Das Konfi-Camp als attraktives Angebot: Aus der Sicht von Hansjörg Kopp hat die Kirche die Chance, in der Konfirmationszeit noch einmal Brücken zu den Jugendlichen und ihren Eltern zu schlagen. Foto: Reusch Quelle: Unbekannt

Er selbst sagt, dass er sein Berufsleben nie geplant hat. „Ich bin immer gerufen worden.“ Zuletzt hat das die Mitgliederversammlung des Christlichen Vereins Junger Menschen (CVJM) Deutschland getan, die den Esslinger Hansjörg Kopp zum neuen Generalsekretär des Gesamtverbands mit seinen deutschlandweit 330 000 Mitgliedern gemacht hat. Im März tritt er die Stelle in Kassel an. Der 44 Jahre alte Vater von drei Kindern war sieben Jahren lang Jugendpfarrer im Kirchenbezirk Esslingen und hat sich zugleich im Auftrag der Evangelischen Landeskirche mit milieusensibler Jugendarbeit beschäftigt. Und daher mit den Fragen, wie sich die Rahmenbedingungen und damit auch die jungen Menschen selbst in den vergangenen Jahren verändert haben, welche Angebote sie brauchen und welche sie wählen. Kopp weiß: Die Antworten darauf stellen jeden Verband in der Jugendarbeit vor eine Herausforderung. Auch für die Kirche sind Jugendgruppen, Jungschar oder Freizeiten längst keine Selbstläufer mehr.

Herr Kopp, wie hat sich Jugend denn verändert?

Kopp:Sie verändert sich ständig. Untersuchungen wie die des Sinus-Instituts zeigen, dass es den Jugendlichen nicht gibt, sondern dass sich die Jugend heterogen präsentiert. Solche Studien geben wertvolle Aufschlüsse darüber, was den jungen Menschen wichtig ist, welche Werte sie haben, wie und wo sie sich engagieren. Das hilft, sie zu verstehen. Warum gibt es zum Beispiel Jugendliche, die zwar ein Jugendhaus besuchen, aber nie zu einem Verein oder in eine kirchliche Jugendgruppe gehen? Oder warum gibt es Jungen und Mädchen, die sogar in einen Jugendtreff gehen, den der CVJM oder das Evangelische Jugendwerk verantwortet, aber mit der Organisation, die dahinter steckt, meist wenig zu tun haben wollen?

Hat dieses Verhalten nicht ganz schlicht damit zu tun, dass es früher nicht so viele Angebote für Jugendliche gab und die Kirche mancherorts sogar eine Monopolstellung hatte?

Kopp: Gewiss war die Angebotsvielfalt früher vielerorts - vor allem im ländlichen Raum - kleiner. Da hatte es die Kirche scheinbar leichter. Die zunehmende Ausdifferenzierung von Lebensentwürfen und Lebensstilen unter Jugendlichen und Erwachsenen ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, das die Herausforderungen, ansprechende Angebote in der Kinder- und Jugendarbeit zu machen, vergrößert.

Welche Rolle spielen bildungspolitische Entscheidungen etwa für die Ganztagsschule oder für das auf acht Jahre verkürzte Gymnasium?

Kopp:Im Gymnasialbereich bemerken wir eine sehr große Veränderung. Weniger bedingt durch die Tatsache, dass die Jugendlichen mehr Zeit in der Schule verbringen. Sondern eher durch das G8, mit dem den Schülern ein Jahr in der Entwicklungsphase gestohlen wurde. Das stellt jeder Anbieter in der Jugendarbeit fest. Das merken aber auch die Industrie und die Wirtschaft.

Der Kirche war ihr eigener Nachwuchs ja jahrelang gewissermaßen in die Wiege gelegt. Ein breiteres Angebot für die Jugendlichen heißt jetzt aber auch mehr Konkurrenz unter den Anbietern . . .

Kopp: Die kirchliche Jugendarbeit steht nicht nur vor der Herausforderung, sich gegen mehr Konkurrenz behaupten zu müssen. Wenn wir die Bevölkerungsstruktur der Null- bis 30-Jährigen in Esslingen anschauen, sind mittlerweile weniger als 50 Prozent konfessionell gebunden, ihre Zahl wächst deutlich an. Dazuhin wird diese Altersgruppe aufgrund der demografischen Entwicklung auch immer noch kleiner. Es gibt also immer weniger Jugendliche, die aus immer mehr Angeboten auswählen können. Zudem nehmen wir eine deutliche Entfremdung der Menschen von der Kirche wahr - auch bereits bei den Eltern. Sie schicken ihre Kinder nicht mehr automatisch in die Jungschar, auf eine kirchliche Freizeit oder in den Kindergottesdienst. Wir müssten die Jugendarbeit eigentlich hin zur Elternarbeit entwickeln. Wir müssten zuerst die Eltern davon überzeugen, dass das, was man bei uns lernen kann, immer noch überragend gut ist.

Was hat die Kirche denn für Chancen, an eine Elterngeneration heranzukommen, die die Pfarrergeneration vor Ihnen schon nicht erreicht hat?

Kopp: Wir müssen das im Schaufenster auslegen, was das Besondere an christlicher Jugendarbeit ist - wie zum Beispiel Verantwortung zu übernehmen, Gemeinschaft zu erfahren, einen leistungsfreien Raum zu erleben. Und dann ist das natürlich eine Frage von Beziehung und Kontakt. Persönliche Beziehungen sind nach wie vor der Schlüssel in der Jugendarbeit. Konfirmationen sind zum Beispiel immer noch gesellschaftlich sehr anerkannt. Das ist eine Möglichkeit, das Feld der Elternarbeit noch einmal neu zu entdecken. Aber das ist schon ein sehr später Zeitpunkt, deshalb - aber nicht nur deshalb - ist auch die Arbeit in unseren Kindergärten wichtig. Es gibt in der Regel zwei Wege, wie Kirche Jugendliche binden kann. Der eine führt über die Elternhäuser, die darauf noch Wert legen. Der andere über die Kinder und Jugendlichen selbst, die schon in jungem Alter auf kirchliche Gruppen und Angebote gestoßen und einfach - später dann auch als Mitarbeiter - dabeigeblieben sind.

Im Vergleich zu den anderen Anbietern auf dem Markt hat die Kirche bei vielen Jugendlichen kein sehr cooles Image. Was hat sie ihnen denn zu bieten?

Kopp: Ich will zunächst einmal generell für die Jugendarbeit aller Anbieter werben: Wenn wir Kinder und Jugendliche ganzheitlich in ihrer Entwicklung fördern wollen, dann braucht es in einer sehr leistungsorientierten Gesellschaft leistungsfreie Angebote. Viele Biografien von Kindern und Jugendlichen sind von den Eltern absolut durchgestylt. Da braucht es geschützte Räume, in denen die Betroffenen erfahren, dass es nicht auf ihre Leistung ankommt. Das ist die Stärke außerschulischer Jugendbildung. Und was die kirchliche Jugendarbeit anbelangt, so bringt sie in der Identitätsbildung ein unfassbar gutes Potenzial mit sich. Wir bringen Werte mit, die sich nicht an Leistung orientieren, weil wir mit einem Gott rechnen, der uns mit einem liebevollen Blick begegnet. Das gibt mir persönlich in meinem Leben eine Dimension, die mir alles andere nicht geben kann.

Wie missionarisch ist denn die Jugendarbeit im CVJM Deutschland?

Kopp: Die ist sehr vielfältig. Der CVJM hat einen missionarischen Grundauftrag - im Sinne von: Kinder und Jugendliche zu einem Leben im Vertrauen auf Jesus Christus zu ermutigen. Seit der Gründung vor fast 175 Jahren gibt es sehr unterschiedliche Entwicklungen in den einzelnen Ortsvereinen, das hängt stark von den dort handelnden Personen ab. Entscheidend ist aber doch meine Herzenshaltung. Die CVJM-Bewegung zeichnet eine missionarische Grundhaltung aus, die andere einlädt und nichts überstülpt. Wenn es dem CVJM gelingt, ein klares christliches Profil zu haben, mit dem man für sein Gegenüber auch greifbar ist, es dem anderen aber nicht aufzuzwingen, wäre man in herausragender Weise missionarisch.

Was ist Ihnen persönlich wichtiger im CVJM: Das „C“ oder das „J“?

Kopp: Das eine geht nicht ohne das andere. Das „J“ ist mir wichtig, weil der CVJM ein christlicher Verein junger Menschen ist - das ist sein Gründungsauftrag. Das „C“ ist die Wurzel, aus der wir kommen. Wenn wir die nicht hätten, würde uns nichts unterscheiden von anderen Jugendverbänden, die auch sehr gute Arbeit machen.

Das Interview führte Claudia Bitzer.

zUR pERSON

Vor Esslingen: Hansjörg Kopp ist am 18. September 1972 in Heidenheim geboren. Nach seinen ersten Erfahrungen in der Jungschar beim CVJM ist er als Teilnehmer und Mitarbeiter der christlichen Kinder- und Jugendarbeit immer verbunden geblieben. Nach dem Theologie-Studium in Tübingen und Marburg und dem Vikariat in Laichingen hatte er zuerst eine Springerstelle im Ulmer Dekanat, dann war er Pfarrer in einer Ulmer Kirchengemeinde.

In Esslingen:Die vergangenen sieben Jahre war Kopp als Jugendpfarrer im Evangelischen Kirchenbezirk Esslingen Netzwerker und Lobbyist für die Jugendarbeit. Zugleich bekleidete er eine Sonderpfarrstelle der Württembergischen Landeskirche mit dem Schwerpunkt milieusensible Jugendarbeit. Kopp, der sich auch als Coach und systemischer Berater ausbilden ließ, förderte im Kirchenbezirk die Zusammenarbeit der einzelnen kirchlichen Anbieter in der Jugendarbeit sowie die Verknüpfung von Konfirmanden- und Jugendarbeit. Zudem entwickelte er eine Gottesdienstform speziell für Jugendliche und saß in den kirchlichen sowie politischen Gremien in Stadt und Kreis. An diesem Sonntag wird er ab 18 Uhr in der Esslinger Johanneskirche mit Gottesdienst und Stehempfang verabschiedet.

Nach Esslingen: Weil Hansjörg Kopp im März seine Stelle als Generalsekretär des CVJM Deutschland antritt, wird er mit seiner Frau Ann-Kathrin und den Kindern Emma (11), Peter (9) und Anna (6) nach Kassel ziehen. Dort steht er dann dem größten christlichen Jugendverband Deutschlands mit 13 Mitgliedsverbänden vor. Durch sein Profil werde er dem CVJM Deutschland ein Gesicht geben und ihn deutschlandweit in Kirche, Politik und Gesellschaft vertreten, heißt es in einer Mitteilung des Verbands. Zudem leite er die inhaltliche Arbeit des CVJM in Deutschland im Kontext der weltweiten YMCA-Gemeinschaft.