Die spielentscheidende Szene: Nach einem Stockfehler von Georg Niedermeier (Mitte) erzielte Alfred Finnbogason das 1:0 für Augsburg. Foto: Rudel Quelle: Unbekannt

Augsburg - Die Aufbruchstimmung, die bei den Bundesliga-Fußballern des VfB Stuttgart noch vor ein paar Wochen herrschte, ist gründlich vorbei. Die Siegesserie nach dem Amtsantritt von Trainer Jürgen Kramny ist nur noch eine blasse Erinnerung. Nach der verdienten 0:1 (0:1)-Niederlage beim FC Augsburg steckt der VfB wieder in der sportlichen Krise. In den verbliebenen vier Saisonspielen herrscht wieder Abstiegskampf und -angst pur.

Von Sigor Paesler

Es geht abwärts. Die Tabelle ist das eine. Statt mit einem Sieg auf Rang zehn zu klettern, ließ der VfB die nun punktgleichen Augsburger vorbeiziehen, rutschte auf den 15. Platz ab und hat nur einen Rang und zwei Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz 16. Das andere ist die Leistung: Wenn die Stuttgarter in den verbleibenden Spielen - mit Ausnahme von Werder Bremen gegen deutlich stärkere Gegner als der FCA - ähnlich auftreten wie in Augsburg, führt der Weg in die 2. Bundesliga.

Man stelle sich das mal vor: In den vergangenen beiden Spielzeiten zog der VfB durch eine Energieleistung im Endspurt gerade noch so den Kopf aus der Schlinge. Diesmal war der Vorsprung auf die Abstiegszone schon einigermaßen komfortabel, doch nun scheint den Stuttgartern in der Schlussphase der Saison die Luft auszugehen.

Trainer Jürgen Kramny hat nun genau eine halbe Spielzeit als Chefcoach hinter sich. Die jüngste Serie von nur einem Sieg aus neun Spielen hat seine persönliche Bilanz ziemlich verhagelt: 22 Punkte aus 17 Spielen lautet sie. In Augsburg lag Kramny erstmals auch mit seiner Taktik daneben: Zum ersten Mal schickte er eine 4-4-2-Kombination aufs Feld. Daniel Didavi und nach ausgestandener Grippe Christian Gentner - dafür hatte es Lukas Rupp erwischt - brachten aus dem defensiven Mittelfeld kaum Impulse nach vorne, die Doppelspitze Artem Kravets und Timo Werner machte gegen die starke Augsburger Innenverteidigung keinen Stich. Nach der Pause korrigierte Kramny.

Der desolate individuelle Auftritt der Stuttgarter mit vielen Fehlpässen und schwachen Zweikämpfen hatte jedoch ebenso wenig etwas mit der Taktik zu tun wie der Gegentreffer in der 36. Minute: Innenverteidiger Georg Niedermeier, dem beim 1:3 gegen Bayern München in der Woche zuvor ein Eigentor unterlaufen war, brachte Alfred Finnbogason mit einem heftigen Stockfehler im Strafraum in Schussposition. Letztendlich war es die spielentscheidende Szene, denn die Augsburger waren bis dahin genauso schlecht wie der VfB. Im Anschluss gab es ein paar Chancen auf beiden Seiten, unter anderem einen Pfostenschuss von Didavi (40.). Schließlich wurden die Stuttgarter für den mit Abstand schwächsten Auftritt seit Beginn der Ära Kramny mit der siebten Niederlage in Folge gegen den FCA bestraft. Und mit einem gellenden Pfeifkonzert von den eigenen Fans. Das gab es schon lange nicht mehr.

Der Ernst der Lage scheint den Stuttgarter spätestens jetzt bewusst zu sein. Die Herangehensweise der Protagonisten an die zurückgekehrte sportliche Krise ist jedoch höchst unterschiedlich.

Die Herangehensweise des Sportvorstandes: Robin Dutt überlegt sich stets ganz genau, wie er sich gegenüber den Medien äußert. Diesmal entschied er sich dafür, die verbale Keule auszupacken. „Fakt ist, dass es eine indiskutable Leistung war“, schimpfte Dutt sichtlich verärgert. „Wenn man dafür jemanden in die Pflicht nehmen muss, dann die Spieler, die auf dem Platz standen.“ Und weiter: „Es war völlig unnötig, wieder in diese Situation zu kommen. Das Ziel war ein gesicherter Mittelfeldplatz - davon kann ja jetzt keine Rede sein.“

Die Herangehensweise des Trainers: „Jetzt sind wir voll mittendrin“, sagte Kramny über den Abstiegskampf: Er bemühte sich jedoch, kämpferisch zu wirken, und sprach Appelle aus. Auf Dutts deutliche Worte angesprochen, erklärte Kramny: „Ich kann jetzt nach dem Spiel einen raushauen. Aber jetzt analysieren wir mal und ziehen dann unsere Schlüsse.“ Die lauten für ihn in erster Linie: „Wir müssen jetzt Charakter zeigen. Ich glaube trotzdem daran, dass die Mannschaft funktioniert.“ Schönreden wollte er die Leistung jedoch nicht: „Es ist sicherlich ärgerlich, wie wir in der ersten Hälfte aufgetreten sind, das sollten wir deutlich anders machen.“ Die Mannschaft sollte sich jedoch auch gegenüber der Leistung nach dem Wechsel steigern, wenn sie kein böses Erwachen erleben will.

Die Herangehensweise des Kapitäns: Gentner äußerte sich selbstkritisch zur Leistung der Mannschaft und sah sich gleichzeitig in seiner Rolle als Mahner bestätigt. „Die Situation ist ein bisschen trügerisch“, hatte er bereits vor zwei Wochen im Interview mit dieser Zeitung gesagt. „Vielleicht haben wir uns von der Situation blenden lassen, die wir vor einem Jahr nicht hatten. Diesmal hatten wir etwas zu verlieren“, sagte er nun über das Punktepolster noch vor ein paar Wochen. Und: „Wir sind nicht so stark, wie wir nach der Siegesserie zu Anfang des Jahres gemacht wurden.“ Jetzt gelte es, mit vollem Einsatz gegen den drohenden Abstieg anzukämpfen. „Wer das nicht kapiert hat, für den ist keine Verwendung“, fand auch der Kapitän klare Worte.

Alle drei Herangehensweisen können ihre Wirkung haben: Kritisieren, Appellieren, Mahnen. Nachdem Eintracht Frankfurt durch die Pleite in Leverkusen auf dem vorletzten Platz feststeckt, die anderen Konkurrenten mit Ausnahme des Hamburger SV aber gewonnen haben, hat sich die Ausgangslage der Stuttgarter im spannenden Siebenkampf um die Vermeidung des Relegationsplatzes deutlich verschlechtert. Auch ihr Restprogramm ist im Vergleich schwer. Der nächste Gegner ist Borussia Dortmund. Eine neue Aufbruchstimmung zu erzeugen, ist da gar nicht so einfach.

statistik

FC Augsburg: Hitz - Opare, Gouweleeuw, Klavan, Max - Baier (90.+3 Janker), Kohr - Koo, Hal. Altintop (85. Hong), Caiuby - Finnbogason (80. Bobadilla).

VfB Stuttgart: Tyton - Schwaab, Sunjic, Niedermeier, Insua - Klein (46. Maxim), Didavi, Gentner, Kostic - Werner (84. Kliment), Kravets (73. Tashchy).

Schiedsrichter: Stieler (Hamburg).

Zuschauer: 30660 (ausverkauft).

Tor: 1:0 Finnbogason (36.).

Gelbe Karten: Opare (2), Kohr (10) /-.

Beste Spieler: Caiuby, Klavan, Opare / Maxim, Tyton.