In der Stuttgarter Innenstadt und in Bad Cannstatt gehen Beamte seit Montag mit einer Körperkamera auf Streife. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Andrea Eisenmann

Stuttgart - Pöbeleien, Beleidigungen und gewalttätige Angriffe - für die Polizei gehört das mittlerweile zum Alltag. Mit steigender Tendenz, wie ein Blick in die aktuelle Kriminalstatistik zeigt. Ein Versuch, dies zu ändern, sind Körperkameras, sogenannte Bodycams, mit denen seit Montag zwei Polizeireviere in Stuttgart ausgestattet sind. Sechs Wochen lang soll die Testphase dauern. Auch Präsidien in Mannheim und Freiburg sind beteiligt.

Kann die kleine tragbare Videokamera, die an diesem Freitag den Pressevertretern präsentiert wird, Beamten tatsächlich mehr Respekt verschaffen und in brenzligen Situationen deeskalierend wirken? Ja - das hat zumindest die Anwendung in anderen Bundesländern gezeigt. Und: Ja, sagt an diesem Vormittag auch ein Beamter des Innenstadtreviers in der Theodor-Heuss-Straße, der die Kamera bei einer Verkehrskontrolle mit einem aggressiven Verkehrsteilnehmer erstmals eingesetzt hat. Dieser habe sich wieder beruhigt, gibt der Polizist seine Erfahrung wieder.

Seit Montag läuft im Land der auf sechs Wochen angesetzte Pilotversuch mit den Körperkameras. 30 Geräte sind im Einsatz, beteiligt sind die Polizeipräsidien in Freiburg, Mannheim und Stuttgart. Es sind Städte, in denen die Gewalt gegen Polizisten überdurchschnittlich hoch ausfällt. In der Landeshauptstadt wurden das Innenstadtrevier und das Revier Martin-Luther-Straße in Bad Cannstatt ausgewählt. Letzteres aufgrund des anstehenden Frühlingsfestes, wo mit steigendem Alkoholpegel erfahrungsgemäß auch die Aggressivität der Festbesucher zunimmt. „Jeder Angriff auf die Polizei ist ein Angriff auf uns alle, auf unsere ganze Gesellschaft“, zeigte sich Innenminister Thomas Strobl gestern überzeugt und verwies auf die deutliche Zunahme der Tätlichkeiten gegenüber Polizeibeamten, die 2016 im Land um zwölf Prozent gestiegen ist. „4000 Polizisten wurden verletzt, mehr als 2000 davon schwer.“ Auch in Stuttgart bewegen sich die Zahlen seit Jahren auf einem hohen Niveau. 2500 Strafanträge wurden 2016 von Beamten gestellt - im Land ist Stuttgart damit „trauriger Spitzenreiter“, sagte Polizeisprecher Stefan Keilbach. Zwei Beamte wurden Opfer eines versuchten Tötungsdeliktes, mehr als 250 getreten und geschlagen, 14 Polizisten von Tätern gebissen. „Respektlosigkeit und Angriffe gegenüber Polizeibeamten sind nicht hinnehmbar“, betonte Stuttgarts Polizeipräsident Franz Lutz.

Ein erster Bericht über den Bodycam-Versuch, der von Angehörigen der Polizei-Hochschule begleitet wird, soll im Juni vorliegen. Dabei wird auch die Praxistauglichkeit verschiedener Modelle beleuchtet. Während die Körperkamera, die von Mannheimer Beamten getestet wird, einen kleinen Bildschirm aufweist, ist dies bei dem in Stuttgart verwendeten Gerät nicht der Fall. Beide Modelle verfügen jedoch über die Funktion des sogenannten Pre-Recording. Dabei nehmen die Geräte in einer Art Dauerschleife 30 Sekunden auf - rechtlich sind 60 Sekunden erlaubt -, die immer wieder gelöscht werden. Will der Beamte eine brenzlige Situation dauerhaft aufzeichnen, muss er erneut den Knopf betätigen. Dies geschehe aber nur in Ausnahmefällen, sagte Marco Troll von der zuständigen Projektgruppe. „Uns geht es in erster Linie um die abschreckende Wirkung.“

Zu den Vorgaben an die Beamten gehört, dass sie die Bodycams nur im öffentlich zugänglichen Raum einsetzen. Aufzeichnungen in Wohnungen sind tabu. Wenn auf einer Aufnahme keine Straftat zu sehen ist, muss sie spätestens nach vier Wochen gelöscht werden.

Sollten sich die Körperkameras in den kommenden Wochen bewähren, erfolgt europaweit eine Ausschreibung für die Beschaffung. Die Kosten pro Gerät liegen zwischen 800 und 900 Euro. 1,9 Millionen Euro wurden im Haushalt des Landes für die Anschaffung bereitgestellt. Am Ende solle in jeder Streifenwagenbesatzung ein Polizist mit einem Gerät ausgestattet werden, kündigte Strobl an.