Die Stimme von Matthias Holtmann ist bekannt im Ländle. Unzählige Menschen haben ihn im Radio beim SDR und beim heutigen SWR gehört. Er hat „Pop & Poesie“ ins Leben gerufen und geht jetzt mit der Matthias Holtmann Show auf Tour, die ihn unter anderem nach Ludwigsburg, Stuttgart, Göppingen, Kornwestheim und Gerlingen führt.

Was bedeutet für Sie Musik?

Matthias Holtmann: Lebenselixier, Entspannung. Sie ist ein Tropf, wenn man mich abhängt, sterbe ich. Wenn ich die Alternative hätte zwischen blind und taub, würde ich blind nehmen, damit ich noch hören kann.

War Musik schon immer wichtig?

Holtmann: Ja, ich habe immer schon in muskalischen Kategorien gedacht. Ich habe durch die unglaubliche Plattensammlung meines Vaters alle Musikrichtungen kennengelernt. Es gibt für mich nicht E- oder U-Musik, Sparten oder Schubladen, sondern nur gute oder schlechte Musik. Es gibt Musik, die mich kickt und die mich nicht kickt. Mozart, Bach, Haydn, Beethoven, Chopin kicken mich. Ebenso Künstler wie George Gershwin, Robbie Williams oder Madonna. Da gibt es für mich keine Unterschiede.

Gab es weitere Einflüsse?

Holtmann: Mein Vater war Kulturbürgermeister von Recklinghausen und Mitbegründer der Ruhr-Festspiele. Ich bin daher früh mit Kulturbildung in Berührung gekommen, durch Theater, Ausstellungen, Bildende Kunst und immer Musik und Literatur. Das ist in meinen Genen und früheste Erziehung, vorbildhaft durch meinen Vater und meine Mutter kultiviert worden. Davon profitiere ich noch heute.

Sie waren auf einer Privatschule. Hatte das auch Auswirkungen?

Holtmann: Ich war in einem Internat englischer Ausprägung, wegen meiner katastrophalen schulischen Leistungen und pubertierenden Ausprägungen. Ich hätte heute kein Abitur, wenn ich nicht ins Internat gekommen wäre, was mir sehr gut getan hat. Es hat mein Chaos in gewisse Bahnen gelenkt. Ich war von 1965 bis 1970 Schüler auf Schloss Heessen, mit Schulkleidung, abgeschottet von der Außenwelt. Die Studienrevolte der 60er Jahre bekam ich nur durchs Fernsehen mit. Eine heile Welt in einer englisch gedachten Internatsumgebung. Das war prägend in vielerlei Hinsicht.

Sie haben damals schon Radio gemacht. War das immer Ihr Ding?

Holtmann: Ich habe als Kind schon viel Radio gehört. Radio hat mich immer schon fasziniert, weil es Kino im Kopf freisetzt. Das gesprochene Wort im Radio ist viel intensiver als im Fernsehen.

Wie kam es zur Idee von „Pop & Poesie“?

Holtmann: Das gibt es als Radioformat schon sehr lange. Seit den 80er Jahren. Es hat unter verschiedenen Namen firmiert. Meine damalige Frau Simone Holtmann sagte, ‘Bring das doch auf die Bühne‘. Es gab damals bei SWR 3 „Lyrics“, wo zwei Schauspieler die Texte zelebrieren, und dann die Platte gespielt wird. Das war mir emotionsmäßig zu wenig. Deswegen sind wir mit Schauspielern und kompletter Musiktruppe, zehn Mann stark, auf der Bühne und spielen die Stücke nach. Es ist deswegen einzigartig, weil es kein anderer macht. Die Idee ist einfach: Die Stücke, schon tausend Mal gehört, wurden textmäßig vernachlässigt. Man hat gar nicht auf die Texte geachtet. Wenn man die Stücke vom Text her nahegebracht, erklärt, erzählt oder vorgespielt bekommt, was in den Stücken inhaltlich vor sich geht, was in den Geschichten passiert, und hört dann das Stück, trifft es einen ganz anders zwischen die Augen. Wir machen eine Mischung aus Musik, Theater und Comedy. Die Veranstaltungen sind innerhalb Stunden ausverkauft.

Haben Sie diesen Erfolg erwartet?

Holtmann: Ich habe gewusst, dass es funktioniert. Dass es aber so durch die Decke geht, damit habe ich nicht gerechnet. Wir haben vor 50 Zuschauern angefangen, spielen mittlerweile in 5000er, 6000er Hallen. Das ist ein mittelgroßes Popkonzert. Das ist auch vom Equipment eine richtig fette Produktion geworden.

Es funktioniert auch bei eigentlich unspielbaren Stücken wie „Bohemian Rhapsody“ von Queen.

Holtmann: Das liegt am musikalischen Leiter Peter Grabinger, der die Arrangements schreibt, und den tollen Jungs und Mädels in der Band. Das ist weit mehr als eine Coverband. Wir wagen uns an Stücke heran, die normalerweise keiner spielt.

Kann jeder Vorschläge machen? Wer entscheidet letztlich, was gespielt wird?

Holtmann: Vorschläge machen alle. Die letzte Entscheidung liegt aber bei mir, weil ich für den SWR als Gesamtleiter die Verantwortung trage.

Was erwartet den Besucher bei der Matthias Holtmann Show?

Holtmann: Eine Comedyshow, mit Slapstick, Interaktionen, Stand-up-Comedy, Parodie, Musik, Quiz - alles, was ich in einer Sendung wie „Guten Abend Baden-Württemberg“ im Radio mache. Das bringen wir jetzt auf die Bühne als 90-Minuten-Repertoire, das beim Test vor der Bereitschaftspolizei Göppingen sehr gut ankam.

Gibt es Platz für Improvisation?

Holtmann: Ja. Es hat ein festes Drehbuch, ein Gerüst, aber es gibt auch Stellen, wo man was machen, aufs Publikum eingehen kann.

Die Tour führt in die ganze Region?

Holtmann: Es sind zehn Gigs bis Dezember, im nächsten Jahr machen wir weiter. Ich werde es immer aktualisieren. Es ist kein politisches Kabarett, aber ein Unterhaltungsformat. Die Matthias Holtmann Show ist politisch unkorrekt. Man darf sich aber nicht auf die Kosten anderer lustig machen. Das habe ich im Radio immer vermieden, bei aller Frechheit und Anarchie.

Was kann man von Matthias Holtmann noch erwarten?

Holtmann: Ich bin nicht der Pensionärtyp, der im Garten die Rosen schneidet und sonst nichts mehr macht. Die Arbeit hat mich immer am Leben gehalten. Ich habe auch immer gerne auf der Bühne gearbeitet. Radio machen ist das eine, die Bühne das andere. Man sieht die Reaktion der Leute, ist Auge in Auge mit dem Publikum. Deshalb habe ich die Matthias Holtmann Show geschrieben. Reüssieren oder abschiffen - das ist nimmer der Kick. Ich schreibe an zwei Büchern, eines heißt „Als der Süden wild wurde“, es geht um die Geschichte des Wilden Südens. Das andere schreibe ich mit einem Freund, der genauso autoverrückt ist wie ich. Wir beide sind gesundheitlich angeschlagen. Das Buch heißt „Hirntod - aber mit Herz dabei“.

Die Fragen stellte Edgar Rehberger.

Info

(red) - Er ist die „Kultstimme des Wilden Südens“. Unzählige Radiohörer hat Matthias Holtmann als Moderator durchs Leben begleitet. Was man aus dem Radio kennt, gibt es jetzt live on stage. Die Matthias Holtmann Show ist eine Melange aus Stand-up-Comedy, Punchlines, Musik aller Spielarten, Parodien und Quiz-Spielchen. Und Holtmann lässt es sich auch nicht nehmen, Kostproben seines zweifelhaften Gesangstalents abzugeben. „Dieter Bohlen hat mal zu mir gesagt, von allen Leuten, die nicht singen können, sei ich der Beste.“

Begleitet wird der Radiomoderator von vier Musikern, die alle großes Renommee in der Musikwelt genießen: Patrick Schwefel (Gitarre & Gesang), Andreas Franzmann (Drums, Percussions, Gitarre & Gesang), Winfried Magg (Bass, Gesang) und Peter Grabinger (Piano & Keyboard).

Mattias Holtmann, geboren am 23. Mai 1950 in Kamen/Westfalen, absolvierte 1970 das Abitur, studierte an der Musikhochschule Köln, war Schlagzeuger der Rockband Triumvirat und heuerte 1979 als Musikredakteur beim damaligen SDR an. Er war Programmchef beim SDR3, später Musikchef beim Nachfolgesender SWR3. Er initiierte die Kult-Kampagne „Radio für den Wilden Süden“ und entwickelte Radio- als auch Fernsehformate. 2005 wechselte Holtmann zu SWR1. Außerdem ist Matthias Holtmann Erfinder und Regisseur von „Pop & Poesie in Concert“, der erfolgreichsten Off-Air-Show des SWR. Darüber hinaus war Holtmann als Testpilot bei Porsche, Motorjournalist sowie Autor aktiv. Im Jahr 2014 erschienen seine autobiografischen Erzählungen „Porsche, Pop & Parkinson“.