Stuttgart (seb) - Regelmäßig kommt es auf der S-Bahn-Stammstrecke durch die Innenstadt zu Störungen und Zugausfällen. Mit einer moderneren Signaltechnik, dem „European Train Control System“ (ETCS), könnte die Bahn für mehr Zuverlässigkeit sorgen, ohne die Infrastruktur verändern zu müssen.

„Der Ausbau der Stammstrecke mit ETCS erhöht die theoretische Leistungsfähigkeit und steigert die Betriebsqualität“, so das Fazit der Vertreter der DB Netz AG und des Projekts Stuttgart-Ulm im Verkehrsausschuss. Im Vergleich zur Signalisierung, die mit Stuttgart 21 realisiert werden soll, würde mit ETCS die Leistungsfähigkeit zwischen den Haltestellen Schwabstraße und Mittnachtstraße um bis zu neun Prozent steigern. Die Zeit zwischen einem aus- und einem einfahrenden Zug könnte von 140 Sekunden auf 128 Sekunden sinken. Dadurch könnten längere Haltezeiten an den Stationen, die durch hohes Fahrgastaufkommen entstehen, teilweise wettgemacht werden. Mögliche Verspätungen würden sich mit ETCS zwischen Bad Cannstatt und Stuttgart-Vaihingen um durchschnittlich 28 Sekunden pro Zug reduzieren lassen, das entspricht etwa 50 Prozent. Bei der konventionellen Signalisierung sei man am „Ende der Fahnenstange“.

Florian Bitzer, der Leiter des Fachbereiches Planung und Umwelt bei DB Projektbau Stuttgart - Ulm, sieht bei ETCS „erhebliche Potenziale und Synergien.“ Zugleich betonte er, dass es immer nur als Zusatzausrüstung für die Standard-Signalisierung denkbar wäre. Sie müsse als solide Rückfallebene bestehen bleiben. Die Voraussetzungen für ETCS seien günstig, denn mit Stuttgart 21 werde ein neues elektronisches Stellwerk für die Stammstrecke gebaut. ETCS könne noch bei der Ausschreibung des bahntechnischen Ausbaus der Stammstrecke als Teil von Stuttgart 21 berücksichtigt werden. Allerdings machte Bitzer auch klar: „ETCS ist im Nahverkehr keine Technik von der Stange.“ Bisher werde ETCS in Deutschland nur im Fernverkehr eingesetzt sowie im Nahverkehr in einigen europäischen Metropolen. Im Verbund mit den öffentlichen Partnern plädierte er dafür, ein bundesweites ETCS-Pilotprojekt bei der S-Bahn Stuttgart aufs Gleis zu setzen. Die DB sei dazu grundsätzlich gesprächsbereit.

„Nutzen und Sinn von ETCS liegen auf der Hand“, sagte Rainer Ganske (CDU). An den „Gesamtkonzern Bahn“ richtete er die Forderung, eine Lösung zu finden, wie die S-Bahn Stuttgart ihre vertraglichen Verpflichtungen eines pünktlicheren S-Bahn-Verkehrs einhalten könne. Auch Eva Mannhardt von den Grünen war überzeugt, dass „wir ETCS brauchen. Das steht außer Frage.“ Die DB Netz AG stehe in der Pflicht, die seit 2010 durch „eigenes Verschulden hervorgerufenen Störung“ und deren Folgen zu beheben. Bernhard Maier (Freie Wähler) sieht in ETCS „eine Verbesserungsperspektive, aber keinen Befreiungsschlag“. Die erheblichen Infrastrukturaufwendungen der letzten Jahre müssten von der DB Netz AG für Verbesserungen eingesetzt werden. Burghard Korneffel von der Alternativ für Deutschland geht noch einen Schritt weiter. Er befürchtet, dass der Einbau von ETCS im laufenden Betrieb zu Problemen führen könne. Für ihn sei das vorgestellte System „kalter Kaffee“. Zugleich plädierte er für den Einsatz der neueren Versionen.