sagen, dass wir garantiert aufsteigen. Das tue ich auch nicht. Wir können nur sagen, dass wir alles dafür tun werden.

Der neue Sportvorstand Jan Schindelmeiser hat in den vergangenen Tagen sehr deutlich seine Zweifel daran geäußert, dass der Kader schon stark genug für das Ziel Wiederaufstieg ist.

Luhukay: Wir haben ja immer offen kommuniziert, dass wir in allen Mannschaftsteilen Handlungsbedarf sehen und die Qualität des Kaders noch erhöhen müssen. Wir bemühen uns auch, machen aber keine Schnellschüsse. Es wird in dieser Phase immer deutlicher, dass es bei einigen Erstligisten Spieler gibt, die dort keine gute Perspektive für sich sehen. Vielleicht ist da jemand dabei, für den der VfB eine gute Adresse sein könnte.

Braucht der Kader allgemein noch mehr Qualität oder vor allem in bestimmten Mannschaftsteilen?

Luhukay: Allgemein, aber speziell in der Offensivabteilung. Der VfB hat im Sommer fast alle Offensivspieler verloren, Martin Harnik ist weg, Timo Werner und Daniel Didavi, um einige zu nennen. Da muss unser Schwerpunkt liegen.

Einer der Wackelkandidaten ist Emiliano Insua. Er hat seinen Wunsch geäußert, zu wechseln, ist aber im Trainingslager dabei.

Luhukay: Ich habe bislang einen fantastischen Eindruck von ihm. Er ist mit sehr viel Freude dabei. Ich habe in den eineinhalb Wochen, seit er hier ist, nicht eine Sekunde gezweifelt, dass er sich mit dem VfB identifiziert. Es gibt kein konkretes Angebot für ihn, und damit gehört er bis auf weiteres zu uns. Ich hoffe, dass wir ihn halten können, dann haben wir auf der linken Abwehrseite eine Baustelle weniger.

Sind haben noch nicht den Kader, den Sie brauchen. Aber wie zufrieden sind Sie mit den vorhandenen Spielern hier im Trainingslager?

Luhukay: Es war ja vom ersten Moment an so und es wird sich auch nicht mehr ändern: Die Jungs sind mit hundert Prozent dabei und sind enorm fleißig. Das ist für uns als Trainer eine Basis, die man braucht, um erfolgreich zu arbeiten. 

Liegt es vielleicht auch an Ihnen, dass die Spieler so gut mitziehen? Sie sagen alle, dass es besonders viel Spaß macht, weil Sie viel mehr mit dem Ball trainieren lassen als sie das von anderen Trainern kennen.

Luhukay: Vielleicht ist das auch ein Grund. Ich habe gerade heute mit einigen Spielern gesprochen, die mir gesagt haben, sie hätten noch nie so viel mit dem Ball trainiert. Das ist für viele etwas Neues. Ich habe geantwortet, dass wir aus ihnen bessere Fußballspieler machen wollen. Da gehört der Ball dazu. Aber es gibt auch mal regenerative Einheiten, in denen ausnahmsweise der Ball nicht dabei ist. Es geht mir auch nicht um den Spaßfaktor, sondern darum, möglichst gut vorbereitet zu sein, wenn die Saison anfängt.

Wie kann man in diesen Spielformen ein komplettes Training integrieren und etwa Schnellkraft und Ausdauer erarbeiten?

Luhukay: Durch die Intensität, die man unterschiedlich dosiert. Wenn man etwa Fünf gegen Fünf auf einem kleinen Spielfeld in kurzen Intervallen spielt, trainiert man die Schnelligkeit und Zweikämpfe und bringt die Spieler insgesamt in eine bessere konditionelle Verfassung. Bei Elf gegen Elf auf dem großen Feld wird eher das Ausdauervermögen trainiert. Wir finden das optimal. Wir nehmen jedes Training auf und werten es aus. Wir lassen ja nicht einfach nur Fußball spielen, da stecken schon viele Gedanken dahinter. Wir müssen in eine Top-Verfassung kommen.

Bei den Spielern haben Sie den Ruf eines kommunikativen Trainers, der jedem viel Wertschätzung entgegenbringt. Sonst haben Sie das Image eines Aufstiegstrainers, der danach nicht mehr lange da ist. Ärgert Sie das?

Luhukay: Ich glaube, dass ich bei den Vereinen, bei denen ich war, auch das eine oder andere über den Aufstieg hinaus mitentwickelt habe. Man darf auch nicht vergessen, dass ich mich nach dem Aufstieg mit meinen Mannschaften immer in der Bundesliga gehalten haben. Das war kein Glück, da steckte eine Strategie dahinter.  
Wenn Sie an das erste Saisonspiel am 8. August gegen den FC St. Pauli denken. Wird Ihnen da Angst und Bange oder überwiegt die Vorfreude?

Luhukay: Die Vorfreude. Das wird eine tolle Kulisse sein, für mich ist es das erste Spiel in unserem neuen Wohnzimmer, da freue ich mich sehr drauf. 

Das Interview führte Sigor Paesler.