Neuhausen – Volle Halle, großer Kampf, spielerische Klasse, umstrittene Schiedsrichterentscheidungen, ständige Führungswechsel und eine Punkteteilung, die für den Favoriten glücklich war – dieses Spiel hatte alles, was den Handballsport ausmacht. 32:32 (18:16) endete das Derby in der Baden-Württemberg Oberliga zwischen dem TSV Neuhausen und dem TSV Deizisau. Nach dem Ausgleichstreffer von Neuhausens Hannes Grundler in der Schlusssekunde mussten alle erst einmal tief durchatmen.
Von Sigor Paesler
Simon Kosak hatte keine Chance. Im Durcheinander wenige Minuten nach dem Spielende lief der Deizisauer Kreisläufer Dennis Prinz in die Arme. Der verletzte Kapitän umarmte den jungen Kameraden so heftig, dass diesem fast die Luft wegblieb. Aber er ertrug es gelassen und lächelnd. „Sensationell, sensationell“, rief Prinz.
Nachdem der Deizisauer Kader im Sommer ohnehin schon deutlich verjüngt worden waren, fielen vor dem wichtigsten Derby der Saison auch noch einige der wenigen Routiniers aus. Die Jungen mussten es richten. Und sie richteten es.
Und so kam es, dass sich nach 32 Toren auf beiden Seiten und einem Punkt für jede Mannschaft die beiden Trainer erst einmal ein ruhiges Eckchen zum Sammeln suchten und auch sehr ähnliche Worte wählten. Doch Neuhausens Ralf Bader machte dabei ein Gesicht wie vier Wochen Regenwetter und Deizisaus Mike Wolz strahlte sein schönstes Strahlen. Bader: „Wir haben nicht halbwegs das umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben.“ Wolz: „Wir haben fast alles umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben.“ Bader: „Wenn man 32 Gegentore bekommt, hat man nicht verdient, zu gewinnen. Deizisau ist mit der zweiten Welle über uns hinweggerollt und hat damit das gemacht, was wir uns vorgenommen haben.“ Wolz: „Ich bin super zufrieden mit dem, was die Jungs hier gezeigt haben.“
Zufrieden waren beide Trainer am Ende mit dem Punkt. Die Neuhausener, weil sie ihrer Favoritenrolle in keiner Weise gerecht geworden und zwei Sekunden vor dem Spielende noch mit 31:32 zurückgelegen waren. Die Deizisauer, obwohl sie meistens in Führung gelegen waren und den Sieg ein bisschen mehr verdient gehabt hätten.
Aber die Deizisauer wussten um die Ausgangslage: Sie hatten sich vor dem Saisonstart lediglich den Klassenverbleib vorgenommen, die Neuhausener sind Mit-Aufstiegsfavorit. Da können die Deizisauer aus dem Spiel viel Selbstvertrauen ziehen, auch wenn es nicht zum Sieg gereicht hat.
Von Beginn an zeigten die Deizisauer, dass sie den individuell stärkeren Neuhausenern viel Einsatz und Spielwitz entgegensetzen wollten. Und die Zuschauer erkannten, dass die Neuhausener Schwierigkeiten hatten, ins Spiel zu finden. Los ging es mit einer – nicht nur in diesem Fall überzogenen – Zweiminutenstrafe für Deizisaus Louis Unseld und einem verworfenen Siebenmeter durch Neuhausens Alexander Trost. Gut fünf Minuten später stand es 4:0 für Deizisau.
Es ging hin und her. Neuhausen kam heran, glich aus, ging in Führung. Doch der Moment, auf den viele der 800 Zuschauer warteten – zum einen Teil hoffend, zum anderen bangend – kam nicht: Deizisau ließ sich nicht abschütteln, die Mannschaft brach nicht ein, die Spieler riefen immer wieder Kraftreserven ab.
Auch die zwei schnellen Tore der Neuhausener vor der Pause vom 16:16 zum 18:16 hatten keine Auswirkung auf die Moral der Deizisauer. Sie kamen wieder heran und führten nach 50 Minuten sogar mit 28:25. Knapp drei Minuten später stand es 28:28. Das Spiel näherte sich dem Showdown, der in der letzten Szene mündete: Noch zwei Sekunden zu spielen, Neuhausen liegt mit einem Tor zurück, bekommt aber noch einen Freiwurf zugesprochen. Grundler läuft an, springt, wirft und erwischt Deizisaus Torhüter Fabian Kehle auf dem falschen Fuß. 32:32. Aus.
„Ich hatte in dieser Situation nichts zu verlieren. Wenn sich der Torwart für die andere Ecke entscheidet, verlieren wir“, sagte Grundler wenig später, immer noch voller Adrenalin, und ergänzte: „Am Ende war es glücklich und wir können mit dem Punkt leben. Deizisau hat ein bärenstarkes Spiel gemacht.“ Darüber waren sich wohl alle in der Halle einig. So unterschiedlich die Gefühlslage bei den Beteiligten nach diesem packenden Derby auch war.
Statistik
TSV Neuhausen: Hämmerling, Herrmann; Weckerle (2), Durst (7), Pabst (3), Grundler (12/3), Roos (2), Trost, Flechsenhar, Sommer 82), Holder (1), Schmidt (3).
TSV Deizisau: Gross, Kehle; Kosak (4), Taxis (2/1), Unseld, Schwarz (7), Lohmann (3), Kenner (5), Kleefeld (4/3), Crone, Brockstedt, Kugler (7).
Schiedsrichter: Gebele/Widmann (Kenzingen/Freiburg).
Zuschauer: 800.
Zeitstrafen: 16:16 – zwei Mal zwei Minuten für Weckerle, Pabst, Roos (Neuhausen), Schwarz (Deizisau), zwei Minuten für Schmidt, Co-Trainer Locher (Neuhausen), Kosak, Unseld, Lohmann, Kenner, Kleefeld, Crone (Deizisau).
Beste Spieler: Durst, Grundler / alle.