AfD-Stadtrat Bernd Klingler steht im Regen. Alle anderen, im Gemeinderat vertretenen Parteien fordern seinen Rücktritt. Foto: Steegmüller Quelle: Unbekannt

Von Sebastian Steegmüller

Stuttgart - Der AfD-Stadtrat Bernd Klingler wurde Mitte Juni vom Amtsgericht Bad Cannstatt wegen Untreue zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Jetzt fürchten die Gemeinderatsmitglieder aller anderen Parteien um die Reputation des Gremiums. Sie fordern, dass der 48-Jährige sein Amt niederlegt.

„Wir distanzieren uns in aller Form von Herrn Klingler“, heißt es in einer schriftlichen Erklärung, die von der CDU über die Grünen bis zu den Stadtisten alle Gemeinderatsfraktionen beziehungsweise Gruppierungen unterzeichnet haben. Außen vor ist natürlich die Alternative für Deutschland, der sich der ehemalige FDP-Fraktionschef Klingler Anfang 2015 angeschlossen hat. Er müsse erkennen, dass er in der Ausübung seines Mandats vorsätzlich gegen Vorschriften verstoßen habe, so die Stadträte in der zweiseitigen Stellungnahme. „Durch einen Rücktritt muss er weiteren Schaden vom Gemeinderat abwenden.“

Das Amtsgericht Bad Cannstatt hat Klingler wegen Veruntreuung von Parteigeldern der Liberalen zu einer Haftstrafe von 14 Monaten auf Bewährung und zu einer Geldstrafe in Höhe von 5000 Euro verurteilt. Die Richterin sah es als erwiesen an, dass er Gelder vom Fraktionskonto der Liberalen abgezweigt und für eigene Zwecke verwendet hat. Im Jahr 2013 immerhin 23 500 Euro, die er für den Kauf eines Autos benutzt haben soll.

Da der 48-Jährige bereits am Landgericht Stuttgart Einspruch eingelegt hat, ist das Urteil nicht mehr rechtskräftig, das Verfahren schwebend. Dennoch sprechen sich die Fraktionsvorsitzenden geschlossen gegen eine weitere Zusammenarbeit mit dem AfD-Stadtrat aus: „Schaut man sich an, wie Klingler nach eigener Aussage mit Geldern seiner damaligen Fraktion, also Geldern der Steuerzahler, in Ausübung seines Mandats umgegangen ist, muss man feststellen, dass er damit vorsätzlich entgegen den Vorschriften gehandelt hat“, so die Unterzeichner. Es sei für sie nicht nachvollziehbar, dass er fünfstellige Geldbeträge vom Fraktionskonto abgehoben und zweckentfremdet habe. „Wenn ein solches Vorgehen vom Betroffenen als normal angesehen wird, so kann dem die große Mehrheit im Gemeinderat nur widersprechen. Wir erklären ausdrücklich, dass wir ein solches Verhalten für falsch und inakzeptabel halten.“ Klingler habe sein Amt missbraucht. Er müsse endlich die Konsequenz ziehen und es niederlegen.

Der Weilimdorfer denkt indes nicht daran, den anderen Parteien diesen Gefallen zu tun. „Es ist ein klares Manöver, die AfD zu schädigen.“ Das Ziel sei, der Partei den Fraktionsstatus abzutrotzen. „Mit dem nächsten Seitenhieb wollen sie, dass ich aufgebe, doch das wird ihnen nicht gelingen.“ Weil Klingler derzeit gesundheitlich angeschlagen sei, habe er sich überlegt, den Einspruch am Landgericht zurückzuziehen. „Jetzt ist mir klar, dass es durchziehen muss. Ich habe mir nichts vorzuwerfen.“

Enttäuscht sei er von zahlreichen Stadträten, die das Papier unterzeichnet haben, sich aber in Gesprächen nichts anmerken ließen. Klingler bezeichnete das Verhalten teilweise sogar als „hinterfotzig“, wenn er sich die Kurznachrichten anschaue, die er seit der Urteilsverkündung am 14. Juni erhalten habe. Er sei fassungslos. Erst am Dienstag habe er sich mit CDU-Chef Alexander Kotz noch gut unterhalten. Auch Jürgen Zeeb, der Vorsitzende der Freien Wähler, soll ihm am Montag bei einer Rundfahrt geraten haben, sich nicht unterkriegen zu lassen. Selbst ein Grünen-Stadtrat habe ihm kürzlich auf die Schulter geklopft und gesagt, dass Gras über die Sache wachsen werde. „Es tut weh, wie hinter meinem Rücken agiert wird.“ Das Verhalten der Stadträte entspreche nicht seiner Politikvorstellung. Die Stuttgarter AfD stärkte ihrem Vorsitzenden gestern den Rücken. Sie bezeichnete die Erklärung gegen Klingler als „absurd und haltlos“. Die Vorschriften, die Klingler nicht beachtet haben soll, gebe es nicht.

Im Stuttgarter Rathaus ist es übrigens ein Novum, dass sich mehrere Fraktionen gegen einen Stadtrat aussprechen. „Die Recherche der Kollegen aus der Gemeinderatsverwaltung konnte keine vergleichbare Erklärung finden“, sagte Stadtsprecher Sven Matis. Am 21. Juli werde daher Oberbürgermeister Fritz Kuhn, in seiner Funktion als Vorsitzender des Gemeinderats, den Vorgang zum Thema der nächsten Ältestenratssitzung machen.