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Stuttgart (eh) - Die Mitfinanzierung des Bahnprojekts Stuttgart 21 durch die Landeshauptstadt verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Das Bürgerbegehren, mit dem ein Bürgerentscheid über den Ausstieg der Stadt aus ihren vertraglichen Finanzierungsverpflichtungen erreicht werden sollte, ist daher unzulässig. Das hat gestern das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig letztinstanzlich entschieden.

Die Stadt Stuttgart ist über mehrere zwischen 1995 und 2009 geschlossene Verträge der Projektpartner an der Zusammenarbeit und Finanzierung von Stuttgart 21 beteiligt. 2011 beantragten die Kläger als Vertrauensleute eines von mehr als 35 000 Stuttgartern unterzeichneten Bürgerbegehrens die Durchführung eines Bürgerentscheids, der den Ausstieg der Stadt aus dem Projekt zum Ziel hatte. Sie halten die Mischfinanzierung durch Beiträge des Bundes, des Landes und der Stadt für verfassungswidrig und sehen darin einen Grund, mit dem Stuttgart sein finanzielles Engagement beenden kann. Die Stadt ist mit 292 Millionen Euro am Umbau des Stuttgarter Bahnknotens beteiligt, zudem hat sie im Jahr 2001 frei werdende Gleisflächen für 459 Millionen Euro erworben.

Der Gemeinderat hatte auf Empfehlung der Verwaltung, die sich auf ein Rechtsgutachten stützte, das Bürgerbegehren nicht zugelassen, weil es auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet sei. Die Verträge sähen kein einseitiges Recht auf Kündigung oder sonstige Beendigung der Finanzierungspflichten vor. Sie seien auch nicht wegen Verstoßes gegen das Verbot der Mischfinanzierung nichtig: Das Grundgesetz verbiete keineswegs, dass Bund, Länder und Gemeinden bei komplexen Infrastrukturprojekten zusammenarbeiteten und die Kosten nach dem Anteil ihrer eigenen Aufgabenwahrnehmung teilten.

Wie berichtet, zogen die Vertrauensleute daraufhin zunächst vor das Stuttgarter Verwaltungsgericht, dann vor den Verwaltungsgerichtshof in Mannheim. Ihre Klage wurde jedoch sowohl in erster, als auch in zweiter Instanz abgewiesen. Auch die Revision vor dem höchsten deutschen Verwaltungsgericht blieb schlussendlich ohne Erfolg.

Die Initiatoren des Bürgerbegehrens beriefen sich auf Artikel 104a des Grundgesetzes. Danach dürfen die Länder und Gemeinden keine Aufgaben mitfinanzieren, die allein in der Zuständigkeit des Bundes liegen. Der Bahnhofsbau in Stuttgart sei ein Projekt der Deutschen Bahn, die trotz Privatisierung der „verlängerte Arm des Staates“ sei, wie Kläger-Anwalt Hans-Georg Kluge sagte. Das sahen die Bundesverwaltungsrichter allerdings anders. Die privatisierten Eisenbahnunternehmen wie die DB Netz AG agierten als Wirtschaftsunternehmen. Der Bau eines Bahnhofes oder der Trassenbau seien damit nicht mehr Aufgaben des Bundes. Deswegen greife Artikel 104a des Grundgesetzes bei Stuttgart 21 gar nicht.

Der Rechtsanwalt und Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, Eisenhart von Loeper, nannte das Urteil überraschend. „Ich halte das auch für schädlich für den Rechtsstaat“, sagte er. Denn es bedeute, dass die Bahn künftig die Finanzierung von Bauprojekten frei aushandeln könne. Reiche Kommunen, die Geld zuschießen könnten, seien gegenüber ärmeren Städten im Vorteil.

Das Projekt wird heute erneut Thema sein: Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn wird in Berlin über die Kosten und Risiken des Tiefbahnhofs beraten.