Der chinesische Künstler Feng Mengbo lässt mit einem Computerspiel Mao Tse Tungs „Langen Marsch“ neu beginnen. Foto: Trickfilmfestival Stuttgart Quelle: Unbekannt

Von Dietrich Heißenbüttel

Stuttgart - Einen „grenzenlosen Beutezug durch die Weltmeere der Animation“ verspricht Ulrich Wegenast, der künstlerische Geschäftsführer des 24. Internationalen Trickfilm-Festivals (ITFS), das vom 2. bis zum 7. Mai wieder die große weite Welt der animierten Bilder nach Stuttgart bringt. An die 1000 Filme sind zu sehen, mehr als 80 000 Besucher werden erwartet. Neu und noch größer ist die Leinwand für das Open Air auf dem Schlossplatz. Am Marktplatz gerät auf der Fassade des Breuninger Markts durch eine App ein Piratenschiff in Bewegung. In der deutlich erweiterten GameZone im wieder eröffneten Kunstgebäude warten 150 Spiele auf die Besucher und User, darunter die 16 Meter breite interaktive Computerspielanimation „Long March: Restart“ des chinesischen Künstlers Feng Mengbo aus dem Besitz des Museum of Modern Art in New York, aufgebaut mit Hilfe des ZKM in Karlsruhe.

China, New York, Karlsruhe, Stuttgart: Schon diese eine Arbeit ist geeignet, das Festivalmotto „Grenzenlose Animation“, aber auch das Thema der Spielesektion zu illustrieren: „Playful Art / Meaningful Games“. Denn auf der einen Seite nutzen Künstler das Spielerische des Mediums, auf der anderen können Spiele aber auch einen ernsten Hintergrund haben: wenn nämlich Feng beim Langen Marsch Mao Tse Tungs die Historie humorvoll wieder auf Null zurücksetzt. Oder wenn das Spiel „The Migrant Trail“ bereits vor drei Jahren den Grenzübertritt von Mexiko in die USA thematisierte. „Wie politisch sind Spiele?“ Dies war die Frage, die sich die Kuratoren gestellt haben, erklärt Wegenast. Vier Hochschulen sind beteiligt, erstmals wird der mit 5000 Euro dotierte „Animated Games Award Germany“ verliehen.

Sehr viele Filme für Erwachsene

Es ist nur einer von 17 Preisen, ganz vorn der mit 15 000 Euro dotierte Grand Prix des Landes, daneben Publikumspreis, Preise einzelner Stifter oder für bestimmte Aufgaben wie Drehbücher und Sprecher. Die Wettbewerbe stehen wie immer im Mittelpunkt, rund 600 Filme nehmen daran teil. Ein Länderschwerpunkt liegt darüber hinaus auf Kroatien: mit einem Überblick über die dortige Animationsszene, drei Studiopräsentationen sowie den Preisträgern des letztjährigen Festivals Animafest in Zagreb. Eine von mehreren Retrospektiven präsentiert das Werk von Bruno Bozzetto aus Bergamo, dem Schöpfer der Figur „Signor Rossi“. Mit einer Hommage ehrt das Festival den vor 100 Jahren geborenen russischen Animationsfilmer Fjodor Chitruk, mit einer weiteren Thilo Graf Rothkirch, von dem unter anderem die Serie „Der kleine Eisbär“ stammt.

Trickfilme sind traditionell eine Domäne für Kinder. Diesmal ist jedoch das Verhältnis umgekehrt: 70 Prozent der Filme richten sich an Erwachsene. Gleichwohl bleibt das Kinderprogramm, ausgerichtet vom Hauptsponsor Daimler im Mercedes-Benz-Museum, einer der Schwerpunkte. Es beginnt mit einer Preview am Familiensonntag, 30. April, ab 11 Uhr, unter anderem mit einem Trickfilm- und Sounddesignworkshops und dem Film „Mein Leben als Zucchini“. Und auch sonst sind Sponsoren und Partner in großer Zahl eine wichtige Stütze des Festivals. Sie tragen rund zwei Drittel des Budgets.

Seit dem Anfangsjahr 1982 ist das ITFS gewaltig gewachsen. Überzeugungsarbeit ist heute kaum noch nötig: Alle wollen mit an Bord. Und der Trickfilm expandiert in alle Richtungen, von der Opernbühne bis zur Werbung. So findet parallel zum dritten Mal das Festival Spotlight für Bewegtbildkommunikation statt: Mit Kommunikation ist die Werbebranche gemeint, im Literaturhaus wird „genetzwerkt“, wie sich der Festivalleiter Peter Frey ausdrückt. Der Animation Production Day am 4. und 5. Mai in der Liederhalle bietet der Branche ein wichtiges Forum. Denn durch die geknüpften Kontakte gelingt jeder dritten Produktion auf der Suche nach Partnern ein entscheidender Schritt zur Realisierung, wie Dittmar Lumpp, Geschäftsführer Organisation und Finanzen des ITFS, hervorhebt. Nicht zu vergessen die viertägige FMX-Konferenz im Haus der Wirtschaft, die unter anderem neue Tendenzen der Virtual Reality vorstellt.

Bei all dem öffentlichen Aufsehen, dem Glamour der Galas, den internationalen Gästen und interessierten Partnern bleibt sich das Festival doch bemerkenswert treu: Es hält eine feine Balance zwischen großem Publikum und avantgardistischen Neuerungen, Kindern und Erwachsenen, Ernst und Humor, Business und Kunst. Ob es, wie es heißt, wirklich eines der größten und wichtigsten ist, kann dem Zuschauer ziemlich egal sein, solange die Atmosphäre stimmt und es immer viel zu entdecken gibt: Etwa beim fünften Arab Animation Forum im Kunstgebäude. Oder wenn Paul Barritt in Ludwigsburg mit seiner Officer Pup Band live zur Preview seines Animationsfilms „Cat and Mouse“ nach dem 20er-Jahre Cartoon „Krazykat“ von George Herriman spielt.

www.itfs.de