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Von Sigor Paesler


Stuttgart – Als um halb sechs das Zweitliga-Spitzenspiel zwischen dem Vierten VfB Stuttgart und dem Tabellenführer Eintracht Braunschweig angepfiffen wurde, hatten viele Zuschauer in der Arena zunächst Mühe, sich auf das Geschehen auf dem Rasen zu konzentrieren. Ein Name machte die Runde: Hannes Wolf. „Hasch scho g’hört. . .“ fingen viele Sätze an. Der 35-jährige bisherige U-19-Trainer von Borussia Dortmund wird heute als neuer VfB-Chefcoach vorgestellt. Geplant war das eigentlich erst für Samstag, doch die Personalie ließ sich nicht mehr geheim halten.
Nachdem Schiedsrichter Christian Dingert das Spiel abgepfiffen und die VfB-Fans ihre Helden ausreichend für das 2:0 gefeiert hatten, war in den Stadion-Katakomben VfB-Sportvorstand Jan Schindelmeiser der gefragte Mann. Und er ließ die Journalisten lange warten. Um genau 20.09 Uhr erklärte er dann: „Ich kann ihnen bestätigen, dass wir morgen um 14 Uhr auf einer Pressekonferenz unseren neuen Trainer vorstellen werden. Es ist Hannes Wolf. Er ist die ideale Besetzung für den VfB und genau das, was wir uns auf Strecke vorstellen.“
Nicht Markus Gisdol wird Nachfolger des am vergangenen Donnerstag nach Querelen mit Schindelmeiser zurückgetretenen Jos Luhukay. Nicht Mirko Slomka, nicht André Breitenreiter. Keiner von denen, deren Namen in den vergangenen Tagen durch den Blätterwald und das weltweite Netz gegeistert war. Sondern Hannes Wolf. Der gebürtige Bochumer erhält in Stuttgart einen Vertrag bis zum Sommer 2018 und bringt Miguel Moreira als Assistent mit. In Dortmund hatte er noch einen Vertrag bis zum kommenden Sommer. Interimscoach Olaf Janßen wird dem Trainerteam nach Schindelmeisers Aussage nicht mehr angehören, soll dem VfB „aber hoffentlich in einer anderen Position“ erhalten bleiben.
Es hatte sich in den vergangenen Tagen angedeutet, dass sich Schindelmeiser für einen Trainer entscheiden würde, den niemand auf der Rechnung hat. Zunächst spekulierten einige Zeitungen im Westen der Republik in ihren Online-Ausgaben, der BVB könne seinen Nachwuchstrainer nach Stuttgart verlieren. Und dann sagte der VfB-Aufsichtsvorsitzende Martin Schäfer vor dem Spiel gegen Braunschweig dem TV-Sender Sky: „Wir werden den neuen Trainer am Mittwoch vorstellen.“
Zunächst, erzählte Schindelmeiser, wollten die Dortmunder Wolf nicht gehen lassen. „Das zeigt die große Wertschätzung, die er dort genießt“, erklärte der Sportvorstand. Wolf selbst überzeugte die BVB-Chefs dann jedoch, ihm diese berufliche Chance zu ermöglichen.
Der verletzte VfB-Stürmer Daniel Ginczek, der vor acht Jahren unter Wolf in der BVB-Jugend spielte, äußerte sich sehr positiv über den Coach. „Ich würde mich sehr freuen, wenn er käme“, sagte Ginczek noch bevor die Bestätigung gekommen war. „Er lässt viele Freiheiten am Ball, ist ein akribischer Arbeiter und kann die Spieler mit seiner emotionalen Art pushen.“
Wolf gehört zu der Spezies Trainer, die es als Spieler nur in den gehobenen Amateurbereich geschafft hat, aber früh als Trainertalent erkannt wurde. Der beidfüßige Stürmer spielte in der Oberliga für den 1. FC Nürnberg II, im Sommer 2006 stieg er als Spielertrainer beim ASC 09 Dortmund ein und führte die Mannschaft von der Bezirks- in die Westfalenliga. 2010 kehrte er zu Borussia Dortmund zurück, wo er in der Jugend gespielt hatte. Er wurde Co-Trainer der zweiten Mannschaft und übernahm anschließend hauptverantwortlich zunächst die U-17- und dann die U-19-Mannschaft des BVB. Insgesamt drei deutsche Meisterschaften feierte Wolf mit den Dortmunder Jugendteams.
Den Meistertitel muss er mit dem VfB nicht holen. Den Wiederaufstieg in die Bundesliga zu schaffen, wird schwer genug.

Der VfB nähert sich der Aufstiegsform


Der Stuttgarter Zweitligist schlägt Tabellenführer Eintracht Braunschweig mit 2:0

Stuttgart – Olaf Janßen kann die Mannschaft mit einem guten Gefühl an Hannes Wolf übergeben: Fußball-Zweitligist VfB Stuttgart gewann auch das zweite Spiel unter der Regie des Interimstrainers, nach dem 1:0 bei Schlusslicht 1. FC Kaiserslautern besiegte der Bundesliga-Absteiger Tabellenführer Eintracht Braunschweig mit 2:0 (1:0). Der VfB nähert sich der Aufstiegsform. Zumindest bis zum Mittwoch ist die Mannschaft schon Zweiter.

Von Sigor Paesler


Im dritten Spiel der Englischen Woche am Freitag (18.30 Uhr) in Bochum wird Janßen nicht mehr auf der VfB-Bank sitzen (siehe Text oben). „Die Jungs sind jetzt in der Spur“, erklärte er. „Der Prozess ist noch nicht beendet, aber wir haben uns spielerisch nochmals deutlich verbessert.“
Nachdem er vor dem ersten Spiel unter seiner Regie in Kaiserslautern vier Veränderungen vorgenommen hatte, tauschte der Interimstrainer diesmal nur auf einer Position: Für Tobias Werner, der über Adduktorenprobleme klagte, stand Berkay Özcan in der Startelf.
Es entwickelte sich eine temporeiche Partie, beide Mannschaften agierten offensiv. Zunächst hatten dabei die Braunschweiger die besseren Aktionen, doch die Stuttgarter fanden immer mehr Sicherheit. Vor allem nach dem Führungstreffer in der 18. Minute: Alexandru Maxim schlug eine Ecke, einige Spieler inklusive VfB-Kapitän Christian Gentner rutschten am Ball vorbei, doch Toni Sunjic köpft den Ball ins Tor. Es war der zweite Saisontreffer des häufig kritisierten Innenverteidigers, der diesmal auch hinten eine gute Figur machte.
Das Spiel der Stuttgarter war immer noch nicht frei von Fehlern, vor allem in der Vorwärtsbewegung gab es den einen oder anderen Fehlpass. Doch die Mannschaft wirkte deutlich gefestigter als in den vergangenen Wochen. Dem VfB kam auch entgegen, dass die Braunschweiger mit dem Selbstbewusstsein eines Spitzenreiters deutlich weniger defensiv und auf Fehler wartend auftraten als die vergangenen Gegner. Die schnellen Eintracht-Angreifer kamen immer wieder in die Nähe des Stuttgarter Tores, doch die VfB-Abwehr um Timo Baumgartl arbeitete konzentriert.
Glanzparaden von Langerak
In der 60. Minute brachte Janßen Kevin Großkreutz für Özcan – und der Publikumsliebling schloss nur vier Minuten später einen eigentlich verkorksten Abgriff zur Vorentscheidung ab: Takuma Asano vertändelte nach einem Flankenlauf den Ball, nutzte jedoch einen sofortigen Ballverlust der Braunschweiger und flankte – Großkreutz schloss überlegt ab.
Dafür, dass es nicht doch nochmal richtig spannend wurde, sorgte auch Mitchell Langerak: Der Stuttgarter Torhüter zeigte innerhalb von zwei Minuten zwei Glanzparaden nach Aktionen von Eintracht-Stürmer Domi Kumbela. Nicht nur Janßen konnte zufrieden sein.

Hohes Risiko

Kommentar von Sigor Paesler


Mit der Verpflichtung des nur in Szenekreisen bekannten Hannes Wolf vollzieht der VfB Stuttgart eine Kehrtwende. Direkt nach dem Abstieg aus der Fußball-Bundesliga im Mai musste es ein (aufstiegs-) erfahrener Mann sein, der die Mannschaft zurück in die Bundesliga führen sollte. Jetzt, nur vier Monate später und nach dem plötzlichen Abgang von Jos Luhukay, fällt die Wahl auf einen Coach, der in seiner jungen Trainerkarriere gezeigt hat, dass ihm die Zukunft gehören könnte, der seine beachtlichen Erfolge bislang aber nur im Jugendbereich erzielt hat. Hannes Wolf hat keine Erfahrung damit, routinierte Profis zu führen, er hat keine Erfahrung als Cheftrainer mit dem mitunter komplizierten Umfeld eines Traditionsclubs. Er hat keine Erfahrung mit sportlichen Krisen.
Stuttgarts Sportvorstand Jan Schindelmeiser, der an Luhukays Verpflichtung noch nicht beteiligt war, wird sich genau über Wolfs Fähigkeiten informiert haben. Er wollte mit seiner ersten wichtigen Personalentscheidung als VfB-Sportchef neue Wege gehen und eine Lösung präsentieren, die über das Saisonende hinaus wirkt. Aber er geht mit Wolfs Verpflichtung ein hohes Risiko ein. Nicht jeder schafft den Sprung so schnell wie etwa Julian Nagelsmann in Hoffenheim. Absolute Sicherheit hätte jedoch auch ein weiterer (aufstiegs-)erfahrener Haudegen nicht gebracht. Siehe Luhukay.