Etwas Warmes braucht der Mensch: Der Kältebus hat vor allem heißen Tee an Bord, aber auch Decken und Schlafsäcke werden verteilt. Quelle: Unbekannt

Von Nicolas Walter

Stuttgart - Es ist mitten in der Nacht. Schnee, bittere Kälte und eisiger Wind. Die Scheiben der geparkten Autos sind seit Stunden zugefroren. Die meisten Menschen sind Zuhause im Warmen. Zahlreiche Obdachlose aber sind dieser Witterung ausgesetzt.

Einer von ihnen ist Georg. An Schlaf ist für den 33-Jährigen bei der Kälte nicht zu denken. Das Thermometer zeigt minus vier Grad an. Im Stehen versucht er, sich aufzuwärmen. Die Stimmung ist gedrückt. Doch seine Miene hellt sich auf, als er aus weiter Entfernung drei alte Bekannte entdeckt: Mit ihren roten Jacken fallen Katja, Larissa und Max schnell auf. Die 23- bis 25-Jährigen arbeiten ehrenamtlich für das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und fahren zurzeit mehrmals in der Woche mit einem sogenannten Kältebus durch Stuttgart. Sie helfen den bis zu 150 Obdachlosen in der Landeshauptstadt, indem sie nachts Decken, Schlafsäcke, Isomatten oder auch Tee verteilen.

Auch in anderen deutschen Städten gibt es solche Busse. Die Stadtmission in Berlin etwa schickt von Anfang November bis Ende März einen Kältebus los und auch in München sind Ehrenamtliche mit einem Bus unterwegs. In Stuttgart gibt es ihn seit Dezember 2013.

„Ich freue mich jedes Mal aufs Neue über das Angebot“, sagt Georg und trinkt seinen Tee. Doch die Regeln für die Ausgabe der Materialien sind streng. Nur tatsächlich hilfsbedürftige Wohnungslose dürfen das Angebot wahrnehmen. Ein Mitarbeiter eines gegenüberliegenden Dönerladens eilt herbei und fragt nach einer Decke. Die drei Helfer müssen ablehnen. Der Mann zeigt Verständnis. „Trotzdem eine super Sache“, sagt er.

Der Kleinbus fährt bei Minusgraden von Dezember bis Februar zwischen 22 und 2 Uhr. Von den Stadtteilen Vaihingen, Mitte bis nach Bad Cannstatt und Hedelfingen fährt das Team das gesamte Stadtgebiet ab. Sobald sie einen Obdachlosen sehen, halten die Ehrenamtlichen an. Sie weisen auch auf die Hilfsangebote der Wohnungsnothilfe hin. Doch das wird oft abgelehnt. Viele Betroffene wohnten schon seit mehreren Jahren auf der Straße und wollten sich nicht mehr umstellen, erzählen die Helfer.

Immer wieder wird das Team des Kältebusses an diesem Abend von Passanten angesprochen. Es wird nach dem Weg oder nach Bahnverbindungen gefragt. „Mit unserer Uniform sind wir eigentlich Ansprechpartner für alles, aber wir machen das sehr gerne“, sagt Katja, die bereits seit ihrer Jugend beim DRK engagiert ist. Vereinzelt führt der Kältebus auch zu Verwirrung. Ein betrunkener Discogänger vermutet darin ein Taxiunternehmen: „Entschuldigung, ich möchte nach Hause“. Nach kurzem Lachen löst sich die Situation auf.

Doch es sind nicht nur Tee, Decken oder Schlafsäcke, über die sich die Obdachlosen freuen. „Viele wollen sich einfach nur unterhalten und ein paar nette und warme Worte wechseln“, sagt Max, der hauptberuflich eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker absolviert. Doch was treibt junge Menschen an, sich nachts auf die Straßen zu begeben und anderen zu helfen? „Man bekommt bei keiner anderen Tätigkeit so viel Dankbarkeit entgegengebracht wie hier“, erklärt Larissa.

Georg ist mittlerweile weitergezogen. Der Wohnungslose hat für diese Nacht noch keine geeignete Schlafstätte gefunden. „Ich schlafe eigentlich jede Nacht woanders“, sagt er. Schließlich entscheidet er sich für die Klett-Passage im Stuttgarter Hauptbahnhof - dort kann er in dieser kalten Winternacht bei verhältnismäßig warmen Temperaturen endlich zur Ruhe kommen.