Matthias Orth, der Leiter der Laboratoriumsmedizin am Marienhospital, steht vor dem Analyseroboter, der auf Abstrichen bereits nach drei Stunden MRSA-Keime nachweisen kann. Foto: Marienhospital/Kruse Quelle: Unbekannt

Von Elke Hauptmann

Stuttgart - Im Kampf gegen gefährliche Krankenhauskeime setzt das Stuttgarter Marienhospital auf ein konsequentes Screening. Im vergangenen Jahr wurde gut jeder zweite stationär aufgenommene Patient untersucht, ob er Träger des potenziell tödlichen MRSA-Keims ist. Die Vorsichtsmaßnahme zeigt Wirkung: Das Infektionsrisiko in der Klinik ist einer Erhebung zufolge geringer als in anderen vergleichbaren Häusern im Land.

Seit Jahren sorgt der Methisillinrestistente Staphylococcus aureus (MRSA), gegen den kaum noch ein Antibiotikum wirkt, für Schlagzeilen. Manche Hygieneexperten schätzen, dass dieses Bakterium bundesweit pro Jahr bis zu 40 000 Todesfälle verursachen. Diese Zahl hält Matthias Orth, der Ärztliche Direktor des Instituts für Laboratoriumsmedizin am Marienhospital, für zu hoch. „Menschen mit schweren MRSA-Infektionen sind fast immer erheblich vorerkrankt und sterben wohl eher an den Folgen ihrer Grunderkrankung als an einer ursächlichen MRSA-Infektion.“

Dennoch: „Jede vermeidbare MRSA-Infektion ist eine zu viel“, sagt der Laborchef. Er und sein vierköpfiges Team aus Hygienefachkräften tun daher alles, damit sich der Keim im Marienhospital nicht verbreitet. „2015 haben wir 52,5 Prozent unserer stationär aufgenommenen Patienten daraufhin gescreent, ob sie Träger des MRSA-Keims sind“, berichtet Orth. Wer untersucht werden muss, ist in einem Kriterienkatalog festgelegt. In der Checkliste für neue Patienten werden nicht nur Risikofaktoren - unter anderen Diabetes, Antibiotikaeinnahme, Dialysepflichtigkeit und chronische Wunden - abgefragt. Von Interesse ist zum Beispiel auch, ob der Patient beruflichen Kontakt zu Tieren in der landwirtschaftlichen Mast hatte, ob er jüngst im ost- oder außereuropäischen Ausland weilte oder ob er sich unlängst länger als drei Tage in einem Krankenhaus befand. Gibt es ein Ja auf eine dieser Fragen, wird in den meisten Fällen ein MRSA-Schnelltest durchgeführt.

Das Screening ist für den Patienten eine kurze und schmerzlose Angelegenheit: Es werden lediglich mit Wattestäbchen Abstriche in der Nase und der Mundhöhle gemacht. Die Abstriche werden dann im Zentrallabor untersucht. Von den 12 935 Patienten, die im vergangenen Jahr im Marienhospital auf MRSA untersucht wurden, waren 99 Patienten (0,8 Prozent), Träger des MRSA-Keimes. Betroffene Patienten werden in Einzelzimmer isoliert, Ärzte, Pflegekräfte und Angehörige dürfen nur in Schutzkleidung und mit Handschuhen zu ihnen ins Zimmer. So kann sichergestellt werden, dass sich der Keim nicht im Krankenhaus verteilt.

Die Vorsichtsmaßnahme ist begründet: Bei etwa jedem dritten Deutschen sind Nasenschleimhaut oder Haut mit dem Staphylococcus-aureus-Erreger besiedelt. Etwa jeder hundertste Deutsche trägt den MRSA-Keim - also die antibiotika-resistente Variante des Bakteriums - in oder auf seinem Körper. „Gesunden Menschen können beide Varianten nur sehr selten etwas anhaben“, weißt Orth. Für Kranke aber kann der Keim gefährlich werden. Denn wenn der Erreger etwa über frische OP-Narben oder Unfallverletzungen in den Körper gelangt, können schwere Infektionen die Folge sein. Ist das Immunsystem des Patienten zudem geschwächt, kann es leicht zu einer tödlichen Blutvergiftung oder Lungenentzündung kommen.

Enormer Aufwand

Nur wenige Kliniken betreiben einen so großen Aufwand wie das Marienhospital, sagt Orth stolz. Vielleicht auch wegen der Kosten in Höhe von 20 bis 100 Euro pro Test, die aus dem Klinik-Etat finanziert werden müssen, werden in den meisten anderen Krankenhäusern weit weniger Patienten auf MRSA getestet. Die Trefferquote sei daher entsprechend geringer - der Durchschnitt liege bei 0,3 Prozent, so Orth. „Unsere Quote zeigt, dass wir die richtigen Patienten untersuchen“. Und zwar nicht nur jene auf den Intensiv-, sondern auch auf den Normalstationen.

Auch eine spezielle Maschine, wie sie im Marienhospital für die DNA-Analyse von Keimen zur Verfügung steht, würden sich nur wenige Häuer leisten. Mit dem Gerät kann eine MRSA-Infektion innerhalb von nur drei Stunden nachgewiesen werden. Mit herkömmlichen Labortests vergehen dagegen 48 Stunden, bis klar ist, ob ein Patient MRSA-Träger ist. „In dieser Zeit kann sich der Erreger über zig Kontakte zu anderen Menschen schon im ganzen Krankenhaus verbreitet haben“, sagt Orth.

Dass sich der konsequente Kampf gegen den gefährlichen Keim auszahlt, haben Orth und sein Team jetzt schriftlich: Laut der unabhängigen Qualitätssicherungsvereinigung GeQiK haben Patienten in keiner anderen von 40 vergleichbaren Klinik in Baden-Württemberg ein ähnlich niedriges Risiko, an einer MRSA-Infektion zu erkranken wie im Marienhospital. 2015 lag die Wahrscheinlichkeit hier bei lediglich 0,1 Prozent.