Fotografien von markanten Orten, Plätzen und Häusern einer Stadt versprechen Wiedererkennung und stiften Identität. Zu sehen sind diese noch bis zum 20.Juni in der Ausstellung im Scharnhauser Park. Foto: Eberle Quelle: Unbekannt

Von Elke Eberle

Ostfildern - Nichts ist klar. Nicht der Standpunkt, nicht das Motiv. Gerd Wiedmaiers fotografische Arbeiten beleuchten die Dinge, die Orte, Landschaften und Architekturen nicht im Detail, sie durchleuchten sie, geben ihnen einen neuen Kontext und gehen ihnen auf den Grund. Zu sehen sind seine „Blickrichtungen“ derzeit in der Städtischen Galerie Ostfildern.

Fotografien von markanten Orten, Plätzen und Häusern einer Stadt versprechen Wiedererkennung, stiften Identität. Doch was, wenn ein Schleier des Unwirklichen alles einhüllt? Wenn sich Wachs, Schicht um Schicht, Doppel- oder Mehrfachbelichtungen, Lacke und Pigmente zwischen den Betrachter und das Motiv legen? Fotografie ist eine Art die Welt zu sehen, ihre Geheimnisse zu enthüllen, ihre Sprache ist das Licht. Grundlage von Gert Wiedmaiers Arbeiten ist die alltägliche Wirklichkeit, er gibt ihr Form, nimmt sie gestaltend auf, interpretiert sie, macht Bekanntes zu Unbekanntem, Unbekanntes zu Bekanntem. Ihn interessieren nicht Postkartenidyllen, sondern Orte als Möglichkeiten, sie löst er aus Raum und Zeit. Und er baut aus Architekturen neue Architekturen, aus Räumen neue Räume.

Zwei Jahre lang durchsuchte der 1961 geborene Konzeptkünstler Gert Wiedmaier die sechs geographisch voneinander getrennten Stadtteile von Ostfildern wie er andere Städte und Landschaften zuvor durchsucht hat. Er fand Orte, die jeder kennt und Orte, die keiner so je gesehen hat, er fand das Austauschbare und das Charakteristische. Jede einzelne Arbeit steht in einem Kontext und genauso überzeugend herausgelöst aus ihm, nur für sich. Seine fotografischen Fundstücke zeigt er in Ostfildern in drei Werkzyklen mit unterschiedlichen Techniken. Alles überzieht Wiedmaier mit etwas anderem, er verhüllt und überdeckt konsequent. Da ist der Turm der Schule im Scharnhauser Park, jeder sieht ihn, keiner nimmt ihn mehr wahr. Drohend, abweisend, am Ende einer langen Mauer reckt er sich auf dem Bild in die Höhe. Das Stadthaus wird eingehüllt von einem großen Baum, andernorts stehen geometrisch gestutzte Bäume in Stufen und eine Parkbank in einer Schneelandschaft wartet im Irgendwo. Alles ist da, und doch irgendwie auch nicht, denn nichts ist unverrückbar, am wenigsten die Realität.

Mitten im Galerieraum steht ein kleines Häuschen, seine Außenwände sind überzogen mit einem Cluster aus Fotografien, sie sind Hülle für das Private, an den Wänden des Innenraumes hängen gerahmte Postkarten des historischen Ostfildern. So wird Zeit zum Thema, Vergangenheit, Geschichte und Erinnerungen. Wieder zurück im Ausstellungsraum kehrt sich Vergangenheit in Gegenwart und aus alten Wegen werden neue Wege.

Bis 20. Juni Städtische Galerie, Gerhard-Koch-Str. 1, Scharnhauser Park, Öffnungszeiten: dienstags und donnerstags 15 bis 19 Uhr, samstags 10 bis 12 Uhr und sonntags 15 bis 18 Uhr. www.ostfildern.de/galerie