Mit Schmiss und viel Vergnügen lässt das Ensemble der Friedrichsbau-Show „Neon“ die 80er-Jahre lebendig werden. Foto: Friedrichsbau-Varieté Quelle: Unbekannt

Von Alexander Maier

Stuttgart - Es war eine wild bewegte Zeit: Modisch prägten Schulterpolster, Neonjacken, Karottenjeans und ganz viel Glitzer das Bild, die Friseure empfahlen Dauerwelle und Vokuhila, und in der Musik gaben Stars den Ton an, die so bunt und schrill waren wie alles, was die 80er-Jahre prägte. Kein Wunder, dass diese Ära bis heute ihren ganz besonderen Reiz besitzt. Das Stuttgarter Friedrichsbau-Varieté lässt jene wunderbaren Jahre wieder lebendig werden. Und wer den Hausregisseur Ralph Sun kennt, der weiß, dass er es versteht, Kleinkunst und Zeitkolorit auf so stimmige Weise zu verbinden, dass sich viele im Handumdrehen wieder zurückversetzt fühlen. Man feiert die Zeit, und ein bisschen feiert man damit auch die eigene Jugend. „Neon - The living 80’s“ heißt die neue Friedrichsbau-Produktion. Und wer das mitreißende Programm live erlebt, spürt sofort, dass in dieser Show Musik drin ist.

Maxime markiert den dicken Macker

Die 80er definieren sich zu einem guten Teil über ihre Hits, die bis heute im Radio rauf und runter gespielt werden. Ganz egal, ob Madonnas „Like a Virgin“, Cindy Laupers „Girls just wanna have Fun“ oder Bonnie Tylers „Holding out for a Hero“ - schon bei den ersten Takten kann man munter mitwippen und -schnippen. Und mancher ertappt sich dabei, wie er unwillkürlich einstimmt, wenn Karina Klüber loslegt: Die Berliner Sängerin führt charmant durch zwei Stunden Programm und setzt mit ihrer starken Stimme musikalische Akzente. Dabei strahlt sie jene unbeschwerte Lebensfreude aus, die mit den 80ern verbunden ist - zumindest in der Erinnerung. Ihre Moderationen geraten da fast schon zur Nebensache, denn die Nummern, die Ralph Sun zu einem stimmigen Ganzen komponiert hat, sprechen für sich.

Es ist ein munteres Völkchen, das sich im Neonlicht der Bühne tummelt - so schrill und kunterbunt, wie die damalige Zeit vielen in bester Erinnerung ist. Ralph Sun gelingt es jedesmal, neue und überraschende Künstler aus dem Hut zu zaubern - so wie den Kanadier Maxime Poulin, der anfangs linkisch über die Bühne stolpert, um später ungeahnte Talente zu offenbaren: Wer ihn in seinen prolligen Klamotten sieht, würde kaum vermuten, dass der Bursche Clownerie und anspruchsvolle Artistik aufs Feinste vereint: Ob auf dem Kunstrad oder einem Mini-Bonanza-Fahrrad mit zeittypischem Bananensattel - Poulin zeigt die verrücktesten Tricks auf zwei Rädern. Und das Publikum lacht sich kringelig, wenn er scheinbar unbeholfen versucht, den dicken Macker zu markieren. Pippa Coram steht ihm in nichts nach. Nach einem etwas bemühten Comedy-Act mit eingebauter Hundedressur im ersten Teil dreht die Australierin, die sich „Pippa the Ripper“ nennt, nach der Pause so richtig auf und zeigt eine Hula-Hoop-Nummer, wie man sie nur selten zu sehen bekommt. Erst lässt sie zwei, dann vier, dann acht und schließlich so viele Ringe um die Hüften kreisen, dass man sie kaum mehr zählen kann. Das macht die Powerfrau mit der wilden Mähne mit solcher Leidenschaft, dass man nur staunen kann.

Die Zutaten einer guten Varieté-Show sind meist dieselben - entscheidend ist, dass sich die einzelnen Nummern wie selbstverständlich zusammenfügen. Und zwischendurch darf’s gerne auch mal etwas Überraschendes sein. Für die Aha-Effekte sorgt diesmal das Ensemble Alex Black Magic - vier junge Künstler aus Russland, die während der Show ungeahnte Wandlungsfähigkeit demonstrieren: Alex Black, der hinter dieser tollen Truppe steht, ist Zauberkünstler, Choreograf und Kostümdesigner, und das merkt man seinen Nummern auch an. Mal vereint er filigrane Zaubertricks und digitale Effekte zu einem Feuerwerk der Emotionen, wobei er wie selbstverständlich zwischen der zweidimensionalen Leinwand und der dreidimensionalen Realität wechselt. Ein andermal gehen Zauberkunst und Akrobatik oder Comedy und Choreografie Hand in Hand. Die Klassiker im Programm haben es ebenfalls in sich: Der junge Oscar Kaufmann wirbelt im Cyr-Wheel virtuos über die Bühne, das Duo Balkanica präsentiert kraftvolle Handakrobatik mit einem komödiantischen Augenzwinkern, während Pranay aus Berlin mit immer neuen Diabolo-Tricks verblüfft. Dann ist da noch ein Künstler aus der Ukraine, der dem legendären Rubik’s Cube zu neuen Ehren verhilft: Was Sergey Timofeev auf seinem Zauberwürfel zeigt, ist anspruchsvollste Artistik zwischen Kontorsion und Equilibristik. Und das Publikum kann ein ums andere Mal nur staunen, weil anspruchsvolles Varieté immer wieder neu und immer wieder überraschend ist - auch wenn dazu der vertraute Sound der 80er-Jahre erklingt.