Michael Kraus geht die neue Aufgabe gut gelaunt an. Foto: Rudel Quelle: Unbekannt

Von Sigor Paesler

Esslingen - Es war nur ein kleiner Rückschlag. Eine reine Vorsichtsmaßnahme. Michael „Mimi“ Kraus musste beim Marktplatzturnier ausgerechnet im Spiel seines neuen Clubs TVB Stuttgart gegen seinen bisherigen Verein Frisch Auf Göppingen zuschauen, weil er sich zuvor eine leichte Knieverletzung zugezogen hatte. „Dabei habe ich mich nur auf dieses Spiel gefreut“, sagt er, saß dann aber trotzdem gut gelaunt auf der Bank.

Denn ansonsten ist der 32-Jährige mit seiner Situation nach dem unfreiwilligen Abschied von Frisch Auf mittlerweile ganz zufrieden. Nachdem die Göppinger, für die er mit Unterbrechungen acht Jahre gespielt hatte, seinen Vertrag nicht verlängert haben, kam der Wechsel zum TVB schnell zustande. Kraus, der mit seiner kleinen Familie in Wernau lebt, ist heimatverbunden. Er betont aber, dass die Nähe zu Stuttgart nicht der Hauptgrund war: „Ich war zwei Mal weg, ich hätte damit kein Problem gehabt, ein drittes Mal zu gehen. Zumal meine Frau aus Hamburg kommt und hier nicht so verwurzelt ist.“ Vom mittlerweile insolventen HSV kam Kraus vor drei Jahren nach Göppingen zurück.

Es ist „das Projekt Bittenfeld“, das Kraus reizt und die Rolle, die er dabei spielen soll. Bittenfeld wird der Verein, der vor einem Jahr ins Oberhaus aufstieg, in der Szene immer noch genannt, obwohl aus dem TV Bittenfeld mittlerweile der TVB Stuttgart wurde. Kraus’ Zusage war bei den Neu-Stuttgartern so etwas wie eine Initialzündung: Torhüter Johannes Bitter blieb, aus Göppingen kam auch Rückraumspieler Felix Lobedank und in Markus Baur ein prominenter Trainer. Was das Umfeld betrifft, war Kraus jedenfalls positiv überrascht. „Provinzverein würde ich da jetzt mal gar nicht sagen“, betont er. „Ich bin begeistert, was der Jürgen da auf die Beine stellt. Ich könnte nicht sagen, ob in Göppingen oder Bittenfeld professioneller gearbeitet wird.“

„Der Jürgen“, das ist Stuttgarts Geschäftsführer Jürgen Schweikardt, der die Mannschaft zurzeit auch als Trainer betreut, da Baur noch bei der Junioren-Nationalmannschaft weilt. Für Kraus ist das kein Problem: „Jürgen weiß ja auch, wie es geht.“ Zusätzlich soll Frauen-Nationaltrainer Michael Biegler in der kommenden Woche zwei Einheiten übernehmen.

Mit Baur hat Kraus schon beim TBV Lemgo zusammengearbeitet. „Das war seine erste Station, seither hat er sich als Trainer enorm weiterentwickelt“, sagt der Spielmacher. Und fügt hinzu: „Er hat heute mehr Distanz, das muss er auch. Aber er hat in Jogi Bitter und mir ja auch Jungs, die ihm das entsprechende Feedback aus der Mannschaft geben.“

Der nächste Schritt für den TVB

Kraus freut sich auf die Saison mit dem TVB, fordert aber Realismus ein. Immerhin ist die Mannschaft nur wegen der Insolvenz des HSV in der Bundesliga geblieben.„Wir müssen uns schon vor Augen führen, dass es unter normalen Umständen nicht gereicht hätte“, sagt er. „Es steht noch brutale Arbeit vor uns. Wir müssen schauen, dass die Abwehr steht. Im Angriff schenken sich die Bundesligisten doch nichts.“

Die Stuttgarter wollen den nächsten Schritt machen. Auch dafür wurde Kraus geholt. „Wir haben in der vergangenen Saison viele gute Spiele gemacht, haben das Niveau aber nicht bis zum Schluss gehalten und dadurch zu oft verloren“, erklärt Schweikardt. „Um diese paar Prozent aufzuholen, die uns in dieser Phase gefehlt haben, haben wir Mimi Kraus geholt, aber auch andere.“ Ob es mit dem nächsten Schritt geklappt hat, kann man nach Kraus’ Meinung erst nach den ersten Saisonspielen sagen.

Kraus ist angekommen beim TVB. Er hat den tränenreichen Abschied aus Göppingen verarbeitet. „Wir haben den EHF-Pokal gewonnen - besser kann man sich nicht verabschieden“, sagt er und geht kurz in sich. „Es ist jetzt schon gut, wie es gelaufen ist. Es fühlt sich richtig an“, sagt er und weist grinsend auf seine Verwandtschaft in Bittenfeld hin: „Ich komme von einer Familie in die andere.“

Nachdem es auf dem Esslinger Marktplatz nicht geklappt hat, fiebert Michael Kraus jetzt dem 7. Dezember entgegen. Da empfängt der TVB Stuttgart in der Porsche-Arena Frisch Auf Göppingen zum Bundesligaduell.