Ein Abend voller Verwicklungen: Isabel Varell und Heiko Ruprecht in „Diese Nacht - oder nie!“. Foto: J. Frahm Quelle: Unbekannt

Von Petra Bail

Stuttgart - Sie trinken Champagner aus Blumenvasen, spucken Kirschkerne aus dem fünften Stock und schauen gemeinsam Champions League. Sie sind allerbeste Freunde seit fünf Jahren. Ein prima Kumpel-Verhältnis in seinen Augen. Doch Charlotte verspürt eine romantische Anziehung. Sie ist verliebt in Valentin. Was dabei herauskommt, können die Zuschauer derzeit an der Komödie im Marquardt verfolgen. Dort hatte die gehaltvolle Komödie „Diese Nacht - oder nie!“ mit den beiden Fernsehstars Isabell Varell und Heiko Ruprecht jetzt deutschsprachige Uraufführung. Sie stammt aus der Feder des französischen Komikers Laurent Ruquier und bestätigt mal wieder, dass Franzosen einfach die besseren Lustspiele machen.

Ambiente zum Schwachwerden

Ruquier thematisiert nicht nur flockig-locker das Harry-und-Sally-Syndrom, wie Psychologen eine platonische Freundschaft zwischen Männer und Frauen nach der gleichnamigen Hollywood-Liebeskomödie bezeichnen. Es geht auch um die Sprache der Blumen (charmant) und um erotische Dienstleistung (spannend). Das Ganze spielt in einer so wunderbaren Kulisse, dass sich allein dafür schon ein Theatergang lohnt. Dietmar Teßmann hat für Floristin Charlotte einen so bildschönen Blumenladen entworfen, dass man allein beim Anblick der großzügigen Ausstattung mit warmem Holz, ansprechender Tapete und exquisitem Mobiliar in Stimmung kommt: ein kleines, gemütliches Tischchen, eine üppige Verkaufstheke und, vor dem wandfüllenden Schaufenster, das einen tollen Blick auf einen französisch anmutenden Straßenzug freigibt, eine farbexplosive Blumenpracht.

Ein Ambiente zum Schwachwerden, hat sich auch Charly gedacht, wie sie von Valentin kumpelhaft genannt wird, und überredet das Objekt der Begierde am Telefon, statt Pizza auf der Couch ein Dinner im Laden einzunehmen. Situation und Wortwitz während des Telefonats sind köstlich. Sie sieht man im Bademantel, er sitzt auf dem Klo, erzählt vom Scheißtag, den er hatte: „eine Sitzung nach der anderen“. Aber jetzt winkt ein entspannter Abend. „Sie lacht, sie säuft, sie singt“: Eigenschaften, die er an seiner besten Freundin so schätzt - da ahnt er ihr Geheimnis noch nicht.

Ihre Annäherungsversuche sind hitverdächtig. Das „Weiße Rößl“ lässt grüßen, wenn sie auf dem Tresen räkelnd schmachtet „Es muss was Wunderbares sein, von dir geliebt zu werden“. Charlotte hat ein Faible für Schlager, die vom 30er-Jahre-Ohrwurm „Ich brauche keine Millionen“ bis zum Tote-Hosen-Song „Alles aus Liebe“ reichen. Eine Paraderolle für Isabel Varell, die auch als Sängerin tätig ist. Ihr Musical-Talent kommt zum Tragen, manchmal etwas überdreht, was Regisseur Ulf Dietrich ruhig etwas hätte dämpfen können. Mit dem überschäumenden Temperament spielt sie den zurückhaltenden Heiko Ruprecht, bekannt aus der Serie „Der Bergdoktor“, in manchen Szenen an die Wand. Nach Charlottes Liebes-Geständnis sagt er den Killer-Satz: „Lass uns lieber Freunde bleiben.“ Und das hat seinen guten Grund. Valentin arbeitet - statt wie behauptet in einer Werbeagentur - beim Escort-Service. Sex hat er täglich ausreichend. Bei ihr muss er nicht arbeiten. „Call boy de luxe“, schimpft sie, von der Eröffnung völlig überrumpelt: Gigolosoph, Escortodele, Schopenpopper“. „Begleiter für 150 Euro die Stunde“, rechtfertigt er sich. Sogar Charlottes beste Freundin, Anne, nimmt seine Dienstleistung in Anspruch. Allerdings für 300 Euro. Sogar sein klingender Name, der Charlotte an besagtem Tag alljährlich guten Umsatz beschert, ist nicht echt. Valentin ist ein Pseudonym. Klingt besser als Otto.

Flotte Dialoge mit Niveau

Der ausgelutschte Werbespruch „Otto find ich gut“, ist allerdings so überflüssig wie die etwas krampfigen Bezüge zu Stuttgart, wobei der in Friedrichshafen geborene Ruprecht einen schwäbischen Part mit einer Iris und einer Rose spricht und nach seinem Motorradunfall im Marienhospital liegt. Die Geschichte, die einige überraschende Wendungen nimmt, trägt auch so. Die flotten Dialoge, die süffisanten Anspielungen, die musikalischen Anklänge - das hat alles viel Charme und unterhält sehr niveauvoll. Außerdem sind mit Varell und Ruprecht zwei versierte Schauspieler an der Rampe, die ausgezeichnet harmonieren. Dann spielen natürlich Erika, Rose und Iris eine Rolle, nicht nur als zahlende Damen, sondern auch als blumiges Mittel zur nonverbalen zwischenmenschlichen Kommunikation. Charlotte lehrt ihren „Toyboy“, Wünsche und Gefühle mit einem Strauß symbolisch auszudrücken. Nicht von ungefähr heißt ihr Laden „Sträuße mit Biss“. Charlotte hat ein Ziel und weiß, was sie will. Ob’s klappt, wird nicht verraten. Selber schauen. Lohnt sich.

Weitere Aufführungen bis 14. Mai, dienstags bis samstags jeweils um 20 Uhr, sonntags um 18 Uhr, Karten unter Tel.0711-227 70 22.