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Von Sebastian Steegmüller

Stuttgart - Um Tauben von Gebäuden fernzuhalten, werden in der Innenstadt verschiedene Maßnahmen ergriffen. An Torbögen werden kleine Metallspikes angebracht, auf Fenstersimsen Drahtseile gespannt oder an Hauseingängen Vogelattrappen aufgestellt. Das Klinikum Stuttgart geht einen anderen Weg: Dort wird regelmäßig eine Falknerei zu Hilfe gerufen.

Seit dem vergangenen August sei der Falke ein- bis zweimal pro Monat zum Einsatz gekommen, sagt Klinikumssprecherin Ulrike Fischer. Meistens dreht der Greifvogel dann über dem Katharinenhospital sowie dem dahinterliegenden Olgahospital und der Frauenklinik seine Runden. Für Vanessa Müller von der Falknerei Garuda sind die Aufträge über den Dächern der Krankenhäuser jedes Mal etwas Besonderes. „Das Training ist wesentlich aufwendiger. Die Bindung zwischen Greifvogel und Falkner muss enger sein, wenn der Vogel an fremden Orten fliegen soll.“ Nicht nur für sie, auch für das Tier sei die Flugeinheit anstrengender. „Der Vogel kann zuhause aus purer Gewohnheit seine üblichen Plätze anfliegen. Ohne nachzudenken, um welche Bäume er herum fliegen muss.“

Sobald er jedoch in ein fremdes Gebiet komme, benötige er eine gewisse Aufmerksamkeit. „Ich gebe dem Vogel durch Signale und meine Körpersprache immer eine Hilfestellung, aber letztendlich muss er schon selbst entscheiden, wohin er fliegt. Und die perfekte Jagdstrategie ist ja sowieso des Greifvogels Spezialgebiet“, sagt Müller, die jedoch relativiert, dass die Falken die Stadttauben im Normalfall nicht erbeuten, sondern sie durch ihre Präsenz vergrämen, also vertreiben sollen. „Nur in Ausnahmefällen, wenn Menschenleben gefährdet sind, wäre eine richtige Jagd - immer in Abstimmung mit den zuständigen Behörden - denkbar.“ Beispielsweise, wenn an einem Flughafen die Taubenpopulation überhandnehme. „In solch einem Fall werden die Beutetiere aber nicht gleich verfüttert. Egal ob Taube oder Fasan, Krankheiten können von Vogel zu Vogel übertragen werden, deshalb bekommt der Greifvogel im Tausch für die Beute anderes Fleisch angeboten. Dann kann die Beute erst mal untersucht werden.“

Über dem Klinikum Stuttgart sei das jedoch nicht das Ziel. Der Falke führe dort kurze Flugeinheiten durch, bei denen er nur über den Gebäuden kreist. „Er ist maximal ein paar Minuten in der Luft, bevor er wieder bei mir landet. Der Wüstenbussard, den ich auch einsetze, fliegt dagegen immer nur kürzere Strecken und setzt sich zwischendurch auf den Dächern hin.“ Die Tauben würden ganz unterschiedlich auf die Greifvögel reagieren. „Manchmal sind sie schon nach wenigen Minuten aufgeregt oder fliegen sogar sofort weg. Ab und an versuchen sie sich stattdessen zu verstecken. Dann ist man schon mal ein bis zwei Stunden vor Ort“, sagt Müller, die betont, dass nicht jedes Tier aus der Falknerei für diese Aufgabe geeignet sei. „Bei uns gibt es schon Spezialisten, nicht jeder Vogel hat was für die Taubenjagd übrig und er soll schließlich auch bei Vorführungen nicht seine Aufgaben verwechseln. Man muss also schon besonders talentierte und intelligente Tiere auswählen.

„Taifun beispielsweise, einer meiner Nordischen Falken, weiß ganz genau, dass er über die Tauben fliegen muss damit er schneller an seine Lieblingsbeuteattrappe gelangt.“ Dass dem Vogel bei seinen Flügen über dem Klinikum, also auf ungewohntem Terrain, etwas zustoßen könnte, befürchtet Müller indes nicht. „Wenn sich ein Rettungshubschrauber nähert, kann ich ihn früh genug zurückrufen. Aber grundsätzlich ist der Greifvogel kein abhängiges Haustier, sondern ein Jagdpartner, der ganz gut auf sich selbst aufpassen kann. Im Zweifel würde er einfach in sicherem Abstand einen Landeplatz suchen.“ Sobald der Helikopter weg ist, würde Taifun seinen Flug fortsetzen beziehungsweise eingesammelt werden.

Notwendig ist die Maßnahme übrigens, da die Taubenpopulation auf dem Klinikgelände deutlich zugenommen hat. Die Vögel würden zu viel Dreck an der Fassade und im Außenbereich hinterlassen. Gerade das im Mai 2014 errichtete Kinderkrankenhaus, also das Olgahospital, bietet nahezu paradiesische Zustände: Zum einen ist das Flachdach begrünt, zum anderen wartet im Außenbereich der Cafeteria oftmals ein „gedeckter Tisch“ auf die Tiere. Runtergefallene Krümel locken die schlauen Tiere regelrecht an. Darüber hinaus lassen Patienten und Besucher regelmäßig Essensreste stehen oder füttern die Tiere sogar - obwohl das in der Landeshauptstadt verboten ist. Wer sich nicht daran hält, muss mit einem Bußgeld bis zu 5000 Euro rechnen.

Die Tauben-Problematik besteht übrigens nicht nur am Klinikum. Die Falkner werden auch von verschiedenen Firmen gebucht, um dort die Tauben zu verscheuchen. Auch am Stuttgarter Flughafen haben die Falken in der Vergangenheit schon ihre Runden gedreht. Derzeit kommen sie jedoch nicht mehr zum Einsatz, sagt Flughafensprecher Johannes Schumm. „In den Parkhäusern werden Laute von Greifvögeln zur Vogelvergrämung eingespielt.“ Das verjage die Tauben zumindest für eine Weile.

Tag der Offenen Tür

Am Montag, 1. Mai, lädt die Garuda Falknerei in Weil im Schönbuch zum Tag der offenen Tür ein. Ab 10 Uhr wird jedem Besucher ein Blick hinter die Kulissen der Greifvogelauffangstation gewährt. Neben Flugshows mit Adlern, Eulen und Falken kann auch die tägliche Arbeit von Falknerin Vanessa Müller mit den Greifvögeln beobachtet werden. Um 11 und um 15 Uhr findet eine Flugschau statt. Für die kleinen Besucher ist ein spezieller Falkner-Parcours aufgebaut, indem wichtige Fähigkeiten und Eigenschaften eines Falkners getestet werden können. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.garuda-falknerei.de.