Unternehmen im Südwesten halten sich mit Investitionen zurück. Hier ein Arbeiter im MTU-Werk Friedrichshafen. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Sabrina Erben

Stuttgart - Der Südwesten gehört zu den wirtschaftsstärksten Regionen in Deutschland. Baden-Württemberg wird dieses Jahr aber von einer schwachen Nachfrage aus dem Ausland gebremst. „Zudem belastet die Diskussion um einen möglichen Brexit die heimische Wirtschaft“, sagte Hans-Eberhard Koch, Präsident des Landesverbands der Baden-Württembergischen Industrie (LVI), gestern in Stuttgart.

Die Wirtschaft werde in Baden-Württemberg in diesem Jahr noch um 1,6 Prozent wachsen - das ist Bundesdurchschnitt. Im Vergleich: 2015 waren es im Südwesten 3,1 Prozent. Diese Entwicklung hat Koch zufolge einen plausiblen Grund: „Baden-Württemberg ist stark vom Weltmarkt abhängig.“ Es fehle an Impulsen aus dem Ausland. Die allgemeine Abkühlung der Weltkonjunktur und die Wachstumsschwäche wichtiger Schwellenländer wie Brasilien oder Russland hätten Auswirkungen auf die Nachfrage nach Industrieprodukten. „Kürzlich veröffentlichte Zahlen zu Umsatzentwicklung und Auftragseingängen in der Industrie machen deutlich, dass die kraftlose Weltkonjunktur gerade die exportstarken Unternehmen im Land trifft“, sagte Koch. Dagegen stünden weiterhin als tragende Säule der private Konsum und verschiedene staatliche Ausgaben, die positive Impulse auslösen.

Der mögliche Brexit habe jetzt schon Auswirkungen auf die Unternehmen in Baden-Württemberg: Es wird nur sehr verhalten investiert. „Die Angst vor einem Brexit lähmt die Investitionsausgaben“ erklärte Koch. Bleiben die Briten in der EU, werden auch die Investitionen wieder ansteigen. „Ein Austritt Großbritanniens aus der EU würde aber auch die heimische Industrie deutlich spüren.“ Laut Statistischem Bundesamt wurden im vergangenen Jahr Waren im Wert von über zwölf Milliarden Euro aus Baden-Württemberg nach Großbritannien exportiert.

„Herber Rückschlag“

Auch andere Verbände im Südwesten äußerten sich gestern beunruhigt ob des anstehenden Referendums in Großbritannien. Aufgrund der engen Verflechtungen von international tätigen Firmen wäre der Brexit „ein herber Rückschlag für die prosperierenden gegenseitigen Handelsbeziehungen“, sagte der Präsident von Baden-Württembergs Industrie- und Handelskammertag, Peter Kulitz. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau befürchtet Einschränkungen besonders für 60 Südwest-Unternehmen, die in Großbritannien Töchterfirmen haben. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagte, dass Großbritannien innerhalb der EU der drittgrößte Exportmarkt für Südwest-Unternehmen sei. Diese Exporterfolge würden durch ein Ausscheiden der Briten gefährdet. Er warnte vor „erheblichen negativen Konsequenzen“.

Unerlässlich für eine prosperierende Industrie ist dem LVI zufolge ein auf Innovationen ausgerichtetes Klima. Die grün-schwarze Landesregierung sollte sich nach Ansicht des Verbands für Steuererleichterungen einsetzen. Bisher ist es nicht möglich, Forschung- und Entwicklungsausgaben steuerlich anzurechnen. „Das würde aber einen Innovationsschub bringen“, sagte Verbandspräsident Koch. Als Vorbild nennt er die Schweiz. Er schlägt eine Bundesratsinitiative des Landes vor. Bisher geben Südwest-Firmen dem LVI zufolge etwa fünf Prozent ihres Umsatzes für die Forschung und Entwicklung von Produkten aus. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 2,5 Prozent. „Die Dynamik lässt aber nach“, sagte Koch.

Die bisherige Arbeit der grün-schwarzen Landesregierung bewertetet der LVI positiv. Auch beim wichtigen Thema Digitalisierung gebe es gute Ansätze, vor allem was den Ausbau der Breitbandinfrastruktur betreffe. „Für eine inhaltliche Bewertung ist es aber noch zu früh“, erklärte Koch.