Quelle: Unbekannt

Von Thomas Krazeisen

Stuttgart - Die Jazzopen sind - nomen est omen - offen nach so ziemlich allen Seiten hin und ihrem Selbstverständnis nach eine Art Brückenbauer. Das gilt natürlich in erster Linie künstlerisch für das Stuttgarter Festival, das in diesem Sommer zum 24. Mal an den Start geht und wieder Stars der internationalen Jazz-, Blues-, Soul- und Pop-Szene nach Stuttgart bringt - und für zwei Gastspiele auch nach Ludwigsburg. Mit Ausnahme eines Konzerts, das in den nächsten Tagen in trockene Tücher gebracht werden soll, steht das Programm für die zehn Festivaltage vom 7. bis zum 16. Juli.

Die Gästeliste ist erlesen: Quincy Jones, Bob Geldof, Jamie Cullum und Herbie Hancock finden sich ebenso darauf wie Norah Jones und nicht zuletzt Wayne Shorter. Bei den mehr als 30 Konzerten wollen die Veranstalter das Rekordergebnis des vergangenen Jahres mit 36 000 Besuchern und einer Platz-auslastung von 97 Prozent noch übertreffen. In diesem Sommer erwartet die veranstaltende Opus GmbH bis zu 40 000 Besucher, wie Festivalpromoter Jürgen Schlensog bei der Präsentation des neuen Programms erklärte.

Neue Premiumsponsoren

Die programmatische Öffnung betrifft freilich nicht nur die musikalischen Genres. Das internationale Jazz-Festival, das heute neben Montreux, Vienne und Rotterdam zu den bedeutendsten seiner Art in Europa zählt, hat sich zuletzt auch finanziell und räumlich zumindest in Teilen neu erfinden müssen. So steht nach dem Rückzug des Premiumsponsors Mercedes-Benz die gleichnamige Arena am Museum des Autobauers seit 2016 nicht mehr zur Verfügung. An Daimlers Stelle ist die bayerische Konkurrenz aus München gerückt. Die leistet großzügige finanzielle Unterstützung, kann aber natürlich keine adäquate Open-Air-Bühne nach Stuttgart bringen.

Aus seiner Enttäuschung nicht zuletzt über die nachträgliche Kommentierung einer eigentlich sehr erfolgreichen Kooperation auf der automobilen Kulturbühne seitens des Konzerns machte Opus-Geschäftsführer Schlensog keinen Hehl. Auf der anderen Seite konnte er mit Mastercard das Engagement eines weiteren Premiumsponsors bekanntgeben. Wie wichtig die Mittel der Partner aus der Privatwirtschaft sind, zeigt der Umstand, dass rund 30 Prozent des sich auf rund vier Millionen Euro belaufenden Festival-Etats durch Sponsorengelder finanziert werden.

Was die Bühnensituation anbelangt, sieht es in diesem Festivalsommer wieder erfreulich aus. Die Jazzopen sind nicht nur - wie gehabt an fünf Tagen - im Herzen der City auf dem Stuttgarter Schlossplatz zu Gast. Sie werden erstmals auch den Innenhof des benachbarten Alten Schlosses bespielen. Mit dem einst aus einer mittelalterlichen Wasserburg entstandenen prächtigen Renaissancebau steht ein urbanes Juwel zur Verfügung, das an vier Abenden auch musikalisch funkeln dürfte.

Weitere Aufführungsorte der Jazzopen sind in Stuttgart die Liederhalle, das BIX und die Domkirche St. Eberhard. Dort tritt am 13. Juli der US-Jazzpianist Jason Moran auf: Der Abend steht unter dem Titel „I had a dream“ und bietet Musik und Lesungen zum Thema Toleranz und Mitmenschlichkeit - hier schlägt sozusagen das programmatische Herz der Jazzopen als Brückenbauer nicht nur zur Popularmusik, sondern ganz unmittelbar in Wort und Ton.

Herzstück des Festivals ist und bleibt freilich der Ehrenhof des Neuen Schlosses. Diesmal bestreitet Entertainer Jamie Cullum nicht das Finale, sondern den Auftakt der „Big Five“-Freilichtkonzerte - und zwar in einer äußerst reizvollen Begegnung mit der achtfachen Grammy-Preisträgerin Norah Jones, die am 12. Juli ihr Jazzopen-Debüt geben wird. Tags darauf gibt sich Jan Delay mit Band die Ehre, als Special Guest mit von der Partie ist unter anderem Samy Deluxe. Der 14. Juli steht im Zeichen des Blues und Rock mit dem mehrfachen Grammy-Gewinner Buddy Guy, Multi-Instrumentalist Steve Winwood und Sängerin Beth Hart - die Drei standen noch nie gemeinsam auf einer Bühne.

Einen lange gehegten und beharrlich verfolgten Traum konnte sich Schlensog mit der Verpflichtung von Quincy Jones erfüllen. Beim Schlossplatz-Finale tritt die US-amerikanische Musiklegende gemeinsam mit dem grammy-dekorierten Jazz-Gitarristen George Benson, Sängerin Dee Dee Bridgewater (beide waren schon einmal bei den Jazzopen zu Gast) sowie dem von Jones entdeckten britischen Multiinstrumentalisten-Jungstar Jacob Collier auf. Für Qualität und Quantität sorgen zudem die Klangkörper des Abends: Es spielen die SWR Big Band und das Kammerorchester Stuttgart in der Leitung des Londoner Dirigenten und Arrangeurs Jules Buckley.

Preisgekrönte Stars und Newcomer

Eine kleine „Perle“, so Schlensog, habe man in Ludwigsburg mit dem Scala zur Verfügung. In dem Saal mit ausgezeichneter Akustik, der für 500 bis 800 Besucher Platz bietet, werden zwei Konzerte stattfinden (am 11. Juli mit Soul-Interpret Michael Kiwanuka und am 12. Juli mit Pianist Chilly Gonzales).

Auch in diesem Jahr sind neben preisgekrönten Stars wieder vielversprechende Newcomer am Start. Kinga Glyk zum Beispiel. Die 19-jährige Bass-Virtuosin, die im Internet mit mehr als 22 Millionen Klicks bereits höchste Aufmerksamkeit genießt, tritt am 12. Juli im BIX, dem kleinen, aber feinen Zimmer der Jazzopen, auf. Neben dem Shootingstar aus Polen gastieren dort neben anderen die belgische Sängerin Sarah Ferri (8. Juli), der charismatische Soulsänger Ola Onabulé (11. Juli) und der Kanadier Mark Berube (13. Juli), der in seiner Heimat als Nachfolger von Leonard Cohen gilt und erstmals nach Stuttgart kommt.

Auf der neuen Bühne im Alten Schloss ist am 11. Juli mit Kamasi Washington ein weiterer faszinierender Künstler angesagt. Mit seinem 2015 veröffentlichten Debütalbum „The Epic“ verzückte der US-Musiker Fachleute wie Fans gleichermaßen. Zwei Tage vorher tritt im prachtvollen Arkadenhof die irische Rock-Ikone Bob Geldof auf, am 10. Juli kann man an gleicher Stelle Jazz-Altmeister Herbie Hancock aus eher seltener Nähe erleben.

Der Festivalauftakt findet wie gehabt im Eventcenter SpardaWelt am Stuttgarter Hauptbahnhof statt, wo am 7. Juli die German Jazz Trophy 2017 an den Pianisten und Komponisten Abdullah Ibrahim überreicht wird. Der 1934 in Kapstadt geborene Musiker, der heute in Bayern am Chiemsee lebt, ist in seiner südafrikanischen Heimat zu einer Ikone des Widerstands gegen die Apartheid geworden. Auch bei der Amtseinführung von Nelson Mandela im Jahr 1994 trat der Pianist auf, der beim Jazzopen-Preisträgerkonzert solo am Klavier zu hören sein wird.

Am 11. Juli wird in der SpardaWelt dann gewissermaßen Jazzgeschichte geschrieben - genauer gesagt: nachgezeichnet. Beim „Story of Jazz“-Projekt werden unter anderem Steve Turre, Vincent Herring und James Carter in einer eineinhalbstündigen Multimedia-Performance Highlights aus 100 Jahren Jazz sicht- und hörbar machen.

Tickets für sämtliche Veranstaltungen gibt es ab sofort im Vorverkauf unter www.jazzopen.com.