Auch beim Bundesliga-Duell zwischen dem KSC und dem VfB im März 2009 war die Polizeipräsenz stark. Foto: Archivbild dpa - Archivbild dpa

Karlsruhe – Als vor zwei Wochen im Wildparkstadion Nürnberger Fans Pyrotechnik zündeten und Karlsruher Anhänger versuchten, den Gästeblock zu stürmen, war Martin Plate vor Ort. Und auch am Sonntag (13.30 Uhr) gegen den VfB Stuttgart wird der Leiter der Pressestelle des Polizeipräsidiums mit dabei sein. Im Interview spricht er über Probleme, die allzu kreative Fans der Polizei bereiten – und über Krawalltouristen, die mit keinem der beiden Fußball-Zweitligisten etwas zu tun haben und dennoch für Ärger sorgen.

Was haben Sie gedacht, als im Mai Stuttgarts Abstieg besiegelt war?

Plate: Daran, dass wir damit ein weiteres Hochrisikospiel haben. Wir waren ja schon im Jahr zuvor froh, dass in der Relegation nicht Stuttgart gegen Karlsruhe spielte. Aber jetzt haben wir es in der 2. Bundesliga doch bekommen. Am Standort Karlsruhe ist dies ein Risikospiel besonderer Ausprägung.

Was macht den Standort Karlsruhe so besonders risikoreich?

Plate: Wir haben eine schwierige Anfahrtsituation, weil sich die Fanströme kreuzen. Und die Zufahrt zum Wildparkstadion konzentriert sich auf den Adenauerring und die Theodor-Heuss-Allee, das Stadion kann praktisch nur von einer Seite aus angefahren werden. Um vom Bahnhof oder der Autobahn zum Stadion zu kommen, muss man regelmäßig die Stadt queren.

Zudem können Gästebusse nicht direkt am Block parken . . .

Plate: Wir haben dort zwar einen Busparkplatz, der reicht aber nur für etwa zehn Busse. Wenn der Gästefanbereich völlig ausgelastet ist – gegen Stuttgart erwarten wir rund 3000 Gäste – müssen wir auch auf den Birkenparkplatz ausweichen. Dort droht dann eine Fanvermischung, die an wenigen Standorten so ausgeprägt ist.

Wie will die Polizei es trotz dieser Probleme schaffen, 3000 Stuttgarter und 25 000 Karlsruher voneinander zu trennen?

Plate: Neben vielfältigen getroffenen Vorkehrungen haben wir natürlich eine sehr große Zahl an Polizeibeamten im Einsatz . . .

. . . das heißt?

Plate: Rund 1000 Polizisten.

Von Land und Bund?

Plate: Nein, die Zahl bezieht sich nur aufs Land. Dazu kommen noch mehrere Einheiten der Bundespolizei. Wir benötigen diese Einsatzstärke, um in jeder Phase eine konsequente Fantrennung zu gewährleisten: Die bahnreisenden VfB-Fans werden vom Bahnhof mit Shuttle-Bussen zum Stadion transferiert, steigen dort aus und gelangen direkt in den Gästefanbereich. Dort übernimmt dann der Ordnungsdienst des KSC, nachdem wir am Bahnhof von der Bundespolizei übernommen haben. Und die Busse werden von der Polizei an den verschiedenen Anschlusspunkten aufgenommen. Auf dem Birkenparkplatz und dem Adenauerring werden wir mit Sperrgittern arbeiten, um die KSC- und VfB-Zonen zu trennen. Dortige Durchlassstellen bleiben nur dann geöffnet, wenn ein gefahrloses Passieren möglich ist.

Von Fangruppen wurden inzwischen verschiedene Treffpunkte genannt: Es gab die „Schwaben jagen“-Plakate, die für ein Treffen um 10 Uhr am Friedrichsplatz warben. Die Ultras kündigen einen Derbymarsch an, der um 9 Uhr am Fanprojekt startet: Ist die Polizei da dabei?

Plate: Ganz egal, wo sich die KSC-Fans sammeln: Die, die bei der Polizei im Visier sind, weil sie Konflikten anders begegnen als uns dies lieb ist, die werden wir begleiten.

Wie viele KSC- und VfB-Anhänger sind es denn, die Sie besonders im Auge haben?

Plate: Auf beiden Seiten mehrere Hundert. Beim KSC sind es etwa 300, wobei wir da unter anderem mit Unterstützern der befreundeten Berliner rechnen, da die Hertha am Sonntag in Sinsheim spielt. Die Stuttgarter erfahren wiederum Unterstützung aus Reutlingen und von anderen befreundeten Clubs. Hinzu kommen zwei weitere Effekte, die man nicht unterschätzen darf.

Welche sind das?

Plate: Zum einen der Krawalltourismus: Junge Menschen, die mit den Vereinen wenig am Hut haben, aber ein solches hochbrisantes Spiel nutzen, um auf ihre sehr unschöne Weise Spaß zu haben. Das heißt: Krawall machen, provozieren, Einsatzkräfte behindern. Ich habe die Bilder vom 1. März 2009 auf dem Adenauerring noch vor Augen: Beim damaligen Derby haben Gruppen Krawall gemacht, die über die bekannte Problemszene hinausgingen. Über 100 Menschen mussten in Gewahrsam genommen werden. Und letztendlich gibt es noch Besucher, die eigentlich friedliebend sind, aber bei einem solch emotionalen Spiel am Ende über das Ziel hinausschießen.

Auf was für zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen haben Sie sich denn in den Gesprächen mit dem KSC geeinigt?

Plate: Da wurden Maßnahmen besprochen, die der Deeskalation dienen – etwa über die Fanbetreuung und die Sicherheitsverantwortlichen beider Vereine. Es gibt direkte Ansprachen, Fanbriefe oder auch zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen beim Einlass. Und es gibt polizeiliche Verfügungen: das Alkoholverbot, aber auch zur Zahl der Ordner.

Welche Ordnerzahl haben Sie denn verfügt?

Plate: Das ist Aufgabe der Stadt Karlsruhe in Abstimmung mit der Polizei. Es gibt da eine Spannbreite. Ich rechne mit rund 600 Ordnern.

Haben Sie beim KSC Dinge angesprochen, die gegen Nürnberg schiefgelaufen sind? Zum Beispiel konnten Fans, die über die Zäune geklettert sind, Tore zum Innenraum öffnen.

Plate: Natürlich, da gab es ein paar Punkte: etwa, wie die Fans die Blöcke verlassen und über den Innenraum oder andere Zugänge versuchen konnten, zu den Gästefans zu gelangen. Aber bei aller Kritik: Fluchttore müssen geöffnet werden können. Es dürfen keine Tore so verschlossen sein, dass Rettungswege versperrt werden. Wir haben nach dem Nürnberg-Spiel sechs KSC-Anhänger identifiziert, die versucht haben, über den Innenraum in den gegnerischen Block zu kommen. Gegen die Personen wurden Maßnahmen verhängt, die jetzt gegen Stuttgart schon Wirkung zeigen.

Stadionverbote?

Plate: Es sind mit dem KSC abgestimmte Maßnahmen. Die Verfügung bundesweiter Stadionverbote durch den DFB ist an Formalien geknüpft und nimmt einige Zeit in Anspruch. Zudem wurden natürlich Ermittlungen eingeleitet – wie auch gegen zwei weitere KSC-Fans, die bei diesem Spiel festgenommen wurden. Darüber hinaus gibt es eine Gruppe, die bei der Anreise nach Hannover auf einem Rastplatz mit Dresden-Fans zusammengestoßen ist. Auch da wurden Ermittlungen eingeleitet. All die Genannten werden das Stadion nicht betreten. Zudem hat die Stadt Karlsruhe gegen neun VfB-Fans Betretungsverbote verhängt.

Von KSC-Fans gab es den Vorwurf, beim Nürnberg-Spiel sei Tränengas auch in den D-Block auf der Gegengerade gesprüht worden. War das notwendig?

Plate: Natürlich polarisiert so etwas und wird zuweilen auch kritisiert. Aber ich gehe davon aus, dass es unvermeidbar war. Wenn ich als Polizist mit Gewalt konfrontiert werde und Maßnahmen zu treffen habe, die polizeiliche Ansprache aber nicht zum Ziel führt, dann muss ich im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten unter Umständen eben auch Zwangsmittel einsetzen. Recht braucht dem Unrecht prinzipiell nicht zu weichen: Und da kann es auch unumgänglich und geboten sein, dass wir Stock oder Pfefferspray zur Hilfe nehmen müssen.

Das gilt auch, wenn – wie beim KSC – Menschen den Zaun im Stadion übersteigen und auf Aufforderung nicht absteigen?

Plate: Unter Umständen ja. Aber natürlich gehen wir stufenweise vor und setzen Zwangsmittel wie Pfefferspray nur dann ein, wenn es unvermeidbar ist. Denn es birgt eben auch die Gefahr, dass jemand in der zweiten Reihe steht und möglicherweise unbeteiligt ist, etwas abbekommt. Das schließe ich nicht aus. Deswegen ist es im Block sehr schwierig, polizeilich zu agieren – weswegen das immer nur das letzte Mittel ist.

Bis Anfang 2016 waren Sie acht Jahre lang Einsatzleiter bei vielen KSC-Spielen. Hat die Gewalt im Fußball wirklich zugenommen – oder ist nur die Aufmerksamkeit dafür größer?

Plate: Über eine sehr lange Sicht gesehen, hat es sich schon in diese Richtung entwickelt. Das spiegelt sich auch in der höheren Zahl an Einsatzstunden und Strafverfahren wieder. Aber im Grunde sind es doch seit jeher die brisanten Spiele, die besonders ins Gewicht fallen. Die große Masse der Fußballspiele läuft sehr unspektakulär ab. Es ist in den vergangenen Jahren also nicht alles schlimmer geworden. Wir haben etwa im Vergleich zur Vorsaison keinen Anstieg der Straftaten oder der Verletzten. Ohnehin hängen diese Zahlen immer stark davon ab, welche Mannschaften in der Liga spielen: Wäre Dresden nicht auf- und Stuttgart nicht abgestiegen, hätten wir zwei große Einsätze weniger. Eines aber ist anders als früher: Bei der organisierte Fanszene im Ultrabereich muss man immer damit rechnen, dass sie eine Überraschung parat hat. Da müssen wir immer wieder die Grenzen aufzeigen und Spielregeln deutlich machen. Die organisierte Fanszene ist sehr kreativ, oft schon bei der Art der Anreise. Sie stellt die Polizei vor große Herausforderungen, weil man sich keinen Regeln unterwerfen möchte und eigene Ideale hat.

Was ist denn Ihr Wunschergebnis fürs Derby?

Plate: Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust, denn ich bin ja in Karlsruhe groß geworden. Aber bei einer großen Rivalität ist ein Unentschieden meist etwas, das zur Besänftigung beiträgt – wenn es nicht gerade durch eine Fehlentscheidung zustande kam.

Das Gespräch führte Simon Walter

Zur Person

Obwohl Martin Plate selbst einst in der Handball-Oberliga für Ettlingen spielte, fühlt er sich seit jeher auch dem Fußball verbunden. Acht Jahre lang teilte er sich die Leitung der Polizeieinsätze bei Spielen des Karlsruher SC mit Fritz Rüffel. Parallel dazu war Plate zunächst Chef das Polizeireviers Durlach und anschließend des Reviers Karlsruhe West. Vor knapp einem Jahr übernahm der heute 50-jährige Polizeioberrat die Leitung der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit beim Polizeipräsidium Karlsruhe. Er ist in Ettlingen aufgewachsen, verheiratet und Vater zweier Kinder.