Gefühlvoll und gesanglich perfekt präsentiert sich die Jugendkantorei Esslingen in der Stadtkirche St. Dionys. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Petra Weber-Obrock

Mit Gefühl und Präzision hat die Esslinger Jugendkantorei die Stunde der Kirchenmusik in der Stadtkirche gestaltet und das Publikum in ihren Bann gezogen. Unter der Leitung von Uwe Schüssler hatten die jungen Sängerinnen und Sänger gemeinsam mit einigen Instrumentalisten ein anspruchsvolles Programm einstudiert, das einen großen Bogen von der Chorliteratur des Barocks bis hin zur fast noch zeitgenössischen „Misa criolla“ von Ariel Ramirez spannte.

Von Pfarrer Peter Schaal-Ahlers wurde das musikalische Programm in einen Gottesdienst eingebunden, den er mit Texten in moderner Übertragung gestaltete. Im Ablauf des Konzerts blieb der Chor fast exakt der gewählten Zeitschiene treu. Zu Beginn trugen die Sänger eine italienische „Laude“ vor, ein Loblied aus dem 15. Jahrhundert, das die Heilige Dreifaltigkeit bejubelt. Dazu teilte sich der Chor und eroberte sich den sakralen Raum mit einem eindrucksvollen Wechselgesang zwischen Chorraum und Langhaus der Kirche. In großer Klarheit ertönte danach der Satz „Cum decore, cum amore“, den Tilmann Cusato im 16. Jahrhundert komponiert hatte. Geschickt aufgenommen wurde er von Audrey Sniders zeitgenössischem „Ubi caritas“ mit seinem heutigen Ohren gefälligen Wohlklang.

Die nächste Sequenz gehörte dem Zeitalter des Barocks. Begleitet von Johannes Zimmermann am Klavier und Christian Pfeiffer am Cello interpretierte Fabian Grosch auf der Blockflöte Arcangelo Corellis „Sarabande con variazoni“ und erfüllte den Raum mit den schwebenden Klängen seines zarten, der Barockmusik angemessenen Holzblasinstruments. Es folgte eine Sternstunde des Konzerts, in der die jungen Sängerinnen und Sänger sich den komplizierten Melodiengeflechten zweier Motetten von Heinrich Schütz und dem „Nisi Dominus“ aus der Marienvesper von Claudio Monteverdi widmeten. Einmal sechsstimmig, einmal mit zwei fünfstimmigen Chören, boten die beiden Werke ihnen Raum, um alle Exaktheit und Verve aufzubieten, derer sie fähig waren - eine Aufgabe, die sie brillant meisterten.

Im letzten Teil gehörte die Stadtkirche den Rhythmen Lateinamerikas. Nach dem Instrumentalstück „Oblivion“ von Astor Piazolla mit Felix Sommer am Saxophon und Johannes Zimmermann an der Orgel folgte die „Misa criolla“ oder „kreolische Messe“, die Ariel Ramirez 1964 komponiert hatte. Mit dem Kyrie, dem Gloria, dem Credo, dem Sanctus und dem Agnus Dei nimmt sie Elemente der katholischen Liturgie auf, in denen sie, untermalt von Rhythmen aus der lateinamerikanischen Tradition, eine innige Volksfrömmigkeit lebendig werden lässt. Hut ab, sowohl vor der gesanglichen Perfektion des jungen Chores, als auch vor der Kraft des Gefühls, die beim Singen mitschwang. Die „Misa criolla“ wurde im Wechselgesang zwischen den Solisten Daniel Zimmermann und Felix Sommer sowie dem Chor lebendig, der ihre Vorgaben aufnahm und ihnen Kontrapunkte entgegensetzte. Dafür schwang sich der Sopran in Höhen auf, die grell geklungen hätten, wären die Stimmen nicht so engelhaft weich und jung gewesen.

Stolz auf den jungen Chor

Alle gemeinsam zeichneten vielschichtige Klangbögen, denen zu lauschen eine echte Freude war. Untermalt von den Instrumentalisten Michael Dautel an der Ukulele, Johannes Zimmermann am Klavier und Joachim Zimmermann am Schlagwerk hätten die Rhythmen, wäre die Umgebung weniger heilig gewesen, das Publikum gewiss zum Mitklatschen, ja zum Tanzen animiert. Der lang andauernde Applaus aus den Reihen des Publikums spiegelte dessen Begeisterung. Chorleiter Uwe Schüssler konnte im Gespräch mit der EZ seinen Stolz auf den jungen Chor nicht verbergen. Das Programm hätten sich die Sänger auf einer Reise ins Piemont erarbeitet und schon auf einem Konzert in Venedig vorgestellt. „Die zwei Motetten von Heinrich Schütz werden sechsstimmig gesungen und gehören zu den anspruchsvollsten Werken, die es für einen A-Capella-Chor überhaupt gibt“, sagte er und betonte die große Vielfalt des Chores zwischen klassischer und zeitgenössischer Literatur.