Unter seinem Künstlernamen Duan Wasi hat Ntuanoglu für Fettes Brot, Freundeskreis und Afrob Musikstücke produziert. Foto: privat

Von Sebastian Steegmüller
 

Stuttgart - „Wenn der Vorhang fällt, sieh hinter die Kulissen, die Bösen sind oft gut und die Guten sind gerissen.“ Als Wasilios Ntuanoglu alias Duan Wasi diesen Reim vor rund 20 Jahren in sein 182 Seiten starkes Skriptbuch eingetragen hat, ahnte der Hip-Hop-Künstler nicht, dass seine Aufschriebe einmal von einem Museum als „bedeutendes Artefakt neuer deutscher Musik- und Literaturgeschichte“ eingestuft werden. Das Buch wird im Stuttgarter Stadtmuseum, das im Herbst im umgebauten Wilhelmspalais eröffnet, im Ausstellungsbereich „Stadtgeschichten“ zu sehen sein. „Ich habe damals einfach alles reingekritzelt, was mir durch den Kopf gegangen ist. Auch Termine oder eine Telefonnummer notiert“, sagt der 42-jährige Stuttgarter, der in Bad Cannstatt geboren ist. Aber eben auch zahlreiche Strophen für das 1996 veröffentliche Debütalbum „Kopfnicker“ der Massiven Töne sind darin niedergeschrieben.

Eine ganze Ära geprägt

Und genau um diese geht es Torben Giese, Gründungsdirektor des Stuttgarter Stadtmuseums. Das Album gilt als „revolutionärer Wegbereiter und richtungsweisend für deutschsprachige Hip-Hop-Musik“ und habe eine ganze Ära geprägt. „Wir sind außerordentlich erfreut, mit dem Textbuch von Duan Wasi ein überaus relevantes, weil stilbildendes, zeitgeschichtliches Dokument in die Sammlung des Museums überführen zu können“, so der promovierte Historiker. „Als Ausstellungsstück bildet das Textbuch ein tragendes Element zur Vermittlung suburbaner Kulturgeschichte Stuttgarts.“ Mit der Ausstellung des originalen Textbuchs im Stadtmuseum werde eine jüngere zeitgenössische Dichtung als Literaturkunst präsent.

Die Hip-Hop-Bewegung der 1990er-Jahre, die aus der Landeshauptstadt Wellen in die ganze Welt hinaus geschlagen hat, wird unter dem Titel „Mutterstadt“ vertreten sein - mittlerweile vielen Stuttgartern ein geläufiger Begriff und natürlich ein Titel von den Massiven Tönen, produziert von Wasilios Ntuanoglu.

Um das literarische Herzstück seiner Arbeit am Album „Kopfnicker“ in seiner jetzigen Form zu erhalten und über lange Zeit ausstellen zu können, hat das Stadtmuseum unmittelbar nach der Übergabe Maßnahmen zur „Schriftgut-Konservierung“ eingeleitet. Das Originaldokument ist ab dem Zeitpunkt der Übergabe nur noch mit Samthandschuhen angefasst worden, zunächst wurde es in säurefreies Papier eingeschlagen und dann unter optimalen klimatischen Bedingungen im Depot des Museums aufbewahrt. Später wird es in einer eigens angefertigten, von UV-Strahlung und Staub geschützten Glasvitrine der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. „In die kulturhistorische Sammlung der vergangenen 200 Jahre mitaufgenommen zu werden, ist eine unfassbar große Ehre. Anfangs war der Schritt jedoch auch mit Skepsis verbunden, da das Textbuch ein sehr persönlicher Gegenstand ist. Nach langen und intensiven Gesprächen mit den Museumsverantwortlichen denke ich jetzt, dass es in guten Händen ist“, so Ntuanoglu.

Vergleich mit Lyriker von Eichendorff

Nicht nur im Stadtmuseum ist man auf die Arbeiten von Ntuanoglu bereits aufmerksam geworden. Unter anderem hat der Literaturwissenschaftler Sascha Verlan in dem Reclam-Band „Rap-Texte“ den „Nichtsnutz“ aus dem gleichnamigen Massive-Töne-Song mit einem der berühmtesten Protagonisten in der Dichtkunst verglichen - dem Taugenichts aus der entsprechenden Novelle von Joseph von Eichendorff. Für Ntuanoglu sei es ebenfalls eine große Anerkennung, dass „meine Arbeit im literarischen Kontext als relevant bewertet wird“. Zugleich frage er sich jedoch, ob er diesen Bezügen standhalte.

Rund 20 Jahre nach Kopfnicker ist er weiterhin als Musiker aktiv. Im vergangenen Sommer veröffentlichte er - natürlich als Duan Wasi - mit dem Titel „Lost Beats“ ein limitiertes Solo-Album, welches bereits im Vorverkauf ausverkauft war. Der Hip-Hop-Künstler, der unter anderem für Afrob, Freundeskreis und Fettes Brot Stücke produziert und neu arrangiert hat, sinniert beim Blick zurück und wird kurz still. „Wir haben damals mit Wortkunst und echten Stories etwas von Wert etablieren können. Etwas, das bleibt.“