Star ohne Allüren: Ana Durlovski vor dem Stuttgarter Opernhaus. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Ulf Mauder

Stuttgart - Sie singt bestechend präzise: Ana Durlovski hat im Grunde fast alles erreicht als Sängerin. Obwohl die „Königin der Nacht“ sich an Opernhäusern wie der Met in New York und in Stuttgart wohlfühlt, ist sie auch ganz gerne in ihrer Heimat Mazedonien.

Dass sie selbst Krieg und Leid, damals in Jugoslawien, erlebt hat, hilft Ana Durlovski heute auch durch die Untiefen der Opernwelt. „Ich glaube, wir müssen viel erleben, um viel erzählen zu können“, sagt die Sängerin aus Mazedonien. In der Bellini-Oper „I puritani“, inszeniert vom Stuttgarter Erfolgsduo Jossi Wieler und Sergio Morabito, steht die Sopranistin derzeit als Elvira auf der Bühne. Sie verkörpert die Tochter eines Puritaner-Kommandeurs - eine Frau, die beinahe wahnsinnig wird, weil der Mann, den sie liebt, eine andere begehren könnte.

Ganz im Dienst der Rolle

Mit ihren 37 Jahren ist Ana Durlovski nicht nur wegen ihrer famosen Koloraturarien als Königin der Nacht in Mozarts „Zauberflöte“ an der Met in New York oder an der Semperoper in Dresden gefragt. Auch bei den Bregenzer Festspielen brillierte sie als Königin der Nacht in der Abschiedsinszenierung von David Pountney.

In Stuttgart schätzt Intendant und Regisseur Wieler vor allem die Ausdrucksstärke der Frau, deren „Natürlichkeit“ viel im Ensemble der Staatsoper ansteckend nennen. Sie ist eine, die die Arien der großen Primadonnen singen darf.

Dass Intendant Wieler und sein Chefdramaturg und Regie-Partner Morabito den Figuren in den Geschichten ihrer Inszenierungen so tief auf den Grund gehen, schätzt Durlovski an ihrer Arbeit in Stuttgart besonders. Aber eine Diva, das sagt sie gleich ganz klar, will die Mutter von drei Kindern und Frau eines Sängers auf keinen Fall genannt werden.

Weithin schätzen Kritiker sie dafür, dass ihre eigene Persönlichkeit hinter die Rolle zurücktritt. Die am 20. Juli 1978 im sozialistischen Jugoslawien geborene orthodoxe Christin kennt auch die schwierigen Seiten des Lebens. Hautnah erlebte sie, wie der Staatenbund zerbrach. Vielleicht bescheinigen ihr Kritiker gerade auch wegen der Lebenserfahrung starke Überzeugungskraft.

Als beste Sängerdarstellerin im Musiktheater erhielt sie 2012 den Deutschen Theaterpreis Der Faust. „Ana Durlovski singt hinreißend; gertenschlank, aus einer warmen Bronze-Mittellage heraus, mit lupenreinem Fokus, glockenklar leuchtend in der Höhe, wunderbar lyrisch beseelt“, schrieb „Die Deutsche Bühne“ über die Nominierung. Das Lob bezog sich auf ihre Bravourpartie als Amina in Bellinis Oper „La Sonnambula“ (Die Nachtwandlerin), ebenfalls von Wieler und Morabito an der Stuttgarter Staatsoper in Szene gesetzt. Im selben Jahr kürte sie die Zeitschrift „Opernwelt“ zur Nachwuchssängerin des Jahres und würdigte nicht nur ihre „zuverlässige Te chnik“, sondern auch die Zwischentöne sowie ihre „kraftvolle Attacke“ im passenden Moment.

Sehnsucht nach der Heimat

Die Sängerin ist glücklich, dass sich alles so gefügt hat. 1992, da war sie gerade mit dem Studium in der mazedonischen Hauptstadt Skopje fertig, hörte sich die Leitung der Wiener Kammeroper dort damals die jungen Sänger an. So schaffte sie den Sprung ins Ausland, erst nach Wien, damals noch im Chor, und dann immer weiter. „Das war wahnsinnig schwer“, sagt sie. Die stete Arbeit an der eigenen Technik habe sie weiter gebracht. 2006 das Debüt als Königin der Nacht an der Staatsoper Wien, 2014/15 sang sie die Partie auch in New York. Daneben gab es feste Engagements am Staatstheater Mainz (2006 bis 2011) und seit 2011 in Stuttgart.

Dabei schätzt sie, dass sie sich darstellerisch entfalten kann. „Ich brauche die Möglichkeit, meine Empfindungen mit meinem Körper auf natürliche Weise auszudrücken. Bei einer konzertanten Aufführung fühle ich mich wie gelähmt“, sagt sie. Und doch hatte sie zuletzt bei aller Leidenschaft für deutsches Regietheater immer wieder Sehnsucht nach der Heimat. „Ich will neben dem Beruf auch noch ein anderes Leben haben“, sagt die Sängerin. Von einem Bauernhof mit Tieren und Pflanzen träume sie, sagt Durlowski, die bisweilen mit ihrem Mann, einem Bass, auf der Bühne steht. Igor Durlovski ist seit ein paar Monaten in Skopje Opernintendant. „Irgendwie denke ich auch, dass meine Kinder in Mazedonien eine richtige Kindheit haben können“, meint sie. Trotz der vielen Probleme in dem verarmten Land fühle sie sich dort freier.

So mancher in Mazedonien, der lieber raus will aus dem Land, habe über die Rückkehr der Familie Durlovski aber gestaunt, räumt sie ein. Aber sie bleibt auch festes Ensemblemitglied in Stuttgart - und ist von Skopje aus stets schnell im Westen.

Den Traum ihrer Heimat von einer Zukunft in der EU sieht die Sängerin durch den geplanten Austritt Großbritanniens aus der Union erschüttert. „Das hat ein Erdbeben in unseren Gedanken ausgelöst. Ich kann nur hoffen, dass es nicht wie in Jugoslawien wird“, sagte sie mit Blick auf den früheren Staatenbund der Balkanländer. „Wir waren alle in Jugoslawien. Das hat bis zu einem bestimmten Punkt funktioniert“, sagt die Sopranistin. In der Geschichte habe es immer wieder Beispiele gegeben, dass sich plötzlich „Wahnsinn breitmacht und alles zusammenbricht“, meint die Sängerin, die in diesem Sommer ihr Debüt bei den Bayreuther Festspielen hat.

Ana Durlovski ist in dieser Spielzeit noch heute sowie am 17. und 27. Juli als Elvira in „Die Puritaner“ im Stuttgarter Opernhaus zu erleben.

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