Von Dietholf Zerweck

Stuttgart - Vom Stuttgarter Hofkapellmeister Peter Joseph von Lindpaintner stammt die romantische Oper „Der Vampyr“, von deren zweiter, 1850 entstandener Fassung Frieder Bernius nun im Ludwigsburger Forum Teile konzertant aufführte. Mit der Hofkapelle Stuttgart und einem fähigen Solistenquartett musizierte er die interessante Ausgrabung, deren Autograph Bernius in der Württembergischen Landesbibliothek entdeckt hat. Wie bei anderen Komponisten des 18. und 19. Jahrhunderts, die der Stuttgarter Dirigent mit ihren Werken wieder in Erinnerung gebracht hat - Jommelli, Zumsteeg, Danzi und Knecht seien hier genannt - war auch Lindpaintners Wirken mit der schwäbischen Metropole eng verbunden: Von 1819 bis zu seinem Tod 1856 war er Hofkapellmeister und machte das Stuttgarter Orchester zu einem der wichtigsten seiner Zeit. Als Felix Mendelssohn Bartholdy 1831 eine hiesige Aufführung besuchte, schrieb er danach an seinen Lehrer Carl Friedrich Zelter: „Der Lindpaintner ist, glaub’ ich, jetzt der beste Orchesterdirigent in Deutschland; es ist, als wenn er mit seinem Tactstöckchen die ganze Musik spielte.“

Köstlich gereimte Ironie

Von drohendem Unheil kündet schon der Anfang der Ouvertüre des „Vampyr“ , doch sogleich hellt sich die Stimmung auf, eine Oboenkantilene zitiert das Thema von Isoldes Romanze aus dem 3. Akt, zwischen Dunkel und Licht werden die musikalischen Handlungsmotive nach dem Muster von Carl Maria von Webers „Freischütz“ eher unverbunden aneinander gereiht. Ungewöhnlich energisch reißt Bernius die Arme in die Höhe, die Musiker der von ihm 2006 als Originalklangensemble wiedererweckten Hofkapelle Stuttgart folgen dem dramatischen Impetus. Doch jetzt gehört die Bühne Bernd Schmitt, dem Regisseur, Librettisten und Dozenten für szenischen Unterricht an der Stuttgarter Opernschule. In köstlich gereimten, mit Ironie gewürzten Hexametern erzählt Schmitt wie in einer Moritat die verwickelte Handlung des 1. Aktes: Im Hause des Grafen Liebeshafen (Port d’Amour) soll die Hochzeit von dessen Tochter Isolde mit Hyppolit stattfinden, doch ihr ist im Schlosspark in der sogenannten Vampirhöhle ein bleicher Jüngling im Traum erschienen, der eine verdammte Ähnlichkeit mit dem Grafen Aubri besitzt, dem sie einst als Braut zur Ehe versprochen war und der seine Rettung des Grafen Port d’Amour bei einem Räuberüberfall mit dem Leben bezahlte. Plötzlich erscheint der tot geglaubte Aubri inmitten der Hochzeitsgäste, und Isolde entscheidet sich für ihn.

„Unstet treibt’s mich umher!“, beginnt Isoldes Ex-Bräutigam Hyppolit den 2. Akt und schwört: „Der Hölle, die aus Aubris Augen spricht, / der Hölle lass ich dich, Isolde, nicht!“ Statt gesprochener Texte in der Singspiel-Urfassung von 1828 sind solche Rezitative in der späteren Version orchestral ausgeformt, die Vampir-Referenz wird durch Bratschen- und Celli-Geschrummel illustriert. In der folgenden, vom Tenor Michael Feyfar mit gepresstem Timbre dargebotenen Arie löst sich die dramatische Spannung zum lyrischen Besang von Isoldes „Augen holde Sterne“, doch schon ist der Vampir-Graf Aubri zur Stelle, um „aus frischer Lebensquelle“ neues Dasein zu trinken.

Wenig Biss in der Stimme

Das Orchester macht das in düsterem Fugato und chromatischen Schlangenbewegungen deutlich, doch leider hat der angenehm intonierende Bariton Samuel Hasselhorn zu wenig Biss in der Stimme für seine Beschwörung, die in der folgenden Szene zur Begleitung des Englischhorns auch lyrischen Belcanto verströmt: „O komm! Ein Ruf durchzittert die Natur, / Und dieser Ruf, es ist die Liebe nur!“ Der Schlussakt, von Bernius ohne Bernd Schmitts ergötzliche Rezitation durchmusiziert, wird dann fast ausschließlich von Sarah Wegeners dramatisch gefühlvoller Isolde dominiert. Ihre Cavatine und ihre große Szene - „Ha! Es wird Licht! Fort, Traumgesicht!“ - bei der man Vorbilder von Mozart bis Meyerbeer mithören kann, sind kontrastvoll ausgestaltet, und das finale Terzett mit dem Vater als Retter (Emanuel Fluck) beschließt der Chor (als Solistenquartett) mit einem Dankeshymnus.

Musikalisch spannungsvoller war nach der Pause Schuberts c-Moll-Sinfonie, „die Tragische“: in ihrem Hell-Dunkel-Charakter durchaus in der Nähe der Lindpaintnerschen Opernromantik, doch mit unendlich reicheren Zwischentönen, die allerdings von der Rückhall-Akustik vor dem Eisernen Vorhang im Konzertsaal des Ludwigsburger Forums oft verschluckt wurden.

Das vom SWR aufgezeichnete Konzert wird am 2. April um 20.03 Uhr in SWR 2 Kultur gesendet.