Muhterem Aras Foto: Hauptmann Quelle: Unbekannt

Von Julia Giertz

Stuttgart - Im Landtagswahlkampf hat die Stuttgarter Grünen-Politikerin Muhterem Aras tatkräftige Unterstützung von ihrer Mutter erhalten: Die hat das Telefonbuch zur Hand genommen und alle Bekannte und Verwandte angerufen, um sie an den Termin der Landtagswahl zu erinnern, und daran, dass ihre Tochter für die Grünen antritt. Sicherlich hat auch sie dazu beigetragen, dass ihre Tochter zur landesweiten Stimmenkönigin wurde.

Die 50-jährige Steuerberaterin und finanzpolitische Sprecherin ihrer Partei erzielte mit 42,4 Prozent das beste Resultat im ganzen Land. Der Sozialwissenschaftler Dieter Rucht findet das ein positives Signal für die Integration, auch in der Abgrenzung zur rechtskonservativen Alternative für Deutschland (AfD): „Das zeigt, wir haben mit Menschen unterschiedlicher Herkunft in einer herausgehobenen Funktion keine Probleme.“

Aras orientiert sich an Schildkröten, schätzt ihre Klugheit und Verlässlichkeit. Doch sie hat in ihrer politischen Laufbahn ein Tempo vorgelegt, das wenig mit der Langsamkeit der Reptilien zu tun hat. 1992 in die Grünen eingetreten, kam die zierliche Steuerberaterin mit dem dunklen Pagenschnitt über die Stationen Gemeinderat und Chefin ihrer Fraktion am vorläufigen Höhepunkt ihrer Karriere an: Im urbanen Wahlkreis Stuttgart I holte sie bereits 2011 das Direktmandat und bekam 42,5 Prozent der Stimmen. Damit war sie die bestplatzierte Grüne im Land. In diesem Jahr stellte sie dann wieder den Bestwert auf.

Eine politische Karriere war ihr nicht in die Wiege gelegt. Als eines von fünf Kindern kam sie mit ihrer Familie 1978 aus der Türkei nach Deutschland. Sie wuchs in einem anatolischen Dorf auf, „nicht behütet wie deutsche Kinder“, erzählt die Alevitin. „Ich habe keinen Kindergarten besucht, hatte keine Schere in der Hand, kannte weder Knete noch Buntpapier“, erzählt sie. „Wir waren uns selbst und der Natur überlassen. Aber wir hatten eine unbeschwerte Kindheit.“ Damals entstand auch ihr Faible für Schildkröten, denn die anatolischen Kinder lieferten sich auf den großen Tieren Wettrennen.

Aras‘ Mutter und ihr Vater, ein Arbeiter, wollten, dass es ihre Kinder einmal besser haben. „Bildung ist das Wichtigste“, hieß es bei Aras zu Hause. So schaffte sie den Weg von der Hauptschule bis zum Abitur. Anschließend studierte sie Wirtschaftswissenschaften. 1999 gründete die zweifache Mutter ihr eigenes Steuerberatungsbüro mit derzeit zwölf Mitarbeitern in der Stuttgarter Innenstadt.

Was ist das Geheimnis ihres Erfolges? „Entscheidend ist, was zwischen den Wahlkämpfen passiert“, ist Aras überzeugt. Sie sei außerordentlich viel in ihrem innerstädtischen Wahlkreis unterwegs, nicht nur vor Wahlen: Politik müsse man stets mit Leidenschaft machen, sagt sie. Außerdem honorierten die Bürger, wenn man eine ihnen auch unliebsame Position gut begründe und erläutere. „Umfaller schätzen die Leute nicht.“