Das Aktivhaus B 10 in der Weissenhofsiedlung liefert wichtige Erkenntnisse zu Baumaterialien und Energieeffizienz. Foto: Zooey Braun Quelle: Unbekannt

Von Jan-Philipp Schütze

Stuttgart - Frank Heinlein muss nicht lange überlegen. „Es war definitiv die richtige Entscheidung. Wir würden es jederzeit wieder machen“, sagt der Sprecher der Werner Sobek Group. Mit „es“ ist das B 10 gemeint, ein experimentelles Wohnhaus in der Weissenhofsiedlung, in dem seit mehr als zwei Jahren das energieautarke, nachhaltige und vernetzte Wohnen der Zukunft erforscht wird. Das von dem Stuttgarter Ingenieur und Architekten Werner Sobek geplante Aktivhaus im Bruckmannweg 10 erzeugt aus nachhaltigen Quellen das Doppelte seines Energiebedarfs und kann damit ganz nebenbei einen Elektro-Smart, ein E-Fahrrad sowie das benachbarte Weissenhofmuseum mit Strom versorgen.

Das im Sommer 2014 begonnene Projekt gehört zum „Schaufenster LivingLab BWe mobil“ mit rund 40 Projekten in den Regionen Stuttgart und Karlsruhe, die vom Bund unterstützt werden. „Wir wollen mit dem B 10 eine Diskussion darüber anstoßen, wie sich der Energieverbrauch minimieren lässt und wie andere Häuser CO²-neutraler werden können“, sagt Heinlein. Ende Oktober soll der Abschlussbericht vorgestellt werden. Dann werden sämtliche Daten publiziert, die von den überall im Haus angebrachten Sensoren erfasst und am Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) der Uni Stuttgart wissenschaftlich ausgewertet wurden. Schon jetzt kann Heinlein von vielen interessanten Erfahrungen berichten.

Kein „Wolkenkuckucksheim“

Das Aktivhaus sei nämlich alles andere als ein „Wolkenkuckucksheim“. Bereits während der Testphase hätten sich Erkenntnisse auf andere Projekte der Werner Sobek Group übertragen lassen. So wird derzeit in Winnenden eine größere Flüchtlingsunterkunft aus zweigeschossigen Holz-Modulbauten errichtet. Die insgesamt 38 Einheiten, in denen bis zu 200 Menschen untergebracht werden können, orientieren sich in ihrem Aufbau teilweise am B 10. Innenwände ließen sich herausnehmen, um aus kleinen Wohnungen größere zu machen, erklärt Heinlein. Wenn die Modulbauten später einmal nicht mehr für die Flüchtlingsunterbringung genutzt werden, könnten sie flexibel für eine andere Wohnnutzung umgestaltet werden.

Auch Baumaterialien werden im B 10 auf ihre Praxistauglichkeit getestet. So besteht nahezu die komplette Front des Hauses aus speziellem Vakuum-Isolierglas, hergestellt in China. „Sein Vorteil ist der geringe Wärmedurchlass“, sagt Heinlein. Bei gleicher Dämmleistung sei es nur halb so dick wie ein doppelt verglastes Fenster, zudem sei es nicht beschichtet und dadurch recycelbar. Herausgefunden werden soll, wie das Vakuumglas mit verschiedenen Wetterbedingungen zurechtkommt. Welche Tücken in der Praxis auftauchen können, zeigte sich beim 15 Kubikmeter großen, unterirdischen Eisspeicher-System im Garten. Dessen Kühlleistung habe infolge des heißen Sommers bereits Ende August nachgelassen. „Die größte Herausforderung ist die effiziente Steuerung des Eisspeichers“, sagt Heinlein. Die Hausbatterie wiederum könnte in Anbetracht gesunkener Anschaffungskosten in künftigen Aktivhäusern auch eine Nummer größer ausfallen. Nachholbedarf sieht Heinlein auch bei den Schnittstellen der einzelnen technischen Komponenten. „Da brauchen wir noch eine bessere Kompatibilität.“

Ursprünglich war angedacht, das Haus von Studenten bewohnen zu lassen. „Die Idee war im Grunde gut“, sagt Heinlein, „aber da waren wir vielleicht ein bisschen zu optimistisch.“ Zum einen wären die Bewohner durch die einmal pro Woche stattfindenden Hausführungen gestört worden, zum anderen wären sie selbst ein „Störfaktor“ bei den regelmäßigen Testläufen gewesen. „Um die Wärmepumpe zu erproben, haben wir das Haus über eine längere Zeit auskühlen lassen oder es übermäßig aufgeheizt. Mit Bewohnern wäre das nicht möglich gewesen“, sagt Heinlein. Sobald das Projekt beendet ist, könnte man das Haus ganz einfach von einem Tieflader abtransportieren und beispielsweise an der Uni Stuttgart aufstellen lassen. Die Stadt habe aber Interesse bekundet, das B 10 an Ort und Stelle als „Innovation Lab“ weiter zu betreiben und künftig Start-Up-Unternehmen zur temporären Nutzung zu überlassen. Als nächstes solle dazu ein Gespräch mit Baubürgermeister Peter Pätzold geführt werden.