Ferenc Rott hatte in den vergangenen Jahren viel Grund zur Freude mit den TuS-Frauen. Foto: Eibner Quelle: Unbekannt

Metzingen - In seiner aktiven Zeit stand Ferenc Rott im Fußball-Tor. Doch spätestens seit seine Frau Edina im Jahr 2009 Spielertrainerin der TuS Metzingen wurde, gehört sein Engagement ganz dem Handball. Unter ihm als Geschäftsführer stiegen die „TusSies“ in die Bundesliga auf und entwickelten sich dort zum Spitzenteam. Beim Derby gegen den TV Nellingen am Freitag (20 Uhr) wollen die alten Rivalen einen neuen Zuschauerrekord im deutschen Frauenhandball aufstellen und 6000 Menschen in die Stuttgarter Porsche-Arena locken. Zuvor treten die Nellingerinnen morgen noch in Göppingen und die Metzingerinnen in Oldenburg an. Was ihn antreibt, erklärt der 46-jährige Ungar, der auch für die SPD im Metzinger Gemeinderat sitzt, im Interview.

Wenn man den Vorverkauf betrachtet, sieht es nicht schlecht aus, was den Zuschauerrekord betrifft. Aber sportlich erscheint das Duell Metzingen gegen Nellingen nicht allzu reizvoll, die Favoritenrolle ist zu klar verteilt. Haben Sie sich für den Rekordversuch den richtigen Gegner ausgesucht?

Rott: Noch bevor die vergangene Zweitligasaison beendet war, stand fest, dass wir am 30. Dezember gegen einen Aufsteiger spielen würden - es konnte also nur Neckarsulm oder Nellingen sein und damit ein Derby. Da habe ich mit den Verantwortlichen der Porsche-Arena gleich alles festgemacht. Ich habe aber nicht gehofft, dass Nellingen jetzt mit null Punkten dasteht. Das hat mir in den vergangenen Wochen schon etwas Bauchschmerzen bereitet. Aber es ist das ewige Derby aus der 2. Bundesliga und der Zeitpunkt ist ideal. Nellingen hilft bei der Vermarktung mit und ich glaube, für alle Beteiligten wird es ein einmaliges Erlebnis. Es war richtig mutig, in die Porsche-Arena zu gehen - aber es scheint, dass es kein Fehler war.

Sie haben in den vergangenen Wochen also mehr mit den Nellingerinnen mitgefiebert, als es bei einem Lokalkonkurrenten üblich ist?

Rott (lacht): Ich muss ehrlich zugeben, dass ich alle Spiele im Liveticker verfolgt und gehofft habe, dass sie den ersten Sieg holen.

Nellingens Geschäftsführer Bernd Aichele hat den Rekordversuch als „einzig und alleine eine Metzinger Angelegenheit“ bezeichnet.

Rott: Klar, es ist unser Heimspiel. Aber ich bin auf Bernd zugegangen und habe gefragt, wo er uns helfen kann. Ich bin den Nellingern auch entgegengekommen, auch sie werden davon ein bisschen profitieren. Auch für die Nellinger Spielerinnen und Verantwortlichen ist es ein Erlebnis, in der Porsche-Arena spielen zu dürfen. Wenn wir den Rekord wirklich knacken, haben wir gemeinsam Geschichte geschrieben. Aber natürlich tragen wir die Verantwortung.

Warum tun sich die Nellingerinnen Ihrer Meinung nach so schwer?

Rott: Sicherlich hatten sie großes Verletzungspech. Ich kenne die internen Möglichkeiten in Nellingen nicht, aber in meinen Augen haben sie wenig qualitative Verstärkungen für die Bundesliga geholt. Zwischen den beiden Ligen besteht schon ein riesiger Unterschied.

Vor einigen Jahren haben TuS und TVN noch in der 2. Bundesliga auf Augenhöhe gespielt, Nellingen war der Bundesliga zwischenzeitlich sogar näher. Was ist dann in Metzingen passiert?

Rott: Der wichtigste Schritt war unser Aufstieg im Jahr 2012 und anschließend der Klassenverbleib. Dann haben wir gemerkt, dass wir Schritt für Schritt etwas aufbauen können. Wir hatten bei Neuverpflichtungen einige Glücksgriffe, vor dem Aufstieg schon Annamaria Ilyes und Julia Orban-Smideliusz, danach Sabine Stockhorst und Shenia Minevskaja. Der dritte Platz vor zwei Jahren und der zweite in der vergangenen Saison und das Erreichen des Finales im EHF-Pokal gemeinsam mit dem gesteigerten Interesse der Zuschauer und der lokalen Sponsoren haben uns geholfen, die jetzige Position zu erreichen. Aber es war harte Arbeit. Ich mache das hauptamtlich von morgens bis abends - und wenn es sein muss in der Nacht. Wir haben viel investiert, jetzt bekommen wir etwas zurück.

Viele sagen: Ohne Ferenc Rott stünde der Metzinger Frauenhandball nicht da, wo er steht.

Rott: Ich weiß es nicht. Ich mache es seit siebeneinhalb Jahren aus Überzeugung und aus Spaß. Es hat schon auch mit meiner Person zu tun, ich bin der Verantwortliche. Ich bin schon immer ein Frauenhandball-Fan gewesen. Meine Frau Edina begleite ich seit ihrem 15. Lebensjahr, und nachdem sie in Deutschland gespielt hat, hat es mich immer gestört, dass der Frauenhandball hier nicht den Stellenwert hatte wie bei uns in Ungarn. Das wollte ich ändern. Aber so wie wir in Metzingen gewachsen sind, kann ich es nicht mehr alleine bewältigen. Wir haben eine Geschäftsstelle mit zwei Mitarbeitern aufgemacht.

Sie haben beim Etat die Millionen-Euro-Grenze überschritten. Vor einigen Jahren hatte der Verein noch finanzielle Probleme. Wie stemmen Sie das?

Rott: Mit viel, viel Arbeit - und sportlicher Überzeugung. Ich kümmere mich intensiv und persönlich um die Sponsoren. Unsere Marke hilft auch - bei deren Entwicklung uns Nellingen sehr geholfen hat (lacht laut). Ich bin dem damaligen Geschäftsführer Stefan Wiech immer noch dankbar, dass er im Dezember 2009 diesen Flyer „TusSies haben keine Chance“ gedruckt hat. Das hat mich so geärgert und motiviert, dass ich nach Tübingen gefahren bin und pinke T-Shirts gekauft habe, die wir nach dem Sieg in Nellingen übergestreift haben. Damals hat das mit den TusSies und den Pink Ladies angefangen, die man jetzt in ganz Europa kennt.

Sie haben Stefan Wiech erwähnt. Nellingen hat es mit ihm als hauptamtlichem Geschäftsführer versucht. Die Stelle wurde wieder gestrichen.

Rott: Es geht nur hauptberuflich. Ich weiß nicht, wie man das schaffen kann, wenn man das nebenberuflich macht. Ich glaube, es ist langfristig in der Bundesliga nicht anders möglich. Es sei denn, ich habe ein Team mit fünf, sechs richtig guten Leuten, die das in Teilzeit machen.

Sie sagten, in Metzingen ging es erst mit dem geschafften Klassenverbleib in der Bundesliga richtig los. Da sieht es in Nellingen im Moment nicht so gut aus.

Rott: Ich hatte damals schon Bedenken, dass durch einen Abstieg das ganze gewachsene Interesse bei Zuschauern und Sponsoren wieder abnimmt. Die Aufbruchstimmung nach dem Aufstieg wollten wir erhalten. Aber sollte ein Verein wie Nellingen absteigen und vernünftig weiterarbeiten, ist der Wiederaufstieg aus der 2. Bundesliga nicht unmöglich. Aber dann müssen sie sich dort Gedanken machen - auch wenn jetzt der Klassenverbleib gelingt - wie sie sich weiterentwickeln können. Das geht meiner Erfahrung nach nur mit Spielerinnen-Qualität. Mit einem breit besetzten Kader mit mittelmäßiger Qualität ist es ganz, ganz schwierig, sich in der Bundesliga zu etablieren.

Das Metzinger Team wäre in der vergangenen Saison beinahe Meister geworden und stand im Finale des EHF-Cups. Wohin soll es noch gehen?

Rott: Klar, die Luft da oben wird immer dünner. Jetzt wollen wir uns nicht nur sportlich weiterentwickeln, sondern auch strukturell und uns vorne etablieren. Wir wollen nicht, dass der zweite Platz als Zufallsprodukt wahrgenommen wird. International haben wir uns erst einmal keine Ziele gesetzt. Wir haben das in der vergangenen Saison genossen - ich speziell natürlich das Finale in Veszprém, wo ich früher Fußball gespielt habe und wohin wir mit 400 in Pink gekleideten Fans gefahren sind. Darauf sind wir stolz. Die Ziele formuliere ich nicht in Titeln. Wenn wir uns etablieren, kommen die Titel irgendwann.

Der Frauenhandball in der Region hat in den vergangenen Jahren insgesamt an Fahrt aufgenommen, man muss nur nach Bietigheim und Göppingen schauen, aber eben auch nach Nellingen oder Nürtingen. Ist das vor allem Konkurrenz oder können die Vereine voneinander profitieren?

Rott: Es ist beides. Eine riesige Konkurrenz sind wir vor allem, was das Kämpfen um den Nachwuchs betrifft. Ich freue mich, wenn es ein Verein aus Baden-Württemberg nach oben schafft. Derbys sind toll. Dass Neckarsulm und Nellingen aufgestiegen sind, ist für uns gut. Es hat auch mit der Wirtschaftskraft im Süden zu tun. Ich freue mich auch mit dem momentanen Tabellenführer SG BBM Bietigheim. Das ist zwar Mäzenatentum dort, aber ich freue mich, dass ein Millionär endlich mal das Geld nicht in den Fußball, sondern in den Frauenhandball steckt.

Das Interview führte Sigor Paesler.