Berlin/Stuttgart (dpa/eh) - Nichts Neues nach der Sitzung des Aufsichtsrates: Die Deutsche Bahn hält unverändert am Fertigstellungstermin für das Projekt Stuttgart 21 fest. Ungeachtet der Einschätzung der Wirtschaftsprüfer, die von einem mindestens einjährigen Verzug ausgehen, sollen Ende 2021 die ersten Züge durch den Tiefbahnhof rollen.

Der Aufsichtsrat der Bahn hatte im Mai ein Gutachten zur aktuellen Kosten- und Terminsituation des Projekts Stuttgart 21 in Auftrag gegeben. Ausgewählt wurden die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und das Schweizer Ingenieurbüro Ernst Basler. In seiner gestrigen Sitzung hat sich der Aufsichtsrat intensiv mit den Ergebnissen des Gutachtens beschäftigt und stellte anschließend fest: „Bei der Überprüfung der aktuellen Termin- und Kostensituation sind die bisherigen Feststellungen des Vorstandes bezüglich Stuttgart 21 im Wesentlichen bestätigt worden.“ Wie berichtet, halten die Sachverständigen eher einen Starttermin zwischen Dezember 2022 und Dezember 2024 für möglich. In dem Gutachten wurden Gesamtkosten von 6,3 bis 6,7 Milliarden Euro errechnet. Aus Bahnkreisen heißt es, es sei durchaus wahrscheinlich, dass der bisherige Finanzierungsrahmen von 6,526 Milliarden Euro eingehalten werden könne.

Vor der Bahn-Zentrale in Berlin protestierten gestern zahlreiche Stuttgart-21-Gegner, um dem Aufsichtsrat ihren Unmut zu zeigen. Das Gutachten der Wirtschaftsprüfer von KPMG sei ein „Placebo-Gutachten“. Offensichtlich solle der Aufsichtsrat, der sich auf einer Sondersitzung mit der Expertise beschäftigt, „eingeseift“ werden, um ein längst unwirtschaftliches Projekt fortzuführen. Nach Ansicht der Gegner blendet KPMG gravierende Projektrisiken aus. Nach Ansicht des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21 liefert das Gutachten „ein geschöntes Bild der Realität“. Das Geld, das man für den neuen Bahnhof, die Anschlussstrecken und Tunnel ausgebe, werde „dringend für verkehrlich bedeutende Projekte benötigt“, sagte der Wirtschaftsingenieur Christian Böttger. Vertreter des Aktionsbündnisses übergaben der Bahn Listen mit rund 22 600 Unterzeichnern einer Resolution, die den Stopp von Stuttgart 21 verlangen.

In der nächsten Sitzung will sich der Bahn-Aufsichtsrat erneut mit dem Milliardenprojekt befassen. Dazu wurde der Vorstand beauftragt, den „jetzt vorliegenden Bericht“ des Bundesrechnungshofs mit den Ergebnissen von KPMG und Basler abzugleichen, teilte die Bahn mit. Der Bundesrechnungshof beziffert die Kosten in einem bislang unveröffentlichten Bericht auf bis zu neun Milliarden Euro.