Bei einer Kontrolle in einer Gaststätte wurde dieser Reiskocher entdeckt, der trotz Kakerlakenbefall weiterhin benutzt wurde. Quelle: Unbekannt

Von Jan-Philipp Schütze

Stuttgart - Ein von Kakerlaken bevölkerter Reiskocher, völlig verdorbener Thunfisch und Schimmel in der Spülmaschine: Die Mitarbeiter der städtischen Lebensmittelüberwachung haben im Jahr 2015 wieder zahlreiche ekelerregende Entdeckungen gemacht. In 142 Betrieben waren die hygienischen Mängel so gravierend, dass sie zeitweise geschlossen werden mussten.

Die Lebensmittelkontrolleure der Stadt haben im vergangenen Jahr 48,5 Prozent von insgesamt 11 970 überprüfungspflichtigen Lebensmittelbetrieben überprüft - so hoch war die Quote schon seit sechs Jahren nicht mehr. Auch die Gesamtzahl der Kontrollen ist im Vergleich zu den Vorjahren deutlich auf 9677 gestiegen. Das seien „gute Nachrichten“, sagte Thomas Stegmanns, der Leiter der beim Ordnungsamt angesiedelten Dienststelle für Lebensmittelüberwachung, Verbraucherschutz und Veterinärwesen, gestern bei der Vorstellung der Jahresbilanz 2015 im Rathaus. Denn da wieder mehr kontrolliert wurde, konnten folglich auch mehr Mängel entdeckt werden. 57,6 Prozent der überprüften Betriebe wurden beanstandet, 142 von ihnen mussten wegen gravierender Hygienemängel vorübergehend geschlossen werden - 13,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Die „Nachwehen“ des geringen Kontrolldrucks der vergangenen Jahre seien weiterhin zu spüren gewesen, so Stegmanns. „Wenn keine Kontrollen stattfinden, dann wird geschlampert.“

In den Jahren 2012 und 2013 hatte die Kontrollquote noch bei 39 Prozent gelegen. Schuld daran war der große Personalmangel in der Dienststelle, der zwischenzeitlich ein wenig gelindert werden konnte. Von 23 verfügbaren Stellen sind aktuell 19 besetzt. Dass es nicht mehr sind, liegt an der Situation auf dem Arbeitsmarkt. Qualifiziertes Personal sei nach wie vor schwer zu finden, so Stegmanns. Auf eine ausgeschriebene Stelle hätten sich lediglich drei Bewerber gemeldet. Einer sagte noch im Vorfeld ab, ein anderer nahm lieber eine Stelle in Bayern an, weil ihm dort eine Dienstwohnung bezahlt wird, der dritte Bewerber wurde schließlich eingestellt. „Eigentlich bräuchten wir 34 Kontrolleure“, so Stegmanns. In diesem Jahr hätten nun immerhin fünf Azubis mit der Ausbildung begonnen.

Durchschnittlich zwei bis drei Betriebe am Tag kann ein Kontrolleur überprüfen. Und was er dabei zu Gesicht bekommt, ist mitunter nichts für schwache Mägen. Im vergangenen Jahr reichte die Bandbreite vom Reiskocher, der von Kakerlaken befallen war und trotzdem weiter benutzt wurde, über Tomatensoße, die in schlecht gereinigten Farbeimern aufbewahrt wurde, bis hin zur total verschimmelten Geschirrspülmaschine. Für einen Großeinsatz sorgte der Evangelische Kirchentag Anfang Juni, wo rund 3000 Speisen vorsorglich aus dem Verkehr gezogen wurden, weil bei sommerlichen Temperaturen die Kühlkette nicht eingehalten worden war.

324 Mal gingen die Kontrolleure gezielt Verbraucherbeschwerden nach, 100 lebensmittelbedingte Erkrankungen wurden bekannt. In einem Fall hatte eine Frau in einem Lokal Thunfischsalat gegessen und danach Flecken am ganzen Körper, Herzrasen, Kopfschmerzen und taube Lippen bekommen. Wie sich bei der chemischen Untersuchung einer in dem Lokal sichergestellten Probe herausstellte, war der Thunfisch massiv mit Keimen belastet und mikrobiell verdorben. Gegen den Betreiber des Lokals wurde ein Strafbefehl über 3600 Euro verhängt. Insgesamt zeigten die Lebensmittelkontrolleure 864 Ordnungswidrigkeiten an und stellten 353 Bußgeldbescheide aus. Sorgen bereitet Stegmanns die Tatsache, dass seine Mitarbeiter bei Kontrollen immer öfter aggressiv angegangen oder beleidigt werden. „Es gibt Kollegen, die sich in bestimmte Betriebe nicht mehr alleine trauen.“ Manchem Betreiber scheine nicht klar zu sein, dass er eine Ordnungswidrigkeit begeht, wenn er bei einer Kontrolle seine Mitwirkungspflicht verweigert.

Seit einem halben Jahr haben die Kontrolleure ein besonderes Augenmerk auf Eiswürfelmaschinen, wie sie in allen möglichen Betrieben stehen. „Die Dinger sehen zum Teil furchtbar aus“, sagte Stegmanns. „Eine Mischung aus Aquarium, Kühlschrank und Gully.“ In diesem Jahr wolle man den Fokus speziell auf versiffte Putzlappen richten, mit denen beim Wischen die Keime in der ganzen Küche verteilt werden. Nicht umsonst werden sie bei der Lebensmittelüberwachung intern als „Läppchen des Todes“ bezeichnet.