Der Weg ins Frauenhaus ist für viele Frauen ein riesiger Schritt. Aus dem Frauenhaus wieder ausziehen ist derzeit nicht einfach. Foto: Jacques - Jacques

Von Andrea Eisenmann

Stuttgart - Aus vielen Städten mehren sich Meldungen, wonach misshandelte Frauen in Frauenhäusern nicht mehr aufgenommen werden können. Verantwortlich ist der angespannte Wohnungsmarkt, der es den Bewohnerinnen schwer macht, eine Bleibe zu finden. Dass Frauen abgewiesen werden müssen, ist in Stuttgart aktuell nicht der Fall. Eine Herausforderung ist die Anschlussunterbringung aber auch hier.

Fehlende Finanzierung, keine ausreichenden Räumlichkeiten, mangelndes Personal - es gibt mehrere Gründe, die dazu führen, dass Frauenhäuser Schutzsuchende abweisen müssen. In Deutschland, so ein Bericht des Familienministeriums aus dem Jahr 2012, sind es rund 9000 Frauen im Jahr, denen die angefragte Hilfe nicht gewährt werden kann. In den vergangenen Monaten scheint sich die Lage vielerorts weiter zugespitzt zu haben. In den Kölner Frauenhäusern beispielsweise müssen nach Angaben der zuständigen Mitarbeiter derzeit täglich bis zu fünf Frauen abgewiesen werden. Und das liegt nicht zuletzt am angespannten Wohnungsmarkt, der es erschwert, dass Betroffene nach ihrer Zeit in den Frauenhäusern eine neue Unterkunft finden. Deswegen wohnen sie vielfach länger in den Einrichtungen, als es eigentlich nötig wäre.

In der Landeshauptstadt ist die Situation in den beiden Frauenhäusern, einem städtischen und einem vom Verein „Frauen helfen Frauen“ autonom geführten, nicht ganz so ausweglos wie in anderen Regionen. Die Auslastung in den Einrichtungen liegt aktuell zwischen 85 und 90 Prozent. Allerdings gibt es auch hier Zeiten, in denen die Häuser vollständig belegt sind. Hilfe wird dennoch nicht verwehrt. „Schutzbedürftige Frauen werden dann in andere Frauenhäuser vermittelt“, betont ein Sprecher der Stadt. Diese würden normalerweise in Baden-Württemberg liegen.

Dass sie außerhalb der Stadtgrenzen untergebracht werden, ist für die meisten Betroffenen offenbar kein Problem, sondern kommt ihrem Schutzbedürfnis eher entgegen. Fachkräfte helfen den traumatisierten Bewohnern - dazu gehören meist auch Kinder - bei der Bewältigung der schlimmen Erfahrungen und unterstützen die Frauen bei ihrem Neustart: angefangen vom Sprachkurs bis zur Arbeitssuche. Auch die Kinder und Jugendlichen werden betreut, um das Gesehene oder selbst Erlebte zu verarbeiten. „Sie nehmen an kunsttherapeutischen Projekten teil oder machen Ausflüge“, zählt Isolde Faller, Abteilungsleiterin im Sozialamt, einige der Angebote auf.

In einer Hinsicht liegt aber auch die Landeshauptstadt im bundesweiten Trend: In den vergangenen Jahren ist die durchschnittliche Verweildauer in den Einrichtungen gestiegen. Aufenthalte zwischen einem bis sechs Monaten machen derzeit die Hälfte aus. 30 Prozent der Frauen bleibt indes länger. Und das, obwohl in den Gemeinderatsfraktionen und der Verwaltung Konsens dahingehend herrscht, den Betroffenen auf der Suche nach einer Anschlussunterbringung unter die Arme zu greifen und ihnen einen guten Zugang zum sozialen Wohnungsmarkt zu ermöglichen. Allerdings können auch sie nur auf die vorhandenen Angebote zurückgreifen - und die sind angesichts der Wohnungsknappheit rar gesät. „Für eine Frau mit einem Kind wird man schneller fündig, als wenn sie vier oder fünf Kinder hat“, sagt Faller. Und so passiert es durchaus, dass eine kinderreiche Familie mehr als eineinhalb Jahre in der Einrichtung ausharren muss - angesichts der beengten Verhältnisse kein Zuckerschlecken. Die Frauen müssen länger als notwendig unter ihren Leidensgenossinnen leben - auch das erschwert es, eine Zukunft zu planen und Gewalterfahrungen hinter sich zu lassen.

Aber auch in anderer Hinsicht bekommen die Verantwortlichen den Engpass auf dem Wohnungsmarkt zu spüren. Bereits seit längerem sucht der Verein „Frauen helfen Frauen“ eine neue Bleibe für seine Einrichtung. Vor ein paar Monaten schien das Ziel zum Greifen nahe, allerdings stellte sich der Umbau der Wunschimmobilie als zu kostspielig heraus. Die Suche hat nun von vorn begonnen.

Die beiden Frauenhäuser in der Landeshauptstadt bieten 72 Plätze für Frauen und Kinder an. Die Adresse der Einrichtungen ist geheim.