Von Dietholf Zerweck

Stuttgart - „Metamorphosen“ versprach der österreichische Posaunist, Komponist und Dirigent Christian Muthspiel, der ebenso in der Klassik wie im Jazz zuhause ist, dem Publikum im Stuttgarter Theaterhaus mit seinem neuen Cello-Konzert. Gautier Capuçon war der renommierte Solist in der Uraufführung mit dem vom Komponisten geleiteten Stuttgarter Kammerorchester. Die Metamorphosen im sechssätzigen Werk mit dem Titel „A Serious Game“ gelten dem spielerisch-ernsten Bezug zu Johann Sebastian Bachs erster Cello-Suite, mit welcher der Komponist schon jahrzehntelang vertraut ist - beim Üben auf seiner Posaune. Nun hat er „die Energien und den Rhythmus“ dieser Solosuite in das Zusammenspiel zwischen Cello und Kammerorchester einzubringen versucht: Herausgekommen ist ein virtuoses, doch etwas disparates Stück, welches seine Reize mehr aus den wechselnden Klangfarben als aus einem inneren Bezug zu den Charakteren der Suite ableitet.

Zitierte Schrammelmusik

Das G-D-H-Intervall des Prélude bildet den Rahmen des ganzen Konzerts, am Anfang von Capuçon angestimmt wie aus der Erinnerung geholt, am Ende als klingendes Saiten-Arpeggio verhallend. Doch dazwischen arbeitet sich der Solist heftig am Material ab, meist durch Fragmentarisierung und Verwandlung einzelner melodischer Floskeln. Schade, dass es dabei nur selten zu größeren Spannungsbögen kommt. In den langsamen Sätzen Allemande und Sarabande treten im Orchester Bassklarinette, Flöte, Horn und Posaune mit impressionistischen Farben hervor, in den schnelleren Sätzen schlägt eine Harfe mit Pizzikati rhythmisch den Takt, in den Streichern zitiert Muthspiel Schrammelmusik und Alban Berg, das turbulente Finale bringt einen polytonalen Kehraus. Für seine Zugabe hatte sich Capuçon den „Sterbenden Schwan“ von Camille Saint-Saëns ausgewählt: Genussvoll kostete er mit seinem Goffriler-Cello die Kantilenen aus.

Expressive Wucht

In Benjamin Brittens Präludium und Fuge für 18 Solo-Streicher von 1943 - ebenfalls eine Bach-Reflexion - erzeugte Dirigent Muthspiel mit dem Kammerorchester expressive Wucht. Vivaldis a-Moll-Cellokonzert bildete dann das original-barocke Gegenmodell zu Muthspiels Werk: einfach und zielstrebig im musikalischen Fluss, von Capuçon ohne Vibrato musikantisch phrasiert, vom Orchester aber nur wenig transparent begleitet.

Wesentlich filigraner und artikulationsfreudiger klang Arcangelo Corellis zweites Concerto grosso mit den vorzüglichen Solisten Frank Stadler und Klaus von Niswandt (Violinen) sowie György Bognár (Cello). Interessant wirkte danach Michael Tippetts „Fantasia Concertante“ von 1953 über ein Adagio und Vivace aus jenem Concerto grosso. Die anfängliche Übermalung des Corelli-Themas wuchs und vertiefte sich zu feierlich pathetischem Ausdruck und wurde genauso engagiert musiziert wie Strawinskys Concerto in D: Auch dies eine Reverenz vor barocken Modellen, besonders vor Bachs Brandenburgischen Konzerten.