Die Unfallserie des Vorjahres setzt sich fort: Gestern Vormittag wurde an der Haltestelle Bopser eine 84-jährige Fußgängerin von der Stadtbahn erfasst und schwer verletzt. Foto: SDMG/Willinger Quelle: Unbekannt

Von Janey Olbort

Stuttgart - Die Unfallbilanz der Verkehrspolizei zeigt, dass es im Stadtgebiet immer mehr Unfälle mit Stadtbahnen gibt. Im vergangenen Jahr krachte es 108 Mal. Rund 70 Prozent der Unfälle wurden von Autofahrern verursacht, 20 Prozent haben Fußgänger zu verantworten.

Am Montagvormittag wurde eine Fußgängerin von einer Stadtbahn erfasst, als sie die Gleise an der Haltestelle Bopser überqueren wollte. Die 84-Jährige hatte dabei wohl die anfahrende Stadtbahn nicht wahrgenommen. Schwer verletzt kam sie in ein Krankenhaus. Der Unfall ist einer von vielen in den vergangenen Wochen. Meldungen wie „Beim Wenden Stadtbahn übersehen“ oder „Stadtbahn rammt zwei Autos“ sind immer häufiger zu lesen. Im vergangenen Jahr ereigneten sich durchschnittlich zwei Unfälle pro Woche mit einer Stadtbahn. Aufs Jahr gerechnet waren das 108 Zusammenstöße mit Autos oder Fußgängern. Das ist im Vergleich mit 2015 (97 Unfälle) eine Steigerung um knapp elf Prozent.

Ein Blick in die Polizeistatistik zeigt, dass die Anzahl der Unfälle mit Stadtbahnen steigt - allerdings nicht kontinuierlich. Im Laufe der vergangenen 15 Jahre gab es sowohl Ausschläge nach oben als auch nach unten. Die Zahl schwankt zwischen 80 und 100 Stadtbahnunfällen jährlich. 92 waren es beispielsweise im Jahr 2002, zwei Jahre später 86. „Mal gibt es mehr und mal weniger Unfälle mit Stadtbahnen“, sagt Tobias Tomaszewski, Sprecher der Polizei. Spezielle Gründe für die Schwankungen könne man aber nicht ausmachen.

Auffällig ist jedoch die Entwicklung der letzten Jahre: 2014 ereigneten sich 92 Stadtbahnunfälle, im Jahr zuvor 79. „Dieser Anstieg hängt vermutlich auch mit der Erweiterung des Streckennetzes und der Erhöhung des Taktes zusammen“, sagt Claudia Rohde, die Chefin der Verkehrspolizei. Im 231 Kilometer langen Schienennetz der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) AG legen aktuell 187 Züge mehr als 18 Millionen Wagenkilometer zurück.

Verursacht wurden rund 70 Prozent der Unfälle im vergangenen Jahr von Autofahrern (2015: 82,5 Prozent). In knapp 20 Prozent der Fälle waren Fußgänger (2015: zehn Prozent) dafür verantwortlich. Stadtbahnfahrer hatten in zehn Prozent der Fälle schuld. Die häufigste Unfallursache: Autofahrer haben die Vorfahrt der Bahn missachtet oder Fehler beim Abbiegen gemacht. Nicht selten wurde verbotenerweise gewendet.

„Es gibt keine gefährlichen Straßen“, betont SSB-Sprecher Hans-Joachim Knupfer. Zumindest dann nicht, wenn man die Regeln beachte - beispielsweise an einer roten Ampel anhalte. Bei Zusammenstößen mit den tonnenschweren Stadtbahnen wurden im vergangenen Jahr vier Autofahrer schwer verletzt und zwölf leicht. Fußgänger verursachten Unfälle vor allem deshalb, weil sie die Gleise überqueren wollten, ohne auf den Schienenverkehr zu achten. Dieses Verhalten hat oft schwerwiegende Folgen: Zwei Fußgänger wurden im vergangenen Jahr getötet; fünf schwer und sechs leicht verletzt.

Wenn es im Streckennetz kracht, führt dies oft zu erheblichen Verkehrsbehinderungen. Kann ein Zug aufgrund des Unfalls nicht mehr weiterfahren, wird für die Fahrgäste ein Ersatzverkehr eingerichtet, zum Beispiel mit Taxis. Ein Teil der Kosten wird von der SSB übernommen. Wie hoch die Ausgaben dafür im vergangenen Jahr waren, kann noch nicht beziffert werden. Es handle sich aber um „überschaubare Beträge“, sagt Knupfer.

133 Stadtbahnunfälle in Karlsruhe

Mit 108 Stadtbahnunfällen pro Jahr liegt Stuttgart im landes- und bundesweiten Vergleich keineswegs an der Spitze, wie ein Blick in die Statistiken anderer Städte deutlich macht: In Düsseldorf ereigneten sich im Vorjahr 124 Unfälle mit Stadtbahnen. In Frankfurt gab es 309, in Köln 167 solcher Unfälle. In Karlsruhe bilanzierte die Polizei im vergangenen Jahr 133 Stadtbahnunfälle - fast 20 Prozent mehr als 2015. Und dabei hat Karlsruhe nur halb so viele Einwohner wie die Landeshauptstadt. Wie Joachim Zwirner, Leiter der Verkehrspolizei Karlsruhe, sagt, werden Stadtbahnen hier besonders häufig übersehen, da sie in die Straße eingebettet sind und, anders als in Stuttgart, nicht in einem geschotterten Gleisbett fahren.