Bis zum Sommer muss die Verwaltung entscheiden, welche Spielhallen in Stuttgart geöffnet bleiben dürfen. Archiv Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Andrea Eisenmann

Stuttgart - Stehen in der Landeshauptstadt bald zahlreiche Spielhallen leer? Am 1. Juli dieses Jahres greifen im Land die Regeln des neuen Glücksspielgesetzes, die den Bestandsschutz beenden und zwischen zwei Standorten einen Mindestabstand von 500 Metern vorschreiben. Viele Betreiber hoffen, mit einem Härtefallantrag das drohende Aus abwenden zu können.

Wie Pilze schossen in den vergangenen Jahren kleinere und größere Spielhallen in Stuttgart aus dem Boden. Waren es in der Landeshauptstadt im Jahr 1999 noch 13 Einrichtungen, liegt die Zahl mittlerweile bei 121. Das Land hat diesen vor längerer Zeit den Kampf angesagt und will mit strengeren Vorgaben dem Boom Einhalt gebieten - so wie in fast allen anderen Bundesländern auch. Die Umsetzung des Vorhabens allerdings bringt derzeit so manche Kommune ins Schwitzen. Denn das Gesetz sieht vor, dass im Umkreis von 500 Metern Luftlinie keine weitere Spielhalle liegen darf. Und auch keine Einrichtung, die von Kindern und Jugendlichen aufgesucht wird - sprich: keine Musikschule, keine Schule, keine Sporthalle.

Würde diese Vorgabe eins zu eins umgesetzt, müssten allein in einem Teil der Stuttgarter Innenstadt mit einer besonders hohen Spielhallen-Dichte 25 von 26 Einrichtungen ihre Lichter ausmachen, 55 gibt es insgesamt in der City. Auch in den Randbezirken droht vielen Betreibern das Aus. Der Strohhalm, an den sich diese deshalb klammern, ist ein Passus im Gesetz, der Kommunen zugesteht, zur Vermeidung „unbilliger Härten“ befristete Ausnahmebewilligungen auszusprechen - unter „Abwägung der widerstreitenden Interessen“. Und so verwundert es wenig, dass fast alle der 121 Spielhallen einen entsprechenden Antrag bei der Verwaltung eingereicht haben.

Ein solcher „Härtefall“ könnte beispielsweise dann vorliegen, wenn ein langfristiger Pachtvertrag abgeschlossen wurde, dessen Auflösung unmöglich ist. Oder wenn ein Betreiber hohe Investitionen getätigt hat, die noch nicht komplett abgeschrieben sind. Derzeit arbeiten sich im Rathaus zwei Mitarbeiter durch Berge von Unterlagen, um die Angaben der Betreiber zu kontrollieren. „Auch wie ein Betrieb geführt wird, wie die Räumlichkeiten aussehen oder wie es um den Umgang mit Spielsüchtigen bestellt ist, gilt es zu überprüfen“, sagt Albrecht Stadler vom Ordnungsamt. In letzterem Fall werde beispielsweise positiv vermerkt, wenn eine Einrichtung über einen Gesichtsscanner verfügt, der gesperrte Spieler schnell identifiziert.

Begonnen wurde mit den Anträgen aus den Außenbezirken, die aus der Innenstadt sollen folgen. Noch hat kein positiver beziehungsweise negativer Bescheid das Rathaus verlassen. Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Dennoch hofft man dort, bis zum 1. Juli alle Anträge abgearbeitet zu haben. Aber auch dann ist das Thema noch nicht vom Tisch: Betreiber, die einen Schließungsbescheid erhalten haben, können gegen diesen Widerspruch beim Regierungspräsidium Stuttgart einlegen - was einer aufschiebenden Wirkung gleichkommt. Und auch langwierige Prozesse befürchten lässt: Sollte die Behörde die Einschätzung der Stadt Stuttgart teilen, kann von den Betreibern noch der Rechtsweg eingeschlagen werden. Das kann vom Verwaltungsgericht bis vor den Verwaltungsgerichtshof gehen und dürfte den Betreibern einer Spielhalle einen Zeitgewinn von einem Jahr, wenn nicht noch länger, bescheren.

Auch auf anderem Weg hofft die Automaten-Branche, den von ihnen kritisierten „Kahlschlag“ noch zu verhindern: Sie setzen auf mehrere in Karlsruhe anhängige Verfassungsbeschwerden. In ihrer Argumentation berufen sich die juristischen Vertreter unter anderem darauf, dass eine Gewerbetätigkeit „grundrechtlich geschützt“ sei und die Untersagung „einem vorläufigen Berufsverbot“ nahe komme.