Die FDP-Stadträtin Sibel Yüksel brachte 2014 den Stein ins Rollen. Damals hat sie die Finanzen der Liberalen unter die Lupe genommen und Ungereimtheiten entdeckt. Foto: Steegmüller Quelle: Unbekannt

Von Sebastian Steegmüller

Stuttgart - Der Sprecher der AfD-Fraktion im Stuttgarter Gemeinderat, Bernd Klingler, muss sich derzeit wegen Untreue vor dem Amtsgericht Bad Cannstatt verantworten. In ihrem Plädoyer kam die Staatsanwaltschaft gestern zur Überzeugung, dass der 48-Jährige in seiner Zeit als FDP-Fraktionschef in zwei Fällen Gelder aus der Fraktionskasse für private Zwecke entnommen hat.

Am Vormittag des zweiten Prozesstages war die Laune von Bernd Klingler noch bestens: Zahlreiche FDP-Mitglieder, die als Zeugen geladen waren, lobten das Engagement des ehemaligen Liberalen. Sie machten klar, dass ohne ihn eigentlich nichts gegangen wäre und die Partei nur aufgrund seiner unermüdlichen Arbeit im Jahr 2014 den Fraktionsstatus im Gemeinderat wieder erreicht hatte. „Er war der Macher, auf den man sich verlassen hat“, so die Meinung unisono.

Am Nachmittag verdunkelte sich die Miene von Klingler jedoch. Denn die Lobeshymnen beeindruckten die Staatsanwaltschaft offenbar nicht. In ihrem Schlusswort sah sie es als erwiesen an, dass Klingler zwei Mal hohe Beträge vom FDP-Fraktionskonto abgehoben hat, um eigenen Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können. Unter anderem soll er am 30. Dezember 2013 eine Überweisung in Höhe von 23 500 Euro an eine ihm bekannte Werbeagentur veranlasst haben. Angeblich für den Druck von 80 000 FDP-Flyern, die der Angeklagte gemeinsam mit der Inhaberin, mehreren Verwandten und sogar seiner Mutter, die gestern ebenfalls als Zeugen gehört wurde, im Stadtgebiet und an Infoständen verteilt haben will. Mit der Fraktion habe er diesen „ominösen Auftrag“ nie abgestimmt, sagte FDP-Stadträtin Sibel Yüksel, die 2014 bei der Überprüfung der Finanzen über die Zahlung stolperte. „Davon hat niemand etwas gewusst.“ Die Staatsanwaltschaft geht sogar noch einen Schritt weiter: „Die Prospekte hat es nie gegeben“, so die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Die Geschäftsführerin der Werbeagentur, die mittlerweile in Italien lebt, sei nur eine „Strohfrau“ gewesen.

Gestützt wurden die Behauptungen von der Aussage des Kriminalhauptkommissars Achim Kubsch, zuständig für Vermögens- und Wirtschaftsdelikte. Die auf der Rechnung angegebene Telefonnummer sei nicht vergeben und das Fax einem Büro-Service in Vaihingen zugeordnet gewesen. „Die Unternehmerin ist dort aber nicht bekannt“, so Kubsch. Darüber hinaus könne man beim Blick auf die Kontenbewegungen der Werbeagentur nicht von einem geschäftsfähigen Betrieb sprechen. Insgesamt seien in eineinhalb Jahren lediglich sechs Eingänge registriert worden, fünf davon von der FDP. Die 23 500 Euro, die die Werbeagentur erhalten hat, wurden anschließend an Klingler überwiesen. 11 750 habe er als sogenannte Kick-Back-Provision erhalten, die andere Hälfte habe er der Inhaberin für ihren Umzug nach Italien bereits im November in bar vorgestreckt. Während der Angeklagte das Verhalten als „nicht üblich“ bezeichnete, war es für Richterin Karin Langner sogar unlogisch. „Wenn sie Bargeld gebraucht hätte, hätte sie es einfach abheben können.“

Bei seinen Ermittlungen hatte Kubsch auch die Konten des Angeklagten beleuchtet und dort ebenfalls Ungereimtheiten entdeckt. In zwei Jahren habe es 200 Lastschrift-Rückläufe gegeben. „Die finanzielle Situation des Angeklagten ist offenbar nicht so rosig, wie er sie selbst dargestellt hat“, so die Staatsanwältin. Für Klingler nur eine Momentaufnahme. „Ich gebe zu, das sieht nicht gut aus. Aber ich war damals als Ein-Mann-Betrieb extrem überfordert und hatte keine Zeit, Rechnungen zu schreiben.“ Er habe den Überblick verloren, aber wenig später wieder alles in Ordnung gebracht. „Finanziell geht es mir nicht so schlecht, wie es die Staatsanwaltschaft darstellt.“ Er besitze ein Wertpapierdepot, eine Lebensversicherung und fünf Immobilen, drei davon seien abbezahlt. Sein Verteidiger Andreas Heinrich fügte hinzu, dass es sich nur um viele Kleinbeträge gehandelt habe und unterstellte der Polizei einen „Belastungseifer“.

Im August 2015 hatte das Amtsgericht Bad Cannstatt wegen Untreue zum Nachteil der FDP-Fraktion einen Strafbefehl über ein Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung sowie eine Geldauflage in Höhe von 5000 Euro erlassen. Nun könnte der Einspruch für den Angeklagten sogar noch ein höheres Strafmaß bedeuten. Die Staatsanwaltschaft fordert ein Jahr und zwei Monate. Das Urteil wird am 14. Juni gesprochen.