Quelle: Unbekannt

Von Elke Hauptmann

Stuttgart - Im Kampf gegen die hohe Feinstaubbelastung am Stuttgarter Neckartor setzt die Stadt Stuttgart auf Moos: Entlang der stark befahrenen Cannstatter Straße wird die Wirksamkeit einer bepflanzten Wand getestet. Wann sie aufgestellt werden kann, ist allerdings noch offen.

Unbestritten muss die Landeshauptstadt etwas gegen die Luftverschmutzung tun: Bis Mitte April wurde der zulässige Grenzwert am Stuttgarter Neckartor bereits 30 Mal überschritten. Dennoch ist erst einmal Schluss mit Feinstaubalarm: Die Stadt verkündete eine Sommerpause, bis zum Herbst müssen Autofahrer nicht mit weiteren Alarmen rechnen. Der Grund: In den warmen Monaten gibt es nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) kaum Wetterlagen, bei denen sich verschmutzte Luft im Stuttgarter Talkessel ansammelt. Im Gegenteil: Warme Luft steigt auf und transportiert den Staub ab.

Untätig ist man in Stuttgart dennoch nicht. Nach dem Scheitern des Kehrversuchs (wir berichteten) will die feinstaubgeplagte Stadt mit einem neuen Pilotprojekt das Problem lösen: Errichtet werden soll entlang der Cannstatter Straße/B 14 eine aus Moosen bestehende Wand, die etwa 400 Quadratmeter Fläche bieten soll. Mit der Konstruktion wurde das Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen der Universität Stuttgart beauftragt. Wie genau sie einmal aussehen werde, sei noch offen, räumt dessen Leiter Jan Knippers ein. „Es ist derzeit nur klar, dass eine größere Moosfläche auf etwa 100 Metern Länge entlang der Parkseite platziert werden soll.“ Ein Eingriff in die bestehende Lärmschutzwand aus halbrunden Betonelementen ist nicht vorgesehen.

Eigentlich sollte der auf zwei Jahre ausgelegte Versuch bereits in diesem Jahr starten. Doch wann genau die Mooswand funktionsfähig sein wird, steht noch immer nicht fest. Zwei Institute der Uni, das Naturkundemuseum und die Stadt haben die Verträge inzwischen zwar ausgearbeitet, aber noch immer nicht unterschrieben. Im Rathaus heißt es, man arbeite an der Umsetzung. Die letzten Abstimmungen mit den Beteiligten liefen gerade. Ziel sei es, die Mooswand noch in diesem Jahr aufzustellen. Das freilich wird eng. Denn bevor die Anlage aufgebaut werden kann, müssen noch Luftmessungen vorgenommen werden, die später als Vergleichsgrundlage dienen. Dafür zuständig ist das Institut für Feuerungs- und Kraftwerkstechnik der Uni.

Für die botanischen Aspekte des Projektes ist Martin Nebel vom Staatlichen Naturkundemuseum verantwortlich. Er glaubt an die wirksame Kraft der Pflanzen: In Laborversuchen haben sich Moose als gute Feinstaubverwerter gezeigt - nun soll der Praxistest die Auswirkung auf die Luftqualität unter realen Umgebungsbedingungen bestätigen. Moose können die Feinstaubbelastung durch verschiedene Mechanismen reduzieren. Ihre extrem große Oberfläche, die durch spezielle Strukturierung erreicht wird, hält den Feinstaub elektrostatisch fest. „Auf den Moosen sitzt eine Art Klebstoff“, erklärt Moosforscher Nebel. Ammoniumnitrate, die am Feinstaub einen Anteil von bis zu 50 Prozent haben, werden von den Moosen aufgenommen und in Pflanzenmasse umgewandelt. In der Summe können bis zu 75 Prozent des Feinstaubs beseitigt werden. Welche Moosart bei dem Versuch zum Einsatz kommen soll, steht noch nicht fest. Dem sogenannten „grauen Zackenmützenmoos“ werden derzeit die besten Chancen eingeräumt. Damit die Wand gleich von Anfang an begrünt ist und nicht erst allmählich wachsen muss, gibt es Moosbelag - ähnlich wie Rasen - als Rollware.

Den Pilotversuch lässt sich die Stadt 390 000 Euro kosten. Die Mittel dafür hat der Gemeinderat Ende 2015 bewilligt. Die Verwaltung erhofft sich nicht nur Erkenntnisse darüber, ob Moose tatsächlich Feinstaub reduzieren können. Es geht auch darum, Erfahrungen damit zu sammeln, wie Mooswände in dicht besiedelten Städten baulich umgesetzt werden können und wie die langfristige Pflanzenpflege aussehen muss. „Ziel ist es, eine Modellanlage zu schaffen, die sich dann bei Bestätigung der Wirksamkeit auch in anderen Szenarien einsetzen lässt“, sagt Knippers.