Timo Baumgartl (links) Anfang Juli bei einem Testspiel im Zweikampf mit Albert Bunjaku vom FC St. Gallen. Foto: Robin Rudel - Robin Rudel

Von Sigor Paesler

Grassau – Timo Baumgartl sitzt in der Lobby des Golfhotels Achental in Grassau am Chiemsee und betrachtet seine Beine. Er sieht einige blaue Flecken. „Ich weiß gar nicht, woher ich die habe“, sagt er und grinst. „Vielleicht ist es gut, dass ich schon abgehärtet bin.“ Der Innenverteidiger des Fußball-Bundesliga-Absteigers VfB Stuttgart stellt sich auf eine kampfbetonte Zweitliga-Saison ein – während der blaue Flecken Normalität im Leben eines Verteidigers sein werden.

Der 20-Jährige nimmt die Situation an. So wie seine neue Rolle im VfB-Team. Baumgartl ist der neue Abwehrchef. Darauf angesprochen muss er erneut grinsen. So wie er trotz der Anstrengungen im Trainingslager dieser Tage ohnehin viel gute Laune ausstrahlt. „Ich weiß es nicht, letztendlich muss der Trainer entscheiden“, sagt er. Weiß aber auch: „Der Trainer baut mehr auf den fußballerischen Stil. Das kommt mir entgegen.“ Das wird der neue VfB-Coach Jos Luhukay dem Stuttgarter Eigengewächs so auch persönlich gesagt haben. Denn Baumgartl gehörte nach dem Abstieg zu den VfB-Profis, die einige Bundesligisten gerne geholt hätten. Der Hamburger SV hatte Interesse und RB Leipzig, wohin Baumgartls Altersgenosse Timo Werner wechselte. „Natürlich habe ich mir mit meiner Familie und meinen Freunden Gedanken gemacht“, sagt Baumgartl. „Aber der Verein hat mir klargemacht, dass er auf mich baut und mich nicht gehen lässt. Es ist eine spannende Aufgabe, und ich bin froh, mittendrin zu sein.“

Spannend für den VfB und spannend für Baumgartl. Der blonde Schlaks ist eines der größten Talente der Stuttgarter. In der vergangenen Saison kam er auf 19 Bundesliga-Einsätze, wurde zwischenzeitlich durch eine Blinddarmoperation außer Gefecht gesetzt. Selten spielte er in der Abwehrzentrale mit dem gleichen Partner. Jetzt setzt er zum nächsten Schritt an. Baumgartl ist gesetzt. Um den Platz neben ihm streiten sich Toni Sunjic, dessen möglicher Weggang vom Tisch ist, und Neuzugang Marcin Kaminski. Wer es sein wird, lässt der gebürtige Böblinger auf sich zukommen. Ein eingespieltes Duo wäre ihm am liebsten. „Es kann immer zu Ausfällen kommen, man muss mit jedem zurechtkommen.“ Darin hat er Übung.

Videoanallyse mit Remy Reijnierse

Baumgartl möchte niemanden enttäuschen. „Ich will versuchen, mich weiterzuentwickeln und ein kompletterer Spieler zu werden.“ Weil er nicht gerade ein Kraftpaket ist, schiebt er deshalb entsprechende Sonderschichten. Mindestens ebenso baut er auf die Videoanalysen mit Co-Trainer Remy Reijnierse. „Da sieht man einfach mehr als auf dem Platz“, erzählt er. „Remy macht das richtig gut. Man merkt seine jahrelange Erfahrung durch die Arbeit beim niederländischen Verband.“ Woran er noch arbeiten muss? „Ich will versuchen, die Leichtsinnsfehler abzustellen, die ich noch drin habe.“ Was seine Stärken sind? „Ich sehe mich als Verteidiger, der gerne Fußball spielt. Ich glaube, das gefällt manchen an mir“, erklärt er. „Im modernen Fußball kommt es darauf an, dass man das Spiel von hinten eröffnet.“ Vor allem, wenn man es mit defensiven Gegnern zu tun bekommt trifft, auf die der VfB in der 2. Bundesliga oft treffen wird.

Die Nationalspieler Mats Hummels und Jerome Boateng nennt Baumgartl natürlich als Kollegen, bei denen er sich etwas abschauen kann. Das Vorbild seiner Jugend aber ist Serdar Tasci. „Klar habe ich zu ihm hochgeschaut. Er ist beim VfB von der eigenen Jugend zum Führungsspieler und sogar zum Kapitän geworden.“ Timo Baumgartl ist auf einem guten Weg, in Tascis Fußstapfen zu treten. Morgen können sich die beiden über das Thema unterhalten. Denn Tasci kommt mit Spartak Moskau zu einem Testspiel (16.30 Uhr) nach Grassau.