Von Alexander Sturm und Sabrina Erben

Frankfurt/Esslingen/Stuttgart - Die Niedrigzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) belasten deutsche Banken schwer. Sie müssen sogar Strafzinsen zahlen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken. Dass einzelne Institute die Negativzinsen direkt an Privatkunden weitergeben, hält der Bankenverband für unwahrscheinlich. Ganz auf eigene Rechnung nehmen können sie die Entwicklung aber nicht. Auch einige Banken in der Region erhöhen die Gebühren.

Kommt nun eine Kostenwelle auf die Verbraucher zu?

Firmenkunden zahlen oft schon Strafzinsen für Bankeinlagen. Droht das jetzt auch Privatkunden?

Michael Kemmer, Hautgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken, glaubt nicht, dass Privatleute beim Sparen bald draufzahlen müssen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir im Privatkundengeschäft Negativzinsen sehen werden“, sagte er. „Dafür ist der Wettbewerb zu hart.“ Höhere Gebühren für Sparer schloss Kemmer aber nicht aus. Tatsächlich erhöhen manche Banken schon die Gebühren, wie eine Auswertung der FMH-Finanzberatung zeigt.

Wie stark steigen die Kontoführungsgebühren?

FMH hat bei 77 Konten von 61 Banken, die regelmäßig untersucht werden, verglichen, wie sich die Konditionen in den vergangenen zwölf Monaten verändert haben. Demnach haben bis Ende Juli sechs Banken die Kontoführungsgebühren erhöht. So verlangen laut den Beratern etwa die Hypovereinsbank sowie die Sparkassen Leipzig und Wuppertal mehr. Auf breiter Front steigen die Entgelte demnach aber nicht. „Wir sehen einige markante Änderungen“, sagt Frank-Christian Pauli, Finanzexperte des Verbraucherzentralen-Bundesverbands.

Wie sieht es in der Region aus?

Die Volksbank Plochingen hat zum 1. August erstmalig Gebühren für die Kontoführung eingeführt. „Wir führen bei unserem VRE-Bankkonto 1,90 Euro Gebühren ein, bei dem VR-Privatkonto 2,90 Euro“, sagt Prokurist Torsten Schwarz. Bei Kreditkarten werden bei der Volksbank Plochingen keine Kosten erhöht. „Wir hatten schon immer Gebühren, müssen diese in diesem Fall nicht anpassen.“ Bei der Volksbank Esslingen kostet der monatliche Basispreis 2,80 Euro. Schon zum 1. Januar dieses Jahres wurden die Gebühren dort erhöht. Beim VR-Girobasiskonto wurden Kontoführungsgebühren von 3,90 Euro im Monat eingeführt. „Wir bieten unseren Kunden drei verschiedene Kontomodelle an“, sagt Vorstandsmitglied Thomas Schaaf. Die Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen erhöhte die Gebühren zum 1. Januar für das Kontomodell GiroGolds von 8,90 auf 10,90 Euro monatlich, das Kontomodell GiroPlus von 6,90 auf 7,90 Euro. „Bei den Giromodellen sind aber neue Leistungen, wie der Internet-Käuferschutz hinzugekommen“, sagt Unternehmenssprecher Ulrich Unger. Bei der Landesbank Baden-Württemberg ist derzeit keine Erhöhung geplant. „Aber natürlich überprüfen wir kontinuierlich unsere Gebühren- und Leistungsgestaltung - auch hinsichtlich der jeweiligen Marktsituation sowie der Aktivitäten unsere Mitbewerber“, sagt ein Sprecher. Die letzte Gebührenerhöhung gab es im Februar 2016 im Kreditkartengeschäft. Die Jahrespreise für Visa Card/ MasterCard wurden von 24 auf 29 Euro erhöht.

Wie sieht es bei Gebühren für einzelne Bankdienste aus?

Hier steigen die Entgelte FMH zufolge häufiger. So hätten 19 Banken die Jahresgebühren für Kreditkarten erhöht. Fällig würden bis zu 40 Euro. Sieben Institute hätten mehr Geld für Überweisungen per Papier-Formular verlangt, ebenso viele Gebühren für EC-Karten eingeführt, etwa die Sparda-Bank Hamburg. Und bei fünf Instituten kosteten Überweisungen am Automaten in der eigenen Filiale zwischen 0,50 und 1,90 Euro. Pauli kritisiert komplexe Entgeltmodelle: Manche Banken vermarkteten Konten mit niedrigen Dispo-Gebühren, dafür sei dann aber die Kontoführung teurer.

Warum erhöhen Banken die Gebühren überhaupt?

„Die Niedrigzinsphase fordert ihren Tribut“, sagt Torsten Schwarz von der Volksbank Plochingen. Man könne und wolle sich nicht mit einer Direktbank vergleichen. „Die Präsenz vor Ort und eine hohe Beratungsqualität ist nicht zum Nulltarif aufrechtzuerhalten.“ Die Banken stehen wegen der Niedrigzins-Politik der EZB unter großem Druck. Banken können Kundeneinlagen kaum noch rentabel anlegen und für von ihnen vergebene Kredite immer weniger Zinsen verlangen. Horten sie überschüssiges Geld bei der EZB über Nacht, zahlen sie überdies 0,4 Prozent Strafzinsen. „Banken sind derzeit froh, wenn sie keine neuen Einlagen bekommen“, erklärt Peter Barkow, Gründer der Finanzberatung Barkow Consulting. Doch an Privatkunden könnten sie die Negativzinsen nur schwer weitergeben. „Daher weichen sie auf höhere Gebühren aus.“ Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon forderte jüngst angesichts der Niedrigzinsen ein Ende der „Kostenlos-Kultur“.

Sind nun massenhafte Preiserhöhungen zu befürchten?

Auch wenn der Trend nach oben zeigt: Die Mehrzahl der Banken hat die Gebühren in den vergangenen zwölf Monaten nicht erhöht. Auch bei den Großinstituten Deutsche Bank und Commerzbank sind die Kontoführungsgebühren laut FMH unverändert.

Wie sollten sich Verbraucher verhalten?

Finanzexperte Pauli empfiehlt Kunden, im Zweifel die Bank zu wechseln. Auch könnten sie Auffälligkeiten den Verbraucherzentralen melden. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen prüft laut Pauli derweil die Gebührenerhöhungen. Nicht alle Entgelte seien gesetzlich zulässig, sagt er - und verweist auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs gegen Kreditbearbeitungsgebühren vom vergangenen Februar.