Sarah Maria Sun Foto: Schestag Quelle: Unbekannt

Von Verena Großkreutz

Stuttgart - Als versprühe da jemand Veilchenparfum auf der Bühne: Geigengesäusel, Glöckchenklingklang, Harfenkaskaden kriechen in die Gehörgänge - und die Sopranistin Sarah Maria Sun singt eine Mischung aus Verdi-Arie, Filmmusik und Edith Piaf. Und weil sie auf Französisch trällert, sitzt in der Mitte des SWR Symphonieorchesters ein Akkordeon. Johannes Schöllhorn hat sich für sein Werk „,va’ d’après Massenet - Expressions lyriques“, das im Abschlusskonzert des Neue-Musik-Festivals Eclat im Stuttgarter Theaterhaus mit zwei anderen neuen Werken uraufgeführt wurde, eine Klavierlieder-Sammlung vorgenommen, die der französische Komponist Jules Massenet in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts geschrieben hat. Schöllhorn hat in seiner Bearbeitung und Überschreibung dieser „Expressions lyriques“ das Klavier zum Orchester aufgebläht, die Partitur an mancher Stelle verändert und etwas dazukomponiert. Auch wenn man nicht wie an diesem Abend einem Avantgarde-Festival beiwohnte, kämen einem diese sieben musikalischen Sahneschnittchen vergleichsweise antiquiert vor.

Massenet mixte in seinen „Expressions lyriques“ Melodramatik, also expressives Sprechen über musikalischer Grundierung, mit „normalem“ Gesang. Bei Schöllhorn wird das Pathos, das solchem Melodrama innewohnt, durch Streicherschmelz noch aufgeputscht. Und die fette Orchestrierung samt romantischer Horn- und softer Saxophonsoli wie auch die bonbonfarbene Harmonik lindert den Kitschverdacht nicht. Ironiesignale werden nur in homöopathischen Dosen hörbar: in ein paar dissonanten Ausfransungen oder in rhythmischen Begleitmustern, die so etwas wie Froschquaken imitieren. Auch stimmt die Lautstärken-Balance zwischen Sängerin und Orchester nicht. Peter Rundel am Dirigierpult kann nicht verhindern, dass die Sopranistin oft nicht deutlich hörbar ist. Das Publikum schien sich aber zu amüsieren.

Vorher gab es eher trockenes Ohrenfutter: Der britische Komponist Richard Barrett schrieb mit „everything has changed / nothing has changed“ ein großbesetztes Orchesterstück, das schon im Titel recht unentschlossen wirkt. Ein nervöses Netz aus Streichergewusel, Glissandi in Zeitlupe und mikrotonalem Wimmern, aus dem sich gelegentlich einzelnen Stimmen wie jene einer einsamen Trompete freischwimmen, ein sich verdichtendes Sirren und Summen, gläserne Schläge. Plötzlich: Abbruch des Ganzen und Stille, dann kommt die träge Masse wieder in Gang.

Interessanter war das final gespielte „Más raíz, menos criatura“ (Entlegene Felder III) von Klaus Ospald: riesig besetzt mit Orchester, Solo-Klavier und acht Gesangsstimmen. Im Zentrum die Pianistin Yukiko Sugawara, die ihre Aufgabe als stoischer Widerpart des Orchesters mit Kraft und Konzentration meisterte. Schön die Stimmungs- und Farbwechsel zwischen Klavier und Klangkörper, oft aus bestimmten Intervallspannungen erwachsend. Der klar strukturierte, blockhaft-statische, stockende Ablauf aus Clusterklängen, Klangflächen, Liegetönen, in den sich immer wieder auch die acht Stimmen des SWR Vokalensembles einwoben, ermüdete aber trotz vieler punktueller Überraschungseffekte schon bald die Ohren. Da war gerade mal die Hälfte des 35-Minüters vorbei.