Das Spiel mit der Silhouette: Neun Darsteller formen auf farbigem Hintergrund eindrucksvolle Bilder: Von der Harley Davidson bis zum Eiffelturm. Fotos: Beowulf Sheehan Quelle: Unbekannt

Von Angela Reinhardt

Stuttgart - Nicht erst die amerikanische Tanzkompanie Pilobolus hat das kindliche Spiel des Schattenwerfens mit den Händen zur großen Kunst erhoben - das traditionelle chinesische Schattentheater etwa zählt zum Weltkulturerbe. Bereits vor fünf Jahren hatte Pilobolus mit „Shadowland“ im Theaterhaus gastiert, damals erzählten sie die märchen- und lehrhafte, surreale Geschichte einer Außenseiterin mit Hundekopf. Im zweiten Teil nun driftet die märchenhafte Reise mit Ausflügen zu Science Fiction und Gangsterstory doch arg in den Comic-Strip ab.

Im neuen „retrofuturistischen Setting“, wie uns das Programmheft aufklärt, ist der Held ist ein freches kleines Straußenkind, das aus zwei Menschenbeinen, einem runden Federpüschel und einem langen Hals samt munter pickendem Schnabel besteht. Eine mechanisierte Roboterwelt will den Exoten in einer Kiste wegsperren, während unter den geknechteten Fabrikarbeitern eine zarte Romanze aufblüht. Das rebellische Liebespaar träumt in ausführlichen Schattenbildern von einer Weltreise (der Eiffelturm aus Körpern!) und einem glücklichen Eheleben in Öko-Land, sieht sich aber bald mit der fiesen Realität kastenartiger Roboter und ihres strengen Aufsehers konfrontiert. Der wiederum träumt von der Gangsterkarriere im Nachtclub, bis dann das Liebespaar das Vögelchen rettet, durch das High-Tech-Gebäude flieht, in eine Rakete steigt und auf einem anderen Planeten landet.

Hatte sich der erste Teil von „Shadowland“ noch lose an der skurrilen Vorlage „Alice im Wunderland“ orientiert, so hebt das Narrativ hier völlig losgelöst ins Knallbunte ab - statt um eine märchenhafte Fantasie oder gar eine Moral geht es eher darum, möglichst viele Gelegenheiten zu effektvollen Schattenbildern zu generieren.

Erstaunliche Formen

Die lassen sich dann erstaunlich oft von Filmvorlagen inspirieren: vom amerikanischen Jazz- oder Gangsterfilm, an der romantischen Komödie oder am Weltraumabenteuer, in einer Szene mit überdimensionalen Händen am Horrorfilm. Was die Schattentänzer auf dem Weg zum Happy End aus ihren Körpern oder Händen formen, ist wahrhaft erstaunlich - eine Rakete, eine Harley Davidson, Big Ben, Parkbänke oder groteske Pilzköpfe, die Koloraturen singen.

Anders als im ersten Teil gibt es hier häufiger Scherenschnitte als Requisiten, die sehr gewandt im Einsatz sind. Noch virtuoser wird mit der Perspektive zwischen großen und kleinen Figuren gespielt, die näher oder weiter von der Lichtquelle entfernt stehen. Manchmal lassen die Pilobolus-Macher hinter ihre Leinwände blinzeln, um einen Blick auf das Herstellen der Schattenbilder erhaschen - aber nie zu lange, um die Magie nicht zu zerstören. Obwohl die Truppe, wenn sie mit „Shadowland“ unterwegs ist, inzwischen nur noch Pilobolus heißt (im Gegensatz zum tatsächlich tanzenden Pilobolus Dance Theater), wagen die neun kompakten, durchtrainierten Darsteller vor der Leinwand auch immer wieder Ausflüge ins „unschattierte“ Bewegungstheater, wo man sie dann in ihren Trikots als Arbeiter oder Urwald-Stamm sieht.

Konzipiert wurde die Show vom gleichen Team wie die erste, der Comedian und Fernsehautor Steven Banks schrieb das Buch, David Poe die nette, gerne mal in Rumba- und Samba-Rhythmen ausbrechende Begleitmusik, die Schattenbilder und ihre Choreografie stammen von Renée Jaworski und Matt Kent. Selbst wenn die 75 Minuten mitunter etwas lang werden und manchmal in den Kitsch abdriften: Der fünfminütige Nachklapp mit seiner liebenswerten Stuttgart-Hommage und mit dem originellen Blitzdurchlauf durch die Pilobolus-Erfolgsschattenbilder macht am Ende alles wieder gut.

Täglich bis Sonntag im Theaterhaus. www.theaterhaus.com