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Stuttgart (dpa) - In der Diskussion um flexiblere Arbeitszeitmodelle hat Daimler-Betriebsratschef Michael Brecht über Tarifverträge abgesicherte Testläufe gefordert. „Es braucht einen Schutz vor Ausbeutung und Selbstausbeutung. Da muss das Gesetz weiterhin stringent sein“, sagte Brecht.

Es gebe aber Möglichkeiten, Ausnahmen von den starren Regeln des Arbeitszeitgesetzes zu finden: „Wir sollten Experimentierfelder - betriebliche Praxislabore - schaffen.“ Flexiblere Regelungen, die an die Bedürfnisse von einzelnen Beschäftigtengruppen angepasst seien, könnten über Tarifverträge geschaffen werden, schlug Brecht vor. „Das sollte das Gesetz zulassen“, sagte der Daimler-Betriebsratschef und schloss sich damit einem Vorschlag von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) an. Nahles hatte sich für eine Lockerung der gesetzlichen Arbeitszeitvorschriften für Firmen ausgesprochen und die Möglichkeit „ausgehandelte Flexibilität“ in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen genannt. Die Arbeitgeberseite wettert gegen Arbeitszeitgesetze - auch Daimlers Personalchef Wilfried Porth sprach sich jüngst gegen starre Ruhezeiten von elf Stunden aus.

An dieser Stelle hält Brecht Ausnahmen für möglich: „Die Ruhezeit muss vielleicht nicht bei allen Tätigkeiten elf Stunden betragen“, sagt er. In der Diskussion werde aber häufig vergessen, dass die Mehrheit der Deutschen überhaupt nicht mobil und flexibel arbeiten könne. Schichtarbeiter, Menschen in Pflegeberufe oder Berufstätige, die an Öffnungszeiten gebunden sind, können sich die Zeit nicht frei einteilen. Bei Daimler selbst arbeitet der Betriebsrat derzeit an einer Betriebsvereinbarung zu mobilem Arbeiten. Ähnliche Regelungen gibt es bei anderen Konzernen schon - etwa beim Zulieferer Bosch oder bei BMW. Bei Daimler wurden im vergangenen Jahr wurden mehr als 30 000 Mitarbeiter zu dem Thema befragt. Das Ergebnis: Gut 80 Prozent wünschten sich mehr Flexibilität.

In Workshops wurden nun Eckpunkte für die Betriebsvereinbarung ausgearbeitet, die im Herbst stehen soll. „Es dreht sich viel um das Thema Vertrauen“, sagt Brecht. „Der Vorgesetzte muss dem Beschäftigten nicht dauernd über die Schulter schauen. Zum Schluss muss das Ergebnis stimmen. Für uns ist wichtig, Selbstbestimmung und Selbstverantwortung zu stärken“, sagte Brecht. „Die Möglichkeit, mobil zu arbeiten, darf nicht abhängig von der Laune oder Einstellung des Vorgesetzten sein. Wenn die Art der Arbeit es zulässt, sollten die Beschäftigten mobil arbeiten dürfen“. Außerdem werde in der Betriebsvereinbarung geklärt, dass mobiles Arbeiten nicht zu einer unbegrenzten Erreichbarkeit der Mitarbeiter führen dürfe.

Dabei sind die Neureglungen dringend nötig: „Bislang wird die Arbeit außerhalb der betrieblich vereinbarten Gleitzeitrahmen schlicht nicht erfasst“, sagt Brecht. Damit die Betriebsvereinbarung kein Papiertiger wird, muss sich bei dem Autobauer einiges ändern: „Wir sind kulturell in einem Umbruch“, sagte Brecht. „Wir haben bislang eine starke Gremienkultur, die Präsenz fordert. Da geht es jetzt um Fragen wie: Muss man bei jedem Meeting physisch anwesend sein?“ Dabei ist ihm bewusst: „Eine Kulturveränderung erreicht man nicht durch eine Betriebsvereinbarung“ Die neuen Regeln seien auf 80 000 der deutschlandweit etwa 170 000 Mitarbeiter anwendbar, die in der Verwaltung und erweiterten Funktionen in der Produktion arbeiten. Dabei soll es nicht bleiben. Brecht: „Im nächsten Schritt denken wir darüber nach, wie wir in der Produktion bessere Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf- und Privatleben schaffen können.“